Vor einigen Tagen gab es in der Innenstadt eine Strassenevangelisation. Es liefen verschiedene junge Leute mit leuchtenden Westen herum, worauf im Klartext darauf hingewiesen wurde, dass man entweder an Jesus glaubt oder für ewig verloren geht. Das ist eine radikale Aussage. Gerettet oder verloren – für immer. Das ist eine typische Ausprägung der Himmel- und Hölle-Lehre.

Wer an diese Lehre glaubt (sie steht nicht in der Bibel) versucht die Menschen zu retten, von der die Lehre sagt, dass sie in der Hölle schmoren, wenn sie sich nicht hier und jetzt in diesem Leben bekehren. Bekehren sich diese Menschen nicht, dann ist Gott sozusagen machtlos, noch jemand zu retten. Bei der Hölle-Lehre geht der übergrosse Teil der Menschheit «auf ewig verloren». Gott jagt schätzungsweise 95% der Menschheit über die Klinge und peinigt sie für immer, während eine Minderheit für ihren Glauben belohnt wird. Eine Horrorgeschichte, die so nirgendwo in der Bibel steht.

Das Gespräch

Die jungen Leute wirkten alle sehr freundlich und gar nicht so radikal wie die Texte, die sie herumtrugen. Es ergab sich ein Gespräch und ich habe mich danach erkundigt, ob die das mit Himmel und Hölle ernst nehmen. Selbstverständlich, so die Antwort, das steht so in der Bibel.

Als ich mich danach erkundigte, ob sie wussten, dass es kein eindeutiges Wort für «Hölle» in der Bibel gibt, es im Grundtext dafür kein Wort gibt, kam die erstaunliche Reaktion: Es wurde sofort zugestanden, dass man sich nicht so stark mit der Bibel auseinandergesetzt hat. Umso erstaunlicher war es, dass man trotz fehlender Begründung sich nicht scheute, den Leuten auf der Strasse eine endlose Peinigung in der Hölle zu verkünden. Das ist so ganz anders als das, was Jesus und die Apostel je gemacht haben.

Zur Begründung wurde jetzt darauf hingewiesen, dass jeder Mensch die Verantwortung hat, sich zu entscheiden. Das war eine Anspielung auf die Lehre eines «freien Willens», die ebenfalls nicht in der Bibel steht. Mit Hilfe dieser Lehre wird die Verantwortung für die Hölle vom Schöpfer auf die Schöpfung abgewälzt.

Dann, wie aus heiterem Himmel, wurde die Dreieinigkeit hervorgebracht, wozu der junge Mann gleich selbst bemerkte, dass diese Lehre nirgendwo in der Bibel genannt wird, trotzdem aber gilt und unbedingt geglaubt werden muss. Als ich meine Bedenken über diese Vorgehensweise anmeldete, wurde sofort eine Bibelstelle zitiert (Joh 14,9) – worin allerdings nichts geklärt, sondern lediglich hineininterpretiert wurde. Als ich darauf hinwies, dass die Bibelstelle die Aussage nicht begründete, wurde das umgehend vom Tisch gefegt und schon wurde ich vor falschen Lehren gewarnt.

Ein Gespräch war nicht möglich. Ich habe einen gemeinsamen Nenner gesucht («wir teilen die gleiche Berufung»), wonach wir uns freundlich trennten. Ich betrachte diesen jungen Mann als Bruder, aber er sah die Dinge ganz anders als ich.

Die Prägung der Tradition

Ich nenne diese Erlebnisse, weil sie so typisch sind. Ich erlebte solche Situationen über viele Jahrzehnte hinweg und auch die Leser von kernbeisser.ch melden mir solches regelmässig auf verschiedenste Art zurück. Man steht im Gespräch wie einer Wand gegenüber. Es findet kein Gespräch statt.

Nüchtern betrachtet steht man einer Ideologie gegenüber. Es gibt keine saubere Exegese (Auslegung), sondern eher eine Eisegese (Einlegung). Das ist eine echte Herausforderung, insbesondere dann, wenn die Befürworter von Himmel und Hölle daran referieren, dass ihre Lehre in der Bibel steht, man im Gespräch die Bibel jedoch nicht nutzen kann.

Verstehen kann ich diese Haltung allerdings gut. Früher stand ich genau an derselben Stelle, wo dieser junge Mann stand. Ich wurde jedoch aufgerüttelt. Es gab Menschen, die mich konsequent darauf hingewiesen haben, dass man die Schrift selbst darauf nachprüfen sollte. Es gab Studien, die bessere Auslegungen bereitstellten als die traditionelle Lehre. So durfte ich Auslegungen vergleichen und daraus eine breitere Sicht gewinnen. Ich habe dazugelernt. Ich lernte unterscheiden zwischen Tradition und Bibel, zwischen dem, was «über» die Bibel gesagt wird und dem, was «in» der Bibel geschrieben steht.

Das war ein längerer Prozess. Das Evangelium der Gnade Gottes leuchtete auf und alles änderte sich für mich. Ich musste viele meiner Ansichten korrigieren.

Bei diesem Gespräch auf der Strasse ging es um drei Themen:

  • Himmel- und Hölle-Lehre
  • Freier Wille des Menschen
  • Dreieinigkeit

Keine dieser Ansichten wird in der Bibel begründet oder genannt. Es wurde also zu 100% von der Tradition aus argumentiert, ohne die leiseste Spur einer wirklichen Begründung aus dem Text und Kontext heraus. Folgerungen sind bloss abgeleitete Gedanken, die hier in direktem Widerspruch mit der Schrift stehen. Es hilft eben nicht, einen Bibelvers aus dem Zusammenhang zu zitieren und zu behaupten, der Vers meine dieses oder jenes. Das ist jedoch eine weitverbreitete Art der Auslegung und so mancher Glaubende hat es nie anders gelernt oder erfahren. Auf der Strasse nun wurde es als «biblische Wahrheit» hingestellt, obwohl im gleichen Atemzug zugegeben wurde, dass man nicht wirklich die Schrift darauf untersucht hat.

In einer Nussschale zeigt diese Erfahrung, wie es in vielen Gemeinden aussieht. Das Verständnis ist wie ein Kartenhaus, woraus man keine Karte hinwegnehmen darf, ohne dass das Haus zusammenstürzt. Man ist religiös, aber in der Lehre nicht selbstreflektiert.

Weil das Selbstverständnis aus solchen Vorstellungen entstand, bleibt es ausserordentlich schwierig, sich auf eine Prüfung einzulassen. Das würde nämlich bedeuten, dass man sich selbst, sein Verständnis, hinterfragen müsste. Weil gerade diese Dinge zur «Identität» wurden, ist die erste Ablehnung zwar nicht nützlich, aber verständlich.

Sogar das Zitieren eines Bibelverses kann bedrohlich wirken, wenn die Bibel die traditionelle Lehre (z.B. über Himmel und Hölle) infrage stellt. Viele bleiben dann lieber beim Altvertrauten. Es ist schwierig für eine einzelne Person und noch viel schwieriger für eine Bibelgruppe oder gar für eine Gemeinde, den Kurs zu ändern. Ich kenne nur eine einzige Gemeinde, welche sich getraut hat eine Lehrkorrektur vorzunehmen und vor Jahrzehnten einen radikalen Bruch mit bisher Geglaubtem gewagt hat. «Gewagt hat», denn das braucht Mut und Gottvertrauen. Diese Gemeinde zeigt jedoch, dass es auch für eine Kirche oder Gemeinde möglich ist, mit Weitblick eine Kurskorrektur zu machen. Das ist allerdings weder neu noch absonderlich. Vielmehr ist es eine ganz lebendige Umkehr.

Wörter wie «Umkehr», «Bekehrung» oder «Reformation» beinhalten solch lebendiges Umdenken. Immer wieder haben Menschen in ihrem Leben solche Kursänderungen gemacht. Es scheint jedoch für viele eine Herausforderung zu werden, wenn man einmal fest in einer Gemeinschaft und Tradition drin steckt.

Zwischen Argumentation und Gnadenbotschaft

Zurück zum Gespräch. Es bringt gar nichts, in einer Argumentation die eigene Sichtweise durchsetzen zu wollen. Das verhärtet nur die Fronten. Ein Nachahmer Christi streitet nicht (2Tim 2,24-26). Wer keine Fragen hat, dem kann man keine Antworten bringen. Wir müssen andere nicht überzeugen. Es geht darum, dass wir in Liebe alles zum Wachsen bringen, hin zu Ihm, Christus Jesus, unseren Herrn (Eph 4,15-16).

Einst dachte ich, dass es darum geht, die Wahrheit von dem Irrtum zu befreien.

Einst dachte ich, dass es darum geht, die Wahrheit von dem Irrtum zu befreien. Das ist tatsächlich wertvoll für sich selbst. Es ist wichtig, dass man die eigenen Fragen klärt. Fragen klären ist aber nicht das Ziel. Erkenntnis ist nicht das Ziel. Wenn man meint, etwas erkannt zu haben, erkennt man weiterhin nicht, wie es sein sollte (1Kor 8,2). Gott selbst ist das Ziel – durch Christus Jesus. Seine Liebe übersteigt bei Weitem alles Erkennen (Eph 3,19). Unser Gott und Vater will alles in uns werden, was Beziehung einschliesst und über bestimmte Erkenntnisse nichts aussagt (1Kor 15,28).

Unsere Erkenntnis bleibt bruchstückhaft. Vieles kann geklärt werden, weil man darüber in der Bibel liest. Der Gegensatz gilt auch: Viele Details bleiben unbeantwortet, weil nichts darüber geschrieben ist. Es wäre also ein Irrtum zu meinen, dass man aus der Bibel alles erklären kann. Es braucht Mut, Vertrauen zu lernen, aber ebenso braucht es Mut, Unklares unklar sein zu lassen.

Sollte noch etwas unklar sein, lässt sich trotzdem weiterdenken. Wir müssen nicht alles wissen, um Gemeinschaft zu bilden und uns zusammen nach Christus auszustrecken. So sah es Paulus (Phil 3,12-15).

Man darf auch Gottes Ziel erkennen, den grossen Bogen von Anfang bis zum Ende spannen (Röm 11,32-36). Daraus entsteht Weitblick. Es setzt unser Leben auf eine neue Spur, lässt uns erkennen, dass wir Berufene sind (Röm 1,6) und dass wir heute einen (!) Tag der Rettung erkennen (2Kor 6,2). Das treibt uns an, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen (2Kor 6,1).

Das Evangelium der Gnade bewirkt etwas. Gnade erzieht (Tit 2,11-12). Wir lernen Gottes Wirken in Christus Jesus, seinem Sohn, zu erkennen. Daraus entsteht eine frohe Botschaft, die einzige Grundlage jeder Evangelisation (2Kor 5,14-21).

Die Auseinandersetzung

Habe ich das Wohl des Anderen vor Augen, dann gibt es in der Auseinandersetzung eine von Gnade geprägt Sicht. Bin ich im Gespräch mit Menschen, dann geht es nicht darum, dass sie wie ich denken, sondern darum, wie sie durch mich etwas von Seiner Gnade erleben dürfen.

An die Kolosser schreibt Paulus Folgendes:

«Haltet an im Gebet und wacht darin mit Danksagung und betet zugleich auch für uns, damit Gott uns eine Tür für das Wort auftue, um über das Geheimnis Christi zu sprechen, um dessentwillen ich auch gebunden bin, damit ich es so offenbare, wie ich sprechen muss. Wandelt in Weisheit vor denen, die draussen sind, die Gelegenheit auskaufend. Euer Wort sei allezeit in Gnade und mit Salz gewürzt, wissend, wie ihr einem jeden antworten sollt.»
Kol 4,2-6

Auch wenn Paulus hier einmal speziell diejenigen «draussen», nämlich ausserhalb der Gemeinde, nennt, so sind Seine Hinweise auch in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden innerhalb der Gemeinde wichtig. Unser Wort soll allezeit in Gnade und mit Salz gewürzt sein. Wir sollten wissen, wie wir jedem antworten sollen. Wir sollten Frieden halten (2Kor 13,11). Würden wir gegenseitig so vorgehen, dann gewinnen alle. Das setzt voraus, dass wir anhalten im Gebet und darin wachen, mit Danksagung und fortwährend auch dafür beten, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftut, damit von dem Geheimnis von Christus (Kol 1,26-27) gesprochen werden kann. Paulus beschreibt hier eine Glaubenshaltung. Wir können die einzelnen Aussagen noch in einem breiteren Kontext setzen, jedoch spricht hier bereits deutlich eine von Gnade geprägte Lebenshaltung heraus. Das sollten wir festhalten. Wir sollten selbst weit werden, wenn wir andere Menschen in die Weite hinausführen möchten.

«Unser Mund hat sich euch gegenüber aufgetan, ihr Korinther; ist euer Herz auch weit geworden? Nicht eingeengt seid ihr in uns, eingeengt aber seid ihr in eurem Innersten! Als Gegenlohn dafür (wie zu Kindern spreche ich) werdet auch ihr weit!»
2Kor 6,11-13

Das war das Anliegen von Paulus in der Gemeinde in Korinth, die einst von Sektierertum geprägt war (1Kor 1,10-13). Sektierertum hat keinen Platz in der Gemeinde, ebenso wenig wie Steckenpferde, Lieblingsthemen, Verschwörungstheorien und dergleichen mehr. Glaube ist nüchtern und Christus soll zentral stehen. Alles andere ist Nebensache (Phil 3,15-16).

Wir sollten selbst weit werden, wenn wir andere Menschen in die Weite hinausführen möchten.

Gegenwind spüren

Man stelle sich vor, was geschieht, wenn man der Himmel- und Hölle-Lehre kritisch gegenübersteht. Nicht selten spürt man dann straffen Gegenwind. Es braucht ganz wenig, bis man verketzert wird, mundtot gemacht wird, verleumdet, ausgeladen und ausgegrenzt wird und dergleichen mehr. «Ganz wenig» ist beispielsweise, wenn man einen Bibelvers zitiert (z.B. 1Tim 4,9-11, Röm 8,20-21, 1Kor 15,28).

Hinterfragen genügt, damit manche Leute auf die Barrikaden gehen. Vielleicht bemüht man sich, Frieden zu halten mit allen Menschen, aber die Menschen möchten keinen Frieden halten mit Dir. Das kann eine schmerzliche Erfahrung sein. Befremdend ist das aber nicht. Harte Lehre machen harte Herzen.

Man stelle sich vor, dass man gewissen Fragen auf den Grund geht, und die Widersprüche in der Bibel lösen sich nach und nach. Man berichtet davon in den eigenen Kreisen und es findet eine starke Ablehnung statt – sogar dann, wenn man die Fragen und mögliche Antworten einwandfrei aus der Bibel begründen kann. Es reicht, wenn man neutral bestimmte Argumente als «stichhaltig» anerkennt, ohne gleich eine andere Position einzunehmen.

Wie kann das aussehen? Man stelle sich vor, dass man Aussagen der Bibel entdeckt hat, etwa diese:

  • die Aussöhnung des Alls wird erwähnt (Kol 1,20)
  • die Rechtfertigung aller Menschen ist ein Thema (Röm 5,18)
  • die Lebendigmachung aller Menschen nach dem Beispiel von Christus (1Kor 15,20-22) soll stattfinden
  • und dergleichen mehr.

Kann man nicht nur diese Texte zitieren, sondern hat auch auf mögliche Problemtexte gute und schlüssige Erklärungen gefunden, dann beginnen die Probleme. Indem man die Bibel intensiv nach diesen Themen nachgeschlagen hat, wuchs so etwas wie ein neues Verständnis. Man kann argumentieren und kennt das Thema vermutlich besser als die meisten Gesprächspartner. Macht diese Ausgangslage dann eine bessere Figur? Geht es darum, besser zu argumentieren? Nein. Darum geht es nicht, wie oben bereits dargelegt wurde. Wenn man sich jedoch aus einem Grund in einer Diskussion zum Thema wieder findet, was geschieht dann?

Folgendes habe ich oft erlebt und ich habe mich auch selbst so unvernünftig verhalten: Man schiesst Bibelstellen aufeinander, was völlig kontraproduktiv ist. Ich habe oft erlebt, dass Vertreter einer Himmel- und Hölle-Lehre meinen, dass man die Bibel nicht kennt. Deshalb wird man mit Bibelstellen «konfrontiert». Erdreistet man sich, eine solche Stelle dann im Kontext und nach dem Grundtext auszulegen, wodurch die vermeintliche Bedeutung klar widerlegt wird, dann springt man zur nächsten Bibelstelle. Es findet ein Ausweichmanöver statt. Man prüft die Auslegung nicht, sondern springt zu anderen Argumenten.

Mehrfach habe ich in solchen Gesprächen erlebt, dass die Hölle-Befürworter von Bibelstelle zu Bibelstelle springen und mit immer neuen Argumenten auftrumpfen. Man hört also nicht richtig hin, sondern geht ohne Prüfung davon aus, dass die Himmel- und Hölle-Lehre stimmt und jede Bibelstelle, die von etwas anderem spricht, wohl falsch ausgelegt wird. Wird eine Interpretation widerlegt, schaut man weg und springt zum nächsten Argument. Eine solche Diskussion ist nicht fruchtbar. Wir sollten sie vermeiden.

Mangelndes Bibelverständnis

Woran mangelt es hier? Nun, nüchtern betrachtet mangelt es am Bibelverständnis. Damit meine ich nicht, dass man dieselbe Erkenntnis teilen müsste, sondern dass man ein Verständnis für die Bibel selbst hat, für ihre Zusammenhänge, für die biblische Geschichte, für den Zeitverlauf und die Entwicklung in der Schrift. Ebenso braucht es ein gutes Textverständnis, nämlich einen guten Umgang mit der Sprache.

Viele Widersprüche lösen sich sofort, wenn man die 6 Hinweise für eine gesunde Bibelbetrachtung beachtet. Es sind Grundregeln zum Bibelstudium, von denen viele Leute noch nie etwas gehört haben. Beachtet man diese, dann ist man nicht mehr so stark den Meinungen von Menschen ausgeliefert. Erstaunlicherweise habe ich diese Grundregeln dort gelernt, wo man auch die Hölle befürwortete. Es ist also keine Fremde Betrachtungsweise, sondern die eigene Betrachtungsweise, konsequent angewendet, welche die Hölle-Lehre widerlegt.

Ohne Verständnis für die Bibel, für die Art, wie man die Bibel lesen kann, gibt es kein fruchtbares Gespräch. Deshalb gibt es auf dieser Website viele Beiträge darüber, wie man die Bibel selbstständig mit Gewinn lesen kann. Man benötigt einen solchen Werkzeugkasten, damit man objektiv vergleichen kann.

Auch bei einem objektiven Vergleich wird man sich vielleicht nicht immer in der Erkenntnis finden, aber man kann wenigstens sehen, an welchem Punkt die Auslegungen auseinandergehen. Das ist an sich bereits ein Gewinn und die Basis vielleicht für eine spätere Annäherung.

Der Wunsch nach Konformität

Ein anderes Phänomen, welches ich oft beobachtet habe, ist der Wunsch nach Sicherheit und Konformität. Vertreter einer Himmel- und Hölle-Lehre wähnen sich nicht selten in der Mehrzahl oder sehen sich als wahre Vertreter des Christentums. Salopp ausgedrückt: Sie sehen sich als die Hüter des heiligen Grals. Wer meint, dass Gott einmal alle Menschen rettet (1Tim 4,9-11), der liegt einfach falsch. Die Mehrzahl hat recht.

Eine solche Meinung macht es auch besonders einfach, die anderen zu verketzern. Man fühlt sich in einer Position der Stärke. Dieses Gefühl kann in einer Gemeinschaft vorherrschend sein. Man strebt nach Konformität in den eigenen Reihen und wehrt sich gegen andere Gedanken. Alles innerhalb der eigenen Gruppe ist gut, alles, was ausserhalb liegt, ist schlecht oder gefährlich. Das ist übrigens ein typisches Merkmal von Sekten.

In so mancher Freikirche oder bei Studien zum Thema warnt man in diesem Sinne vor «liberalen» Gedanken. Was man selbst denkt, sei «biblisch», was auf andere Art formuliert wird, heisst «liberal». Liberal ist gefährlich. Man ist nicht frei, hinzuschauen und etwas zu untersuchen. Stattdessen wird in Schubladen gesteckt und abgetan, was anders tönt. Liberal wird als Bezeichnung auch dann genutzt, wenn die andere Meinung ganz und gar nicht liberal ist, sondern einfach gesundes und gutes Bibelstudium betrifft. Liberal ist hier ein anderes Wort für Xenophobie, die Angst vor dem Andersartigen.

Liberal ist hier ein anderes Wort für Xenophobie, die Angst vor dem Andersartigen.

Fragen von Bedeutung

Wirklich wichtig in jeder Auseinandersetzung sind nur die jeweils eigenen Fragen. Wie soll ich jemand etwas erklären, was er nicht wissen will? Nicht alle Fragen sind zu jeder Zeit wichtig. Nicht jeder hat die gleichen Fragen. Fragen jedoch zu Leben und Tod, zu letztem Geschehen, zur Gnade und zu Gottes Wesen sind keine Nebenschauplätze unseres Daseins. Es sind wesentliche Fragen.

Cecil J. Blay hat einmal treffend geschrieben:

«Verblüffend, ja geradezu erschreckend ist, dass manche, die in Gottes Gnade umsonst gerechtfertigt sind, die unverdient Seiner Güte teilhaftig wurden, sich heftig gegen den Gedanken auflehnen, dass die gegenwärtig weniger Glücklichen eines Tages ebenfalls mit Gott ausgesöhnt sein werden.» (Cecil J. Blay, «Werdet weit»).

Ich betrachte es als Vorrecht, wenn man die Bibel darauf nachschlagen kann, was denn wirklich zu diesen Themen geschrieben wurde. Paulus hat immer wieder für die Gläubigen gebetet, dass sie in der Erkenntnis Gottes wachsen sollten.