Unser Atem trägt unser Leben. Wir können länger ohne Nahrung und auch Trinken müssen wir nicht ständig. Atmen jedoch ist ganz wesentlich für unser Leben. Wenn wir aufhören zu atmen, sterben wir. Oder andersherum gesagt: Wenn wir sterben, hauchen wir einmal den letzten Atemzug aus.

Der Hebräer beschreibt das im Alten Testament mit dem hebräischen Wort gava. Das erste Mal, wo dieses Wort genutzt wird, ist in 1Mo 6,17:

«Denn ich, siehe, ich bringe die Wasserflut über die Erde, um alles Fleisch unter dem Himmel, in dem Lebensodem ist, zu vernichten; alles, was auf der Erde ist, soll umkommen.»
1Mo 6,17 Rev. Elberfelder

«Und Ich, siehe Mich, wie Ich bringe eine Wasserflut auf die Erde, zu verderben alles Fleisch, das da in sich hat den Geist der Lebenden unter den Himmeln. Alles, das da ist auf Erden, hauche aus.»
1Mo 6,17 Konkordantes Altes Testament

Im Alten Testament

Unser «Lebensgeist» wird beim letzten Atemzug «ausgehaucht» und der Mensch «stirbt». Deswegen wird «aushauchen» interpretierend mit «umkommen» übersetzt. Der ursprüngliche Gedanke jedoch ist das Aushauchen des Lebensatems. Fast identisch tönt es auch in folgenden Versen, wo ebenfalls vom «aushauchen» die Rede ist. Auch wenn das Wort in der genutzten Übersetzung jeweils anders übersetzt wird – es handelt sich überall um das hb. gava. Man «bläst aus» und wird «zu seinen Vorfahren versammelt», d.h. man stirbt, wie auch sie verstorben sind.

«Und dies sind die Tage der Lebensjahre Abrahams, die er lebte: 175 Jahre. Und Abraham verschied und starb in gutem Alter, alt und der Tage satt, und wurde versammelt zu seinen Völkern.»
1Mo 25,8

«Und dies sind die Lebensjahre Ismaels: 137 Jahre; und er verschied und starb und wurde versammelt zu seinen Völkern.»
1Mo 25,17

«Und die Tage Isaaks waren 180 Jahre. Und Isaak verschied und starb und wurde versammelt zu seinen Völkern, alt und der Tage satt. Und seine Söhne Esau und Jakob begruben ihn.»
1Mo 35,29

«Und er [Jakob] befahl ihnen und sagte zu ihnen: Bin ich versammelt zu meinem Volk, dann begrabt mich bei meinen Vätern in der Höhle, die auf dem Feld des Hetiters Efron liegt; in der Höhle, die auf dem Feld Machpela gegenüber von Mamre ist, im Land Kanaan, auf dem Feld, das Abraham von dem Hetiter Efron zum Erbbegräbnis gekauft hat. Dort haben sie Abraham begraben und seine Frau Sara; dort haben sie Isaak begraben und seine Frau Rebekka; und dort habe ich Lea begraben. Das Feld und die Höhle, die darauf ist, sind Besitz, gekauft von den Söhnen Het. Und als Jakob damit geendet hatte, seinen Söhnen Befehle zu geben, zog er seine Füsse aufs Bett herauf und verschied und wurde zu seinen Völkern versammelt.»
1Mo 49,33

«Wenn er sein Herz nur auf sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Atem zu sich zurückzöge, so würde alles Fleisch insgesamt verscheiden, und der Mensch zum Staub zurückkehren.»
Hiob 34,14-15

«Du verbirgst dein Angesicht: Sie erschrecken. Du nimmst ihren Lebensatem weg: Sie vergehen und werden wieder zu Staub.»
Ps 104,29

Im Neuen Testament

Im Neuen Testament wird ähnlich über das «aushauchen» gesprochen. Dort sind es zwei verschiedene griechische Begriffe

  • ekpneo (aus-geisten) und
  • ekpsycho (aus-seelen).

Das griechische ekpneo kommt dreimal vor:

«Jesus aber liess Seine Stimme laut erschallen und hauchte aus. Da zerriss der Vorhang des Tempels in zwei Teile, von oben bis unten. Als der Hauptmann, der Ihm gegenüber dabeistand, gewahrte, dass Er so aushauchte, sagte er: ‘Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn’.»
Mk 15,37-39

«Es war schon etwa die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land kam bis zur neunten Stunde, weil die Sonne ausblieb. Auch riss der Vorhang des Tempels mitten entzwei. Und Jesus rief mit lauter Stimme: ‘Vater, in Deine Hände befehle Ich Meinen Geist!’ Nach diesen Worten hauchte Er aus.»
Lk 23,44–47

Auch hier sehen wir, dass der Geist nach Gott zurückkehrt, wenn jemand stirbt. Bei Jesus war dies insofern speziell, als er bewusst Seinen Geist an Gott übergab. Denn Jesus war Mensch, jedoch auch Gottes Sohn, von dem geschrieben steht:

«Denn ebenso wie der Vater in Sich Selbst Leben hat, so hat Er auch dem Sohn gegeben, in Sich Selbst Leben zu haben.»
Joh 5,26

Wer Leben hat in sich selbst, wie Gott Leben in Sich Selbst hat, der stirbt nicht einfach so. Es ist ein bewusster Willensakt, sich im Gehorsam Gottes Willen gegenüber unterzuordnen. So wie Paulus über den Gehorsam von Jesus spricht:

«… Er entäusserte Sich Selbst, nahm die Gestalt eines Sklaven an, wurde den Menschen gleichgestaltet und in der Art und Weise wie ein Mensch erfunden; Er erniedrigte Sich Selbst und wurde gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod. – Darum hat Gott Ihn auch überaus hoch erhöht …»
Phil 2,5-11

Das gr. ekpsycho kommt an folgenden Bibelstellen vor und spricht genauso vom Verscheiden des Menschen: Apg 5,5 and Apg 5,10 (Ananias und Saphira), Apg 12,23 (König Herodes). Die Wahl eines anderen Wortes dürfte in der Betonung der Seele liegen. Vielleicht wird damit auch so etwas ausgedrückt wie die Vergänglichkeit unseres Daseins und aller Wahrnehmungen und Gefühle (Seele) hier in diesem Leben.

Von Gott getragen

Bislang haben wir über unser jetziges Leben gesprochen, wie wir es erhalten und wie es von uns geht. Leben ist mit Atem verknüpft und es ist etwas Flüchtiges. Wir erhalten es als Geschenk und wir geben dieses Geschenk auch wieder ab. Selbst können wir nicht viel dazu beitragen, denn wir haben nicht Leben «in uns Selbst», wie Gott das Leben in Sich selbst hat (Joh 5,26). Unser Leben (und alles andere Leben auf dieser Welt) ist von Ihm abhängig und wird von Ihm getragen.

Im Gespräch mit den Athenern auf dem Areopag sagt Paulus:

«Der Gott, der die Welt und alles, was darin ist, geschaffen hat, Er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, noch wird Er von Menschenhänden bedient, als ob Er etwas benötigt; gibt Er doch Selbst allen Leben und Odem und alles Übrige.»
Apg 17,24-25

Und an anderer Stelle:

«Denn aus Ihm und durch Ihn und zu Ihm hin ist das All!»
Röm 11,36

Alles trägt Gott in letzter Konsequenz durch Seinen Sohn:

«… spricht Er an dem letzten dieser Tage zu uns in dem Sohn, den Er zum Losteilinhaber von allem gesetzt und durch den Er auch die Äonen gemacht hat. Er ist die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit und das Gepräge Seines Wesens und trägt das All durch Sein machtvolles Wort.»
Heb 1,2-3

Diese Abhängigkeit von Gott – in der Bibel durchgehend bezeugt – macht klar, dass unser Leben sowohl durch Ihn entsteht als auch von Ihm getragen wird. Das ist die «kosmische Dimension» des Evangeliums, die weit über das eigene Empfinden hinausgeht und welches auch nicht bei mir aufhält, sondern in der Welt selbst ein Abbild und Ausdruck findet.

Diese Erkenntnis lässt uns auch verstehen, dass wir nicht aus Gottes Hand fallen, wenn wir sterben. Ob und wie und wo wir existieren, wenn wir Tod sind, ist im Licht von Gottes Allmacht unerheblich. Wir wissen nicht, wie es weiter geht nach dem Sterben, aber soweit man das beobachtet hat, ist alles aus. Deswegen ist für die Bibelschreiber durchwegs klar, dass der Mensch als Ganzes stirbt und die Toten auf Gottes Eingreifen warten, bis wieder Leben geschenkt wird (vgl. Hi 14,10-15; Joh 11,23-24). Der Ausblick liegt in der Auferstehung (Joh 11,25).

Der ganze Mensch stirbt, nicht ein Teil von ihm

«Und alle Tage Adams, die er lebte, betrugen 930 Jahre, dann starb er.»
1Mo 5,5

«Und alle Tage Sets betrugen 912 Jahre, dann starb er.»
1Mo 5,8

«Und alle Tage Kenans betrugen 910 Jahre, dann starb er.»
1Mo 5,14

Weitere Bibelstellen: 1Mo 5,17; 1Mo 5,20 1Mo 27, 31; 1Mo 9,29; 1Mo 11,32; 1Mo 25,8 1Mo 25,17, 1Mo 35,28-29. Es ist stets der ganze Mensch, der stirbt. Er stirbt selbst. Die Bibel ist hier sehr nüchtern. Wenn wir den letzten Atemzug ausatmen, dann sind wir ganz abhängig von unserem Gott und Vater. Wir haben kein Leben in uns selbst. Das Leben, welches wir hier hatten, ist dann beendet. Wir schlafen (sagt die Bibel in einer Bildsprache) und warten darauf, dass wir auferweckt werden, damit wir zu einem neuen Leben auferstehen können. Das basiert ganz auf Gottes Zusagen, nicht darauf, dass wir dies selbst bewirken könnten.

Auferstehung als Antwort auf den Tod

Der Mensch stirbt und ist dann wirklich tot. Er lebt nicht aus einem unbekannten Grund weiter, als sei er unsterblich. Tod kann manchmal eine «Erlösung» von Schmerz oder Leiden sein. Unser Körper ist irgendwann verbraucht. Wir können nicht mehr weiter. Die Essenz des Lebens kann von unserem Körper nicht mehr getragen werden und der Mensch stirbt. Allerdings ist der Tod als Abschluss des Lebens keine Antwort auf den Wunsch zu leben. Tod ist ein Problem, dessen wir uns bewusst sind, das wir aber nicht aus eigener Kraft aufheben können. Der Tod ist der «letzte Feind» der einst aufgehoben wird (1Kor 15,26), schreibt Paulus. Das ist ein Ausblick auf Gottes Wirken.

In der Bibel ist Auferstehung die Antwort auf den Tod. Nur durch Auferstehung wird ein Mensch wieder leben. Nur ein auferstandener Mensch kann wieder in Gemeinschaft mit Gott leben. Und wenn Er einmal alles in allen sein wird (1Kor 15,28), dann nur deshalb, weil alle Menschen wieder auferstanden sind, weil der Tod aufgehoben wurde und dafür Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht wurden.

«… Christus Jesus…, der den Tod aufhebt und dafür Leben und Unvergänglichkeit ans Licht bringt durch das Evangelium, für das ich [Paulus] als Herold, Apostel und Lehrer der Nationen eingesetzt wurde»
2Tim 1,10-11