Sich in diesem Leben zurechtzufinden, kann eine Herausforderung sein. Im ersten Teil dieser Betrachtung lasen wir, wie Paulus den Gläubigen in Philippus etwas «Unglaubliches» sagte. Sie sollten sich einfach «freuen»! Das tönt spannend, aufmunternd, aber wie soll so etwas funktionieren? In dieser Welt gibt es vieles, was sehr schwierig ist. Ist die Aussage von Paulus nicht weltfremd?

Die Grundlage ist gelegt

Wie sieht Paulus dieses Leben? Wird er von der unmittelbaren Not dieser Welt und seiner eigenen Erfahrung völlig vereinnahmt, oder geht er besser damit um? Paulus ist ein Mensch wie wir. Er kennt die Not in dieser Welt. Weise geht er damit um. Im Vertrauen auf Gott lässt er die Not los. Er geht ein paar Schritte zurück, und gewinnt eine Übersicht. Er nimmt eine andere Position ein, die nicht von den unmittelbaren Erfahrungen, sondern von Gottes Zusagen und von Seiner Realität geprägt sind. Sich zu freuen, das geht manchmal nur, wenn man bewusst den eigenen Horizont erweitert und einen anderen Standpunkt einnimmt.

In Philipper 4,4-7 hat Paulus die Gemeinde zugesprochen, sich zu freuen. Denn diese Welt erscheint durch das Evangelium der Gnade Gottes in einem anderen Licht. Er wirkt in diese Welt hinein und diese Welt wird von Ihm getragen. Dieser Ausblick und Diese Zuversicht werden aus der Bibel entnommen. Auch darin ist natürlich nicht alles gelöst – keineswegs! Darin ist aber Entwicklung und Ausblick enthalten. Nicht alles geschieht heute, und vieles ist erst für die Zukunft aufbewahrt.

«Freuet euch!» war die Aufforderung, die Welt aus Gottes Sicht zu sehen. Ihm alle unsere Wünsche mit Danksagung bekanntzumachen, wird Frieden schenken. Denn in Ihm sind unsere Wünsche geborgen. Im Hinblick auf Sein Ziel sind wir selbst geborgen, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden.

«Dann wird der Friede Gottes, der allem Denksinn überlegen ist, eure Herzen und eure Gedanken wie in einer Feste in Christus Jesus bewahren.»
Phil 4,7

Das ist eine Verheissung und bestimmt ebenfalls eine eigene Erfahrung von Paulus. Vielleicht so, wie es Dietrich Bonhoeffer einmal formuliert hat:

«Es gibt erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche.»
Dietrich Bonhoeffer, an Eberhard Bethge, 19. März 1944.

Praktische Schritte

Der Friede Gottes ist allem Denksinn überlegen, hat der Apostel geschrieben. Das ist seine persönliche Erfahrung. Was aber, wenn wir diese Zuversicht in den Alltag mitnehmen wollen? Dann braucht es noch etwas mehr. Die innere Zuversicht will in praktische Schritte umgelenkt und im Alltag gelebt werden. Deshalb fährt der Apostel weiter mit folgenden Versen:

«Im Übrigen, Brüder,
alles was wahr ist,
alles was ehrbar,
alles was gerecht,
alles was lauter,
alles was freundlich,
alles was wohllautend ist,
wenn es irgendeine Tugend
oder wenn es irgendeinen Lobpreis gibt,
so zieht diese in Betracht.»
Phil 4,8

Acht verschiedene Verhaltensweise erwähnt Paulus. Dies sind die Dinge, worauf wir uns nun aktiv ausrichten sollten. Er empfiehlt das im Anschluss an der Aufforderung, dass wir uns freuen sollten. Das eine gehört zum anderen. Vollständig ist die Aussage erst, wenn wir den Zuspruch mit der Praxis verbinden.

Diese acht Dinge sollten wir in Betracht ziehen. Möglicherweise müssen wir uns dafür täglich viele Male bewusst entscheiden. Konkret wird etwas nur, wenn wir es umsetzen. Wissen wir uns aber von der Freude und von Gottes Aussicht getragen, dann gelingt uns vielleicht im Alltag, immer mehr von dieser Freude auszuleben. Wenn Gott uns zum Segen ist, können wir anderen Menschen zum Segen werden.

Was wahr ist, verdient unsere Zustimmung. Was ehrbar ist, definiert unseren Weg in der Gesellschaft und in den Beziehungen mit anderen Menschen. Es gilt noch mehr: Was gerecht und lauter ist, lässt für Schatten keinen Platz. Was freundlich und wohllautend ist, sieht das Gute für andere Menschen vor. Tugend spricht von moralisch hohen Werten und der Lobpreis verweist auf unseren Gott und Vater, ebenso wie auf die Menschen, denen wir unseren Dank aussprechen. Denn dies sollte klar sein: Unser Leben lässt sich nicht in einen geistlichen und nicht geistlichen Teil aufteilen. Menschsein und Christsein gehören unzertrennlich zusammen. Paulus ermutigt uns, unser Leben wie aus einem Guss zu gestalten.

Wir können dies vielleicht einfach so zusammenfassen: Von Gott geliebt und durch Christus nahe gekommen, dürfen wir andere Menschen ebenso vorbehaltlos mit Güte begegnen, Ihm zur Ehre.

Das Beispiel des Paulus

Paulus ist nicht nur Theologe. Er ist auch Praktiker. Hier geht es um die praktische Lebenshaltung. Das ist nicht theoretisch, sondern er setzt sich selbst gleich als Vorbild hin:

«Was ihr auch von mir gelernt und erhalten, gehört und an mir gewahrt habt, das setzt in die Tat um; dann wird der Gott des Friedens mit euch sein.»
Phil 4,9

Wenn die Worte nicht ganz klar sind, dann schaue hin! Schaue auf mich und schaue auf Andere, die ebenso wandeln! Schaue hin und lerne. Lasse Dich ermutigen. An anderer Stelle schreibt er:

«Werdet meine Mitnachahmer, ihr Brüder, und sieht auf diejenigen, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt».
Phil 3,17

Paulus geht aufs Ganze und will uns dort einbeziehen. Wir sollten lernen, das Evangelium in die Tat umzusetzen. Damit ist eine Verheissung verknüpft: «dann wird der Gott des Friedens mit euch sein».

Der Friede Gottes mit uns

Bereits hatte der Apostel erwähnt, dass der Friede Gottes unsere Herzen bewahren wird. Hier in Vers 9 geht er aber einen Schritt weiter. Hier heisst es, dass der Gott des Friedens mit uns wird sein. Darin sind zwei Dinge bemerkenswert. Erstens ist es nicht der Friede von Gott, sondern er spricht von dem «Gott des Friedens». Es ist der Gott, der von Friede gekennzeichnet ist. Es geht hier nicht mehr um den Zustand «Friede», sondern um eine Person, um den «Gott» dessen Wesen von Frieden bestimmt ist. Hier werden wir in die Beziehung hineingenommen, die selbst von Frieden geprägt ist. Kommen wir in Gottes Nähe, dann gilt Friede, weil Er Friede geschaffen hat und weil Er Friede schaffen wird (Kol 1,20).

Leben wir unser Leben in Übereinstimmung mit Gottes Zusagen und rechnen wir damit im Alltag, dann wird das unser Leben positiv beeinflussen. Es wird zuerst unsere Zuversicht, unser Friede im Herzen, beflügeln. Es wird aber auch nach einem Ausdruck im Alltag suchen. Gerade so, wie Paulus das zuvor beschrieben hat.

Plötzlich stehen wir nicht mehr selbst im Mittelpunkt, sondern unser Leben steht in Seinem Licht. Dann ändert alles. Dann erhalten auch unsere Sorgen eine andere Gewichtung. Das ist keine Weltflucht, sondern wir erleben die Welt aus Gottes Perspektive. Nüchtern betrachtet können wir nicht anders als die Welt aus «beliebiger Perspektive» betrachten. Wir übernehmen Betrachtungsweisen. Da muss es jedoch nicht zum Stillstand kommen. Wir tun gut daran, eine solche Perspektive bewusst zu wählen. Das ist es, wozu die Verkündigung des Evangeliums dient. Wir sollten lernen, uns selbst und diese Welt aus Gottes Sicht zu betrachten. Gehen wir darauf ein, dann leuchtet die Welt in anderen Farben auf.

Freuet euch!