Worthaus ist eine Website, ein Projekt und eine Zusammenarbeit deutscher Theologen. Was Worthaus sein möchte, ist dies: eine Anregung für Christen, sich neu und vertieft mit der Schrift und dem angestammten Glaubensgut auseinanderzusetzen. Die Anregung ist tiefgründig und reflektiert und setzt sich immer wieder auch mit dem Spannungsfeld dogmatischer Glaubenseinstellungen auseinander. Grund genug also, Worthaus hier kurz vorzustellen.

Die zentrale Website findet sich unter worthaus.org. Von dort aus finden sich Hinweise auf Veranstaltungen und es gibt eine gut gefüllte Mediathek mit Vorlesungen zu verschiedensten Themen, mit Portalen auf YouTube und Vimeo. Auch eine Facebook Seite fehlt nicht.

Der Vortrag hier unten gehört zu einer Reihe über die ersten Kapitel der Bibel. Es geht um Mann und Frau. Es lässt sich gut erkennen, welche Anliegen in der Bibelbetrachtung nachgegangen werden und welche andere Sichtweisen bei einer näheren Betrachtung erscheinen können. Es ist ein anschauliches Beispiel zu einem oft (dogmatisch, traditionell, gesellschaftlich…) vorbelasteten Bild, und wie man im Lesen der Schrift neue Einblicke gewinnen kann.

Die Beziehung von Mann und Frau (Genesis 2, 18, 21–25) | 3.3.1
4. Vortrag zu Genesis 2 von Worthaus 3 – Weimar: 31. Mai 2013 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Die Suche nach dem unverstellten Blick

Der Slogan von Worthaus «Die Suche nach dem unverstellten Blick» verrät bereits viel über die Anliegen. Man behauptet nicht, die letzte Erkenntnis gefunden zu haben, sondern sucht aktiv, und in den Vorträgen und Veranstaltungen auch miteinander. Der «unverstellte Blick» verweist auf die vielseitigen Sichtweisen, die einer nüchternen Betrachtung der Bibel heute in den Weg stehen können. Unverstellt und unverkrampft, dafür mit mehr Tiefgang und mehr Ausblick, ist das, wonach gesucht wird. Gott kennenlernen und Sein Wort ernstzunehmen, gehören dabei zusammen. Das Hirn bleibt eingeschaltet.

Die differenzierte Auseinandersetzung

Was ist an dieser Auseinandersetzung so brisant oder erfrischend? Es sind hier verschiedene Dinge erwähnenswert:

  • Jede Generation benötigt ihre eigene Auseinandersetzung
    Es ist nicht genug, sich Altbekanntes lehren zu lassen. Damit die Bedeutung der Bibel selbst erfasst werden kann, braucht es eine eigene Auseinandersetzung. Jede Zeit, so auch unsere Zeit, benötigt eine Auseinandersetzung. Worthaus unterstützt eine offene Auseinandersetzung und ermutigt zum offenen Gespräch.
  • Religionsgeschädigten
    Es gibt sie, die Religionsgeschädigten, Kirchen- und Freikirchen-Geschädigten, die sich mit engen Sichtweisen partout nicht anfreunden können und wollen, oder sich wie angewidert davon entfernt haben. Wer das je am eigenen Leib erfahren hat, versteht, was in diesen Vorträgen immer wieder erwähnt wird. Es sind befreiende Botschaften und neue Zugänge zur Schrift für Menschen, die mit dogmatisch geprägten Botschaften nicht mehr viel anfangen können, aber Gott bislang nur dogmatisch präsentiert bekamen.
  • Horizonterweiterung
    Worthaus entstand gegen den Hintergrund reformatorischer Theologie und wird von Universitätstheologen getragen. Die Vorträge sind m.E. vorwiegend lebensnah und glaubensnah, ebenso wie sie nahe an der Bibel gehalten werden. Wer das nicht aus universitären Kreisen erwartet, oder gar befürchtet, dass diese der Definition nach «liberal» sind, kann hier den Horizont erweitern. («Liberal» ist ein Angstbegriff konservativer Ansichten und nicht geeignet zu beschreiben, was eigentlich vor sich geht.)
  • Gesellschaftlich relevant
    Eine Vertiefung des Glaubens ist immer gesellschaftlich relevant, während dogmatische Lehren und Annahmen das selten sind.

Kritik an Worthaus

Worthaus regt nicht nur an, sondern manche auch auf. Wer fundiert und vielseitig an die Schrift herangeht, fordert eben viele heraus. So gibt es zu Worthaus einige kritische Stimmen. Interessanterweise geht es – soweit ich das gelesen habe – häufig um ideologische Einwände. Man ist ja ganz davon überzeugt, dass die eigene Sichtweise stimmt, findet logischerweise Argumente für die eigene, und gegen die andere Sicht. Das darf trotzdem ein hohes Niveau erreichen und auf relevante Punkte hinweisen.

Ein Diskurs benötigt kritische Stimmen. Wichtig erscheint mir persönlich, diese Dinge zuerst einmal als «Sichtweisen» zu deklarieren, und sie nicht mit «biblischer Wahrheit» zu verwechseln. Jeder arbeitet, denkt und handelt mit solchen Annahmen. Gerade diese Annahmen sollen hier erneut reflektiert werden, was eines der Hauptanliegen ist.

Im hervorragenden Beitrag von Markus Till «Worthaus – Universitätstheologie für Evangelikale?» spielt dies eine Rolle. Die Polarität zwischen «Unfehlbarkeit der Bibel», wie er das offenbar versteht, und der «Bibelkritik» zeigt lediglich ideologische Standpunkte auf und geht auf folgende Punkte nicht wirklich ein:
– Wie sahen es die Menschen vor 2000 Jahren? Unfehlbarkeit im Sinne der Verbalinspiration gab es damals nicht, der Kanon war nicht festgelegt und Bibelkritik gab es nicht.
– Die eigene Position ist differenziert, wird jedoch nicht infrage gestellt.

So gut und nötig differenzierte Stimmen wie von Markus Till in einem wirklichen Diskurs wichtig sind, so braucht es in einem wirklichen Diskurs auch die Reflexion dieser Sicht. Beiträge welcher Art auch – ob von Worthaus oder geschriebene Kritiken – sind Anhaltspunkte, Anregungen und dienen m.E. lediglich dazu da den Diskurs zu ermöglichen.

Auseinandersetzung bezweckt Reflexion, Differenzierung und am Schluss vielleicht auch einfach den Mut, dieses anzunehmen und anderes abzulehnen. Worthaus ist so wenig perfekt wie die Ansichten der Kritiker. Es soll erkannt sein, dass jeder Redner nach dem eigenen Verständnis und der eigenen Prägung vorgeht – ein natürliches Merkmal jeder Ansicht, Theologie oder Meinung. Der generelle Ansatz von Worthaus erscheint mir jedoch gerade deshalb wegweisend und befreiend, weil konkrete Ansätze geboten werden, die eine lebendige Auseinandersetzung fördern.

Vertiefung

Anregungen zum gemeinsamen Austausch

  • Höre einen Vortrag mit Anderen und bespreche das Thema
  • Hattest Du schon mal von Worthaus gehört?
  • Hast Du schon mal einen Vortrag gehört/gesehen/miterlebt?
  • Steht Deine Gemeinde kritisch oder wohlwollend diesem Projekt gegenüber? Weshalb?

Weiterführend

  • Website von Siegfried Zimmer: siegfriedzimmer.de
    Interessante Einblicke in beruflicher Werdegang und Glaubensentwicklung, sowie aktuelle Projekte.
  • Siegfried Zimmer, «Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben?», ISBN 978-3-525-57306-8.

Einige haben sich nach Veröffentlichung dieses Beitrages bei mir gemeldet, voller Schrecken, dass ich an Worthaus etwas gut finde. So ist das halt – nicht jeder ist gleicher Meinung. Deswegen habe ich weder den Glauben verloren, noch erachte ich die Bibel als gering. Sich auseinanderzusetzen könnte heissen, dass man auf der Suche nach dem unverstellten Blick ist.