Das Königreich der Himmel ist ein wichtiges Thema in den Evangelien. Der Ausdruck erscheint ausschliesslich im Matthäus-Evangelium. Die Wurzeln dieses Königreichs liegen im Alten Testament. Die Verheissungen vom Königreich der Himmel prägen die Verkündigung von Jesus, der seinen Dienst anfing mit den Worten: «Sinnet um! Denn das Königreich der Himmel hat sich genaht!». Ein besseres Verständnis vom Königreich der Himmel schenkt Licht auf grosse Teile des Neuen Testaments.

Von da an …

«Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Busse, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen!»

Mt 4,17 Rev Elbf

«Von da an begann Jesus zu herolden und zu sagen: «Sinnet um! Denn das Königreich der Himmel hat sich genaht!»

Mt 4,17 KNT

Von einem bestimmten Moment an begann Jesus zu predigen. Bis dahin hatte er das nicht getan. Da war die richtige Zeit dazu gekommen. Und wenn Er spricht, geht es um das Königreich der Himmel, welches (offenbar) einst in weiter Ferne war, jedoch jetzt «nahe gekommen» war in Ihm und mit Seiner Predigt.

Dies ist das zweite Mal, dass der Ausdruck «Reich der Himmel» bzw. «Königreich der Himmel» vorkommt. Das erste Mal steht es ein Kapitel vorher bei Johannes dem Täufer, der dasselbe wie Jesus sagte (Mt 3,2). Als Jesus zu predigen anfing, sagte Er: «Sinnet um, denn das Königreich der Himmel hat sich genaht!» (Mt 4,17).

Der Ausdruck steht selbstverständlich nicht in einem luftleeren Raum. Im Zusammenhang gelesen, ergibt dieser Ausdruck einen deutlichen Sinn. Die Zuhörer sind Juden im Land Israel, und Jesus war als Jude unter Juden geboren. Als Maria schwanger war und Joseph sich überlegte, ob er – da er nicht der Vater war – sich von ihr trennen sollte, erschien ihm ein Engel von Gott:

«Als er sich dies überlegte, siehe, da erschien ihm ein Bote des Herrn im Traumgesicht und sagte: «Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Mirjam als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das in ihr Gezeugte ist vom heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären und du sollst Ihm den Namen «Jesus» geben; denn Er wird Sein Volk von ihren Sünden retten.»

Mt 1,18-21

Von einer «Gemeinde aus allen Nationen» war hier noch nichts bekannt. Das Volk, von dem hier die Rede ist, kann im Zusammenhang nur das Volk Israel bedeuten. Dort wächst Er auf und dort beginnt sein Predigtdienst. Den Dienst in den Evangelien beschreibt Jesus selbst mit den Worten:

«Ich wurde lediglich zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel gesandt!»
Mt 15,24

Daran ist nichts misszuverstehen. Paulus doppelt später nach:

«Denn ich sage, Christus ist der Diener der Beschneidung geworden für die Wahrhaftigkeit Gottes, um die Verheissungen der Väter zu bestätigen. Die Nationen aber…»
Röm 15,8-9

Die Beschneidung und «Verheissungen der Väter» beschreiben die Erwartung des Volkes Israel – im Kontrast zu den übrigen Nationen. Aus diesen Zitaten können wir erkennen, dass dieser Dienst von Jesus etwas mit den Verheissungen der Väter zu tun hat und mit Israels Erwartung, deren Erfüllung «nahe gekommen» ist.

Wenn Jesus zu predigen beginnt, sagt Er: «Tut Busse, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen». Nahegekommen! Das ist keine neue Offenbarung, sondern es betrifft etwas, das schon früher bekannt war. Damals war das noch weit weg, aber mit Ihm ist das nun «nahe gekommen» ist. Hier wird also eine Brücke zwischen den Schriften der Propheten (bzw. Tenach, Altes Testament) und Seinem Dienst gelegt. Es geht um die Bestätigung der «Verheissungen der Väter», wie es Paulus später sagte. Der Ausdruck «Königreich der Himmel» hat etwas mit dem Alten Testament und mit Israels Erwartung zu tun.

Matthäus und das Königreich der Himmel

Der Ausdruck «Königreich der Himmel» findet sich im Neuen Testament nur in einem Buch, nämlich im Matthäus-Evangelium. Kein anderer Schreiber des Neuen Testaments benutzt diesen Ausdruck. Wenn Matthäus vom «Königreich der Himmel» spricht, so verwenden die anderen Evangelisten Markus, Lukas und Johannes den Ausdruck «Königreich Gottes» in vergleichbaren Bibelstellen.

Konkordanz vom Wort «Königreich» im Matthäus Evangelium

Königreich

(gr. basileia)

Alle Bibelstellen, wo «Königreich» im Matthäus-Evangelium vorkommt, mit folgendem Schlüssel:
K = Königreich (verschiedene)
KdH = Königreich der Himmel
KG = Königreich Gottes
EdK = Evangelium des Königreichs

Mt 3,2     KdH ist nahe gekommen
Mt 4,8     K
Mt 4,17     KdH ist nahe gekommen
Mt 4,23     EdK
Mt 5,3     KdH
Mt 5,10     KdH
Mt 5,19     KdH (2x)
Mt 6,10     K
Mt 6,13     K
Mt 6,33     KG
Mt 7,21     KdH
Mt 8,11     KdH
Mt 8,12     K
Mt 9,35     EdK
Mt 10,7    KdH ist nahe gekommen
Mt 11,11    KdH
Mt 11,12    KdH
Mt 12,25    K
Mt 12,26    K
Mt 12,28    K
Mt 13,11    KdH
Mt 13,19    Wort des K
Mt 13,24    KdH
Mt 13,31    KdH
Mt 13,33    KdH
Mt 13,38    Kinder des K
Mt 13,41    K
Mt 13,43    K ihres Vaters
Mt 13,44    KdH
Mt 13,45    KdH
Mt 13,47    KdH
Mt 13,52    KdH
Mt 16,19    Schlüssel vom KdH
Mt 16,28    Sohn des Menschen… sein K
Mt 18,1    KdH
Mt 18,3    KdH
Mt 18,4    KdH
Mt 18,23    KdH
Mt 19,12    KdH
Mt 19,14    KdH
Mt 19,23    KdH
Mt 19,24    KG
Mt 20,1    KdH
Mt 20,21    K
Mt 21,31    KG
Mt 21,43    KG
Mt 22,2    KdH
Mt 23,13    KdH
Mt 24,7    K (2x)
Mt 24,14    EdK
Mt 25,1    KdH
Mt 25,34    K
Mt 26,29    K des Vaters

Mit dieser Liste lässt sich einfach nachvollziehen, was mit der Verkündigung des Königreiches in Verbindung gebracht wird.

Der Ausdruck «Königreich Gottes» kommt im Neuen Testament weit häufiger vor und wird auch später (nach den Evangelien) genutzt. Die beiden Begriffe «Königreich Gottes» und «Königreich der Himmel» sind aber nicht identisch. Sie werden zwar beide in ähnlichem Zusammenhang genutzt, aber nicht alles, was über das Königreich Gottes gesagt wird, geschieht auch im Königreich der Himmel.

Das «Königreich Gottes» ist ein umfassender Ausdruck und beinhaltet mehr als nur das «Königreich der Himmel». Das Königreich Gottes umfasst alles, während für Teile dieses Königreichs spezielle Ausdrücke bestehen. Stellen wir uns das Königreich Gottes als einen Kreis vor: Der grösste Kreis ist das Königreich Gottes. Die kleineren Kreise sind spezielle «Teile» dieses grossen Königreichs, wie z.B. das «Königreich der Himmel» (Mt 4,17) oder das «Königreich des Sohnes Seiner Liebe» (Kol 1,13). Mit solchen speziellen Ausdrücken werden bestimmte Ausdrucksformen von dem grossen Königreich Gottes beleuchtet.

Das Königreich ist nahe gekommen

Dreimal gehen Menschen hinaus mit der Botschaft: «Sinnet um, denn das Königreich der Himmel ist nahe gekommen».

Das erste Mal finden wir es bei Johannes dem Täufer. Er bereitet den Weg für Jesus. Jesaja hat prophezeit: «Eine Stimme ruft: In der Wüste bahnt den Weg des HERRN! Ebnet in der Steppe eine Strasse für unseren Gott!»
 (Jes 40,3). Wenn dann Johannes der Täufer erscheint, lesen wir:

«In jenen Tagen aber kommt Johannes der Täufer und predigt in der Wüste von Judäa und spricht: Tut Busse! Denn das Reich der Himmel ist nahegekommen. Denn dieser ist der, von dem durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: “Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht gerade seine Pfade!”»

Mt 3,1-3

Wenn bereits Jesaja von Johannes dem Täufer sprach, und Johannes dann predigt: «Das Königreich der Himmel ist nahe gekommen», dann können wir getrost davon ausgehen, dass dieses Königreich der Himmel etwas mit den alttestamentlichen Verheissungen zu tun hat. Und wenn wir ein Kapitel später lesen, dass auch Jesus dasselbe wie Johannes verkündigte, dann verstehen wir, dass auch Jesus von etwas sprach, das im Alten Testament verheissen wurde. Johannes der Täufer kündigte an, was mit Jesus noch näher kam. Beide sprechen von den gleichen Dingen. Johannes ist dabei der Wegbereiter. Jesus ist die erfüllte Verheissung. Mit Jesus war der kommende König da, also war auch das Königreich nicht mehr weit weg.

Als Johannes später im Gefängnis sitzt, sendet er seine Jünger mit einer Frage zu Jesus:

«Als aber Johannes im Gefängnis die Werke des Christus hörte, sandte er durch seine Jünger und liess ihm sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten? Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und verkündet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde werden sehend, und Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, und Taube hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird gute Botschaft verkündigt. Und glückselig ist, wer sich nicht an mir ärgern wird!»

Mt 11,2-6

Auch hier wird deutlich, dass es um eine alte Verheissung ging, die sich jetzt erfüllte. Jesus war der Kommende; das war aus Seinen Werken ersichtlich. Es waren Zeichen und Wunder, die seine Autorität sowie das nahende Königreich der Himmel bestätigten. Er war der Messias, der König, der Frieden bringt, wie Jesaja prophezeit hat:

«Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens. Gross ist die Herrschaft, und der Friede wird kein Ende haben auf dem Thron Davids und über seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird dies tun.»

Jes 9,5-6

Der Friede wird kein Ende haben auf dem Thron Davids. Das ist eine Verheissung. Matthäus knüpft bei diesen Verheissungen an, wie es zu Anfang des Evangeliums heisst:

«Buch des Ursprungs Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.»

Mt 1,1

Matthäus stellt Jesus in die Linie der Verheissungen. Er ist die Erfüllung. Worüber die Propheten sprachen, steht unmittelbar bevor. Jetzt sollten wir nur noch verstehen, was genau mit dem Ausdruck «Königreich der Himmel» gemeint wird. Wir können davon ausgehen, mehr darüber bei den Propheten des Alten Testaments zu erfahren. Speziell dürfte es ein Verweis auf den Propheten Daniel sein.

Daniel und das Königreich der Himmel

Daniel war ein Prophet, der seine Prophetien ausserhalb von Israel gegeben hat. Mit weiteren Israeliten wurde er vom König Nebukadnezar aus Israel entführt und an den Hof in Babylon gebracht. Daniel war mit seinen Freunden dort:

«Und diesen vier jungen Männern, ihnen gab Gott Kenntnis und Verständnis in jeder Schrift und Weisheit; und Daniel verstand sich auf Visionen und Träume jeder Art.»

Dan 2,17

Visionen und Träume gab es für Daniel viele. Auch war er ein Traumdeuter. Seine von Gott geschenkten Träume und Auslegungen zeigen eine von Gott gelenkte Weltgeschichte, worin Gott selbst alles zum Guten führt.

Es ist eine besonders spannende Geschichte, die wir im zweiten Kapitel vom Buch Daniel lesen (Daniel 2). Nebukadnezar träumt einen Traum, und Daniel darf ihn auslegen. So betet Daniel zu Gott und Gott erklärt ihm in einem Traumgesicht die Bedeutung von Nebukadnezars Traum. Nebukadnezar hat die Weltgeschichte geträumt, dargestellt von einer grossen Statue, aus verschiedenen Materialien gemacht. Am Schluss des Traums aber geschieht etwas, das diese Statue umwirft. Es bricht ohne Hände ein Stein los, der die Statue umwirft und zermalmt. Die Auslegung ist:

«Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewig nicht zerstört werden wird. Und das Königreich wird keinem anderen Volk überlassen werden; es wird all jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber wird es ewig bestehen: Wie du gesehen hast, dass von dem Berg ein Stein losbrach, und zwar nicht durch Hände, und das Eisen, die Bronze, den Ton, das Silber und das Gold zermalmte. Ein grosser Gott lässt den König wissen, was nach diesem geschehen wird; und der Traum ist zuverlässig und seine Deutung zutreffend.»
Dan 2,44-45

Hier ist die Verheissung, worauf sich Johannes und Jesus beziehen: Der Gott des Himmels wird ein Königreich aufrichten, das ewig nicht zerstört werden wird. Das ist das Königreich der Himmel, ein Königreich, das von dem Gott des Himmels auf Erden aufgerichtet werden wird. Es ersetzt alle irdischen Königreiche, die bis dahin kamen.

Das Königreich der Himmel ist nicht im Himmel oder gar der Himmel, wie das oft angenommen wird. Es geht nicht um einen Platz im Himmel. Im Gegenteil: Es ist ein Königreich auf Erden! Es geht hier um einen Genitiv «der Himmel», was auf den Ursprung hindeutet. Das Königreich der Himmel hat einen himmlischen Ursprung, genau wie es Daniel hier erklärt. Aufgerichtet wird es aber auf der Erde.

Es gibt noch etwas Auffälliges, was Daniel hier erwähnt: Dieses Königreich «wird keinem anderen Volk überlassen werden». Das Königreich, das der Gott des Himmels aufrichtet, ist einem speziellen Volk überlassen. Damit ist – wie wir aus dem weiteren Verlauf vom Buch Daniel entnehmen können – das Volk Israel gemeint. So kam Jesus auch um «die Verheissungen der Väter zu bestätigen», schrieb Paulus (Rö 15,8).

Nun gibt es im Buch Daniel noch weitere Hinweise. Speziell Kapitel 7 liefert hier interessante Einblicke. König Nebukadnezar gibt es bereits nicht mehr, aber Daniel ist immer noch am Hof in Babylon, wo jetzt Belsazar regiert.

«Im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel, sah Daniel einen Traum und Visionen seines Hauptes auf seinem Lager. Dann schrieb er den Traum auf, die Summe der Ereignisse berichtete er.»

Dan 7,1

Daniel sah eine Vision mit verschiedenen Tieren, die ebenfalls Königreiche symbolisierten. Das Ende der verschiedenen Königreiche ist wie folgt:

«Und das Reich und die Herrschaft und die Grösse der Reiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden. Sein Reich ist ein ewiges Reich, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen.»
Dan 7,27

Der Gott des Himmels richtet also ein Reich auf «unter dem ganzen Himmel», was dasselbe ist wie «auf der ganzen Erde». Dies ist ein Gottesreich, ein Reich Gottes, wie es die Propheten vorhersahen, und dessen Herrschaft «dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben wird». Erneut ein Hinweis auf Israel. Hier erkennen wir auch, dass es einerseits richtig ist, dieses messianische Reich als das Königreich Gottes zu bezeichnen, aber Matthäus das explizit an die Vorhersagen eines «Königreich der Himmel» verknüpft. Was von Daniel prophezeit wurde, steht in den Evangelien im Begriff, Realität zu werden. Deshalb beginnt Jesus seine Verkündigung mit:

«Sinnet um! Denn das Königreich der Himmel ist nahe gekommen!»

Zwischen Aussage und Interpretation

Das Matthäus-Evangelium ist das erste Bibelbuch nach Abschluss des Alten Testaments (Tenach). Eine Periode von etwa 400 Jahren liegt zwischen alt und neu, zwischen den Propheten und Verheissungen aus der Tenach und dem Auftreten von Jesus. Für das Verstehen der Evangelien ist es wichtig, die Verknüpfungen mit dem Alten Testament zu verstehen. Bedenken wir, dass Jesus kein Christ, sondern ein Jude war. Er ging nicht in die Kirche, sondern in die Synagoge. Dort las er nicht das Neue Testament, sondern die Propheten aus der Tenach. Seine Botschaft war nicht neu – als verkündigte Er etwas, das bis dahin unbekannt war –, sondern seine Botschaft betraf die Erfüllung alter Verheissungen.

Entwicklung ist das Wesen biblischer Geschichte. Die heutige Gemeinde ist kein Thema im Alten Testament. Sie ist es auch noch nicht, wenn Jesus seine Verkündigung anfängt. Vergessen wir also einmal eine «christliche» Interpretation, dann können wir offen werden für das, was direkt geschrieben ist. Es ist der Versuch, einfach mit der Geschichte mitzulesen, sich sozusagen in die Situation der damaligen Zeit zurückzuversetzen, um besser verstehen zu können, was die Leute damals verstanden und gesagt haben.

Diese Art, die Bibel zu lesen, ist äusserst hilfreich für das Textverständnis. Es geht darum zu verhindern, eigene Gedanken in den Text hineinzuinterpretieren («Eisegese») und zu falschen Schlüssen zu kommen. Es ist der Unterschied zwischen: «Ich habe der Bibel etwas zu sagen» und «Die Bibel hat mir etwas zu sagen». Die zweite Aussage ist weitaus kraftvoller und spannender als die erste Aussage. Paulus schreibt ähnlich:

«Meine Rede und meine Predigt bestand nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruhe.»
1Kor 2,4-5

«Und darum danken auch wir Gott unablässig, dass, als ihr von uns das Wort der Kunde von Gott empfingt, ihr es nicht als Menschenwort aufnahmt, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort, das in euch, den Glaubenden, auch wirkt.»
1Thess 2,13

Das Königreich in den Evangelien

Bereits wurden alle Bibelstellen erwähnt, wo im Matthäus-Evangelium das Wort «Königreich» vorkommt. Daran erkennt man, dass quer durch die Evangelien stets das Königreich im Mittelpunkt steht. Oder besser gesagt: Das in Jesus nahe gekommene Königreich. Wenn Jesus predigt, geht es immer um dieses Königreich, wie man dort hineinkommt, was dort passiert, und wann es aufgerichtet wird.

Dreimal wird erwähnt, dass das Königreich der Himmel, von dem Daniel einst berichtet hat, nun nahe gekommen ist:

  1. Mt 3,2 Johannes der Täufer predigt dies als Vorbereitung für Jesus’ Dienst
  2. Mt 4,17 Jesus predigt dies
  3. Mt 10,7 Die Jünger von Jesus mussten dies predigen

Wenn Jesus seine 12 Jünger aussendet, tut er dies mit folgenden Worten:

«Diese zwölf sandte Jesus aus und befahl ihnen und sprach: Geht nicht auf einen Weg der Nationen, und geht nicht in eine Stadt der Samariter; geht aber vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! Wenn ihr aber hingeht, predigt und sprecht: Das Reich der Himmel ist nahegekommen. Heilt Kranke, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt!»

Mt 10,5-8

Der Auftrag ist ganz deutlich: Die Jünger sollten nicht zu den Nationen und auch nicht zu den Samaritern gehen, sondern ausschliesslich zu den verlorenen Schafen des Hauses Israels (vgl. Mt 15,24). Oder anders gesagt: Hätten wir dazumal gelebt, wäre die Botschaft Jesu an dieser Stelle nicht für uns gewesen. Die Idee, dass «der liebe Gott durch Jesus immer schon zu allen Menschen spricht» ist schlicht falsch. Israel aber durfte sich freuen, denn «das Reich der Himmel» war für sie nahe gekommen, was durch Krankenheilung, Totenauferweckungen und dergleichen bestätigt wurde. Das gehört also zusammen und darf nicht einfach nach Belieben interpretiert werden.

Die Idee, dass «der liebe Gott durch Jesus immer schon zu allen Menschen spricht» ist schlicht falsch.

Das Evangelium des Königreiches

Das nahende Königreich war eine frohe Botschaft. Es war ein Evangelium, eine gute Nachricht. Es war das Evangelium des Königreiches. Dreimal wird von Matthäus dieses «Evangelium des Königreiches» genannt:

  • Mt 4,23 Und er [Jesus] zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk.
  • Mt 9,35 Und Jesus zog umher durch alle Städte und Dörfer und lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen.
  • Mt 24,14 Dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen. Dieses letzte Zitat ist aus der Endzeitrede von Jesus in Matthäus 24 und 25.

Das Evangelium des Königreich erzählt die frohe Botschaft des nahenden Königreiches. Es ist nicht das Evangelium der Gnade, basierend auf Tod und Auferstehung von Jesus Christus für eine Rettung aus Sünde und Tod. Das Thema hier ist anders und eindeutig angegeben. Das Königreich ist nahe gekommen – freuet Euch! Nehmt diese Botschaft an! Sinnet um! Das ist die Botschaft an Israel und dieses (!) Evangelium ging einher mit Heilung von Krankheiten und jedem Gebrechen (Mt 9,35 und Mt 4,23). Bevor das Ende kommt, wird genau dieses Evangelium auch noch allen Nationen zu einem Zeugnis gepredigt werden (Mt 24,14). Es soll nicht voreilig mit dem heutigen Evangelium dem unausspürbaren Reichtum des Christus (Eph 3,1–9) verwirrt und schon gar nicht vermischt werden.

Das Evangelium des Königreich erzählt die frohe Botschaft des nahenden Königreiches. Es ist nicht das Evangelium der Gnade, basierend auf Tod und Auferstehung von Jesus Christus für eine Rettung aus Sünde und Tod.

Das Königreich vom Sohn des Menschen

Wie wir bereits gesehen haben, ist der Ausdruck «Königreich der Himmel» aus den Prophezeiungen vom Prophet Daniel entlehnt (Dan 2,44, Dan 7,27). Daniel schrieb im gleichen Zusammenhang auch über einen Sohn des Menschen, der das Königreich empfängt:

«Ich schaute in Visionen der Nacht: Und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie der Sohn eines Menschen. Und er kam zu dem Alten an Tagen, und man brachte ihn vor ihn. Und ihm wurde Herrschaft und Ehre und Königtum gegeben, und alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, und sein Königtum so, dass es nicht zerstört wird.»

Dan 7,13-14

Es verwundert nicht, dass wir diesen Sohn des Menschen und Sein Königreich im Matthäus Evangelium zurückfinden. Es geht ja letztendlich um dieselben Gegebenheiten, um denselben König und um dasselbe Königreich. Am Schluss von Matthäus 16 heisst es:

«… bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reich»
Mt 16,28

Auch hier sehen wir, dass sich die Geschichte stark an die alten Prophezeiungen und deren Erfüllung anlehnt. Das ist nicht nur inhaltlich so, sondern auch in den verwendeten Worten und Ausdrücken. Im gleichen Zusammenhang gibt es ein bedeutendes Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern, worin es erneut um das Königreich der Himmel geht:

«Als aber Jesus in die Gegenden von Cäsarea Philippi gekommen war, fragte er seine Jünger und sprach: Was sagen die Menschen, wer der Sohn des Menschen ist?

Sie aber sagten: Einige: Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und andere wieder: Jeremia oder einer der Propheten. Er spricht zu ihnen: Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was immer du auf der Erde binden wirst, wird in den Himmeln gebunden sein, und was immer du auf der Erde lösen wirst, wird in den Himmeln gelöst sein. Dann gebot er den Jüngern, dass sie niemand sagten, dass er der Christus sei.»
Mt 16,13-20

Unterschiedliche Gemeinden

Hier werden «Gemeinde» und «Königreich der Himmel» in einem Atemzug genannt. Diese Gemeinde (gr. ekklesia, Herausgerufene) kennt keinen Bezug zum Evangelium der Gnade oder zu den Nationen. Das kommt erst viel später, nach Tod und Auferstehung und dem Erscheinen des Apostels Paulus.

Israel kennt jedoch auch eine herausgerufene Schar, die verlorenen Schafe des Hauses Israels (Mt 10,6 Mt 15,24), welche der Botschaft Jesu glaubten (Joh 10,27-28), ein Überrest aus Israel (Rö 11,5). Diese waren tatsächlich «herausgerufen». Das Wort «ekklesia» (Herausgerufene [Schar] bzw. Gemeinde) wird nicht ausschliesslich für die heutige Gemeinde, für den Körper von Christus, verwendet. Es wird ebenfalls für die Gemeinde in der Wildnis (Apg 7,38) oder für eine Versammlung der Synagoge oder eines lokalen Gerichts genutzt (Mt 18,17, vgl. dazu Apg 19,39).

Die Gemeinde, welche in Matthäus 16 genannt wird, hat keine Merkmale der heutigen Gemeinde. Es ist eine Ekklesia, aber deutlich von der heutigen Gemeinde aus allen Nationen unterschieden, die dort noch gar nicht im Blickfeld sind. Vielmehr steht auch hier das Königreich der Himmel im Zentrum, also die Erfüllung von Verheissungen für Israel.

Die Schlüssel des Königreiches der Himmel haben nichts mit Wettervorhersagen zu tun, oder mit der volkstümlichen Auslegung, dass Petrus etwa Wettergott spielt. Petrus nutzt seine «Schlüssel» an Pfingsten, um Israel noch einmal das Königreich anzubieten (Apg 2,36).

Jesus sah sich als Sohn des Menschen, wie Daniel dies erwähnte. Petrus erkannte, dass Er damit der Christus, der Messias und der Sohn des lebendigen Gottes ist. Wegen dieses Bekenntnisses, dass Jesus der Messias ist, wird Petrus die Schlüssel vom Königreich der Himmel, des messianischen Königreiches erhalten. Dass Jesus aber der Christus, nämlich der Messias sei, das sollten die Jünger vorerst unter Verschluss halten.

Das Königreich im Neuen Testament

Wir haben gesehen, dass die Rede vom «Königreich» ein wichtiger Platz in den Evangelien einnimmt. Auch haben wir entdeckt, dass dieses Königreich im Alten Testament verheissen und im Neuen Testament als «nahe gekommen» gezeigt wird. Die Rede vom «Königreich der Himmel» erkannten wir als spezifisch für das Matthäus-Evangelium, weil er der einzige ist, der diesen Ausdruck verwendet.

Jetzt werden wir den Bogen etwas weiter spannen. Es geht nicht nur um das Matthäus-Evangelium, oder nicht nur um die Evangelien allein. Es geht auch um das weitere Verständnis im Neuen Testament. Hier werden wir jetzt – bildlich gesprochen – ein paar Anker auswerfen. Anker in Form von Bibelstellen, die eine Entwicklung nahelegen. Selbstverständlich müssten alle diese Bibelverse im eigenen Zusammenhang gelesen werden. Ein paar «Anker» zu setzen, kann dabei helfen, sich zu orientieren.

Entscheidend ist nicht der Ausdruck «Königreich der Himmel» oder «Königreich Gottes», sondern das, was die Schreiber und auch die damaligen Zuhörer verstanden haben. Vom Königreich Gottes lesen wir in den Evangelien, aber auch in der Apostelgeschichte und den übrigen Briefen. Gelingt es uns, einfach mit der Geschichte mitzulesen, wird vieles im Neuen Testament deutlicher. Es ist eine spannende Geschichte, die uns von den Erwartungen Israels in eine bis dahin verborgene Zeit einer Gemeinde aus allen Nationen hinüberführt.

In den Evangelien heisst es ausdrücklich:

«Diese zwölf sandte Jesus aus und befahl ihnen und sprach: Geht nicht auf einen Weg der Nationen, und geht nicht in eine Stadt der Samariter; geht aber vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel!»
Mt 10,5-6, vgl. 10,24, Rö 15,8

Viel später, in einem seiner letzten Briefe, schreibt der Apostel Paulus:

«Deshalb denkt daran, dass ihr, einst aus den Nationen dem Fleisch nach – “Unbeschnittene” genannt von der sogenannten “Beschneidung”, die im Fleisch mit Händen geschieht – zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremdlinge hinsichtlich der Bündnisse der Verheissung; und ihr hattet keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt.

Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden. Denn er ist unser Friede. Er hat aus beiden eins gemacht und die Zwischenwand der Umzäunung, die Feindschaft, in seinem Fleisch abgebrochen. Er hat das Gesetz der Gebote in Satzungen beseitigt, um die zwei – Frieden stiftend – in sich selbst zu einem neuen Menschen zu schaffen und die beiden in einem Leib mit Gott zu versöhnen durch das Kreuz, durch das er die Feindschaft getötet hat. Und er kam und hat Frieden verkündigt euch, den Fernen, und Frieden den Nahen.

Denn durch ihn haben wir beide durch einen Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Fremde und Nichtbürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Ihr seid aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst Eckstein ist. In ihm zusammengefügt, wächst der ganze Bau zu einem heiligen Tempel im Herrn, und in ihm werdet auch ihr mit aufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist.»
Eph 2,11-22

Entwicklung im Neuen Testament

Hier wird eine Entwicklung skizziert. Zwischen den Evangelien und der Aussage von Paulus im Epheserbrief ist etwas Umwerfendes passiert. Was Paulus schreibt, war unerhört. Heute erleben wir in der Gemeinde etwas, das keinem der alten Propheten bekannt war und auch Jesus hat darüber in den Evangelien nicht gesprochen.

Heute erleben wir in der Gemeinde etwas, das keinem der alten Propheten bekannt war und auch Jesus hat darüber in den Evangelien nicht gesprochen.

Überall im Alten Testament sollte der Segen für die Nationen via Israel kommen. Israel sollte eine priesterliche Nation werden, um das Heil den Völkern weiterzureichen. So sagten es die Propheten, so sprach Jesus darüber, und so war der Ausblick von Israel. Die heutige Gemeinde aber, von dem Paulus im Epheserbrief eindrücklich schreibt, sieht alle Unterschiede zwischen Israel und den Nationen als aufgehoben – in Christus. Segen für die Nationen kommt heute ohne Vermittlung von Israel zustande. Diese Änderung ist mehr als revolutionär.

Natürlich kommt dann schnell die Frage, wie es denn mit Israel weitergegangen ist. Was geschah, damit etwas Neues entstand? Und wie steht es dann um die Verheissungen für Israel? Sind die dann hinfällig? Oder wurden die Verheissungen nun Israel weggenommen und der Gemeinde gegeben?

Berühmte Aussagen zu diesen Fragen lesen wir im Römerbrief, Kapitel 9–11.

«Ich sage nun: Hat Gott etwa sein Volk verstossen? Auf keinen Fall!»

Rö 11,1

«Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst für klug haltet: Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vollzahl der Nationen hineingekommen sein wird; und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: “Es wird aus Zion der Retter kommen, er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden; und dies ist für sie der Bund von mir, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.” Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde um euretwillen, hinsichtlich der Auswahl aber Geliebte um der Väter willen. Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar.»

Rö 11,25-29

Nach diesen Angaben von Paulus hat Gott Israel keineswegs abgetan, doch gibt es eine begrenzte Verstockung über einen Teil von Israel, bis zu dem Moment, wo die Vollzahl der Nationen (die aktuelle Gemeinde) realisiert werden wird. So beschreibt es der Apostel. Demnach sah es Paulus so:

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Paulus sagt nicht, dass wir jetzt eine Schuldzuordnung machen sollten. Er betont die Änderung in Gottes Wegen. Für Paulus geht es nicht darum, jemand (etwa: Israel) zu verurteilen, sondern er sieht nüchtern, was passiert und skizziert, wie Gott etwas Unerhörtes getan hat: Die Nationen haben jetzt freien Zugang zu Gott durch Seine Gnade in Christus Jesus. Das war umwerfend neu. Israel hat damit nicht abgetan, sondern auch Israel und die Völker haben eine Zukunft. Es ist, als wurde der Horizont breiter.

Die Apostelgeschichte und wie es weiterging

Am Anfang der Apostelgeschichte können wir uns fragen, wie die Geschichte mit dem Königreich nun weitergeht. Das interessierte auch die Apostel. Sie fragten Jesus:

«Sie nun, als sie zusammengekommen waren, fragten ihn und sagten: Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Reich wieder her?»
Apg 1,6

Vierzig Tage hat Jesus die Jünger nach der Auferstehung über das Königreich Gottes unterrichtet (Apg 1,3). Deshalb mag es erstaunen, dass immer noch nichts von einer Gemeinde aus allen Nationen die Rede ist. Immer noch geht es nur um das Königreich für Israel, wonach die Jünger fragten. Die Apostelgeschichte erzählt von einem Übergang. Es ist ein Buch voller Änderungen. Zu Anfang geht es um das Königreich für Israel. Am Schluss des Buches sagt Paulus zu den Juden in Rom:

«So sei euch nun kund, dass dieses Heil Gottes den Nationen gesandt ist; sie werden auch hören.»
Apg 28,28

Der Wandel während der Zeit der Apostelgeschichte ist

  • von Israel zu den Nationen,
  • vom Königreich für Israel zu einem Heil für alle Nationen.
  • Auch ist es ein Wandel von Petrus zu Paulus,
  • von einer Situation im Land Israel hin zu einer Situation ausserhalb Israels.

Diese und weitere Änderungen bezeugen, wie die jüdische Gemeinde in Israel (mit den Zwölf Aposteln) von einer Gemeinde aus allen Nationen (mit Paulus als Apostel) abgelöst wird. Beide existieren in der Apostelgeschichte nebeneinander und es gibt auch einen Austausch zwischen beiden, wie in Galater 1–2 und Apostelgeschichte 15 bezeugt. Die Gemeinde in Israel wird von Paulus beschrieben als:

«Gott hat sein Volk nicht verstossen, das er vorher erkannt hat … So ist nun auch in der jetzigen Zeit ein Rest nach Auswahl der Gnade entstanden.»
Rö 11,2-5

Die Gemeinde in Jerusalem und Israel war ein «Rest nach Auswahl der Gnade». Sie standen in der Erwartung vom Königreich der Himmel. Als diese Erwartung sich aber nicht erfüllte, da die Zeit dazu «der Vater in eigener Vollmacht festgesetzt hat» (Apg 1,7), verschwand diese Gemeinde auf unbestimmte Zeit.

Unser Gott und Vater hat ein Ziel vor Augen. Wir sind Teil von diesem Vorsatz und wurden auf dem Weg zum Ziel berufen, Seine Gnade zu erfahren und auch weiterzugeben. Das Königreich der Himmel wird einst für Israel und die Nationen aufgerichtet werden. Das Buch Offenbarung spricht von dieser Zeit. In der Zwischenzeit jedoch leben wir, und lebend aus der Gnade wird unser innerer Mensch Tag für Tag erneuert – bis Er kommt und die Geschichte machtvoll weitergeht.

Bild: See Genezareth, © Karsten Risseeuw