Glaube spricht von der Hoffnung und Erwartung, die in uns ist. Davon authentisch zu sprechen, ist ein Privileg und Selbstverständlichkeit (1Pet 3,15). Glaube lässt sich weder auf theologische Stellungnahmen noch auf praktischen Verhaltensregeln reduzieren. Das Erste ist zu Kopflastig, das Zweite vielleicht kopflos. Herz und Hirn gehören zusammen. Das Evangelium will verstanden werden und danach im Alltag einen Ausdruck finden. Wie aber geschieht so etwas? Der folgende Beitrag wurde bereits vor Jahren geschrieben, jedoch hier noch einmal neu lanciert. Wer Glaube praktisch umsetzen will, soll mit bestimmten Dingen konkret rechnen. Welche Dinge sind das?

Alt und neu

«Also auch ihr! Rechnet damit, dass ihr selbst der Sünde gegenüber tot seid, aber lebend für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn.»
Röm 6,11

Im vorangehenden Abschnitt hat Paulus klargestellt, dass Neuheit des Lebens nur dann entstehen kann, wenn unsere alte Menschheit mit Christus stirbt. Denn: Nur durch Tod kommt es zu neuem Leben.

«Mit Ihm zusammen wurden wir nun durch die Taufe in den Tod begraben, damit, ebenso wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt wurde, also auch wir in Neuheit des Lebens wandeln mögen.»
Röm 6,4

Dieser Kontrast ist nun die Vorgeschichte zum aktuellen Vers. Was nun im Tod begraben ist, nennt Paulus einige Verse weiter «die alte Menschheit»:

«Dies erkennend, dass unsere alte Menschheit zusammen mit Ihm gekreuzigt wurde, damit der Körper der Sünde unwirksam gemacht werde und wir nicht mehr der Sünde versklavt sind.»
Röm 6,6

Gottes Ziel mit uns ist der Wandel in Neuheit des Lebens. Die Befreiung von der Sklaverei der Sünde soll uns dies ermöglichen. Wie kommen wir nun dorthin? Durch Tod und Auferstehung. Darüber schreibt Paulus in Römer 6.

Die alte Menschheit

Nicht wir selbst starben am Kreuz, sondern unsere alte Menschheit. Das hat eine Bedeutung. Soweit es Paulus hier nennt, schreibt er einleitend: «dies erkennend …». Es geht um das Anerkennen einer Realität. Wir sollten erkennen, dass unsere alte Menschheit «zusammen mit Ihm gekreuzigt» wurde. So ist das nämlich. Das ist nicht buchstäblich wahr, sondern es ist eine geistliche Realität – so sieht und beschreibt es Paulus in einer Bildsprache. Das ist die Realität vor Gott. Wir werden nicht dazu aufgefordert, uns schlecht oder sündig zu fühlen, uns anzustrengen, uns zu verbessern oder sonst wie aktiv zu sein, sondern uns selbst durch Gottes Augen zu betrachten. Wir sollten erkennen!

Das Kreuz ohne Auferstehung bringt keine Erlösung. Für unseren Alltag gilt das ebenso. Eine Neuheit des Lebens gibt es erst durch Tod und Auferstehung. Selbstverständlich ist das eine Bildsprache, wenn sich das auf unseren Alltag bezieht. Paulus möchte uns mit diesen Bildern wachrütteln, unser Vertrauen auf Gott wecken – damit wir das Neue Leben umsetzen lernen.

In all dem ist der Apostel sehr nüchtern. Es geht in unserem Alltag nicht um Gefühlsduselei, und auch nicht darum, dass wir auf Schritt und Tritt eine Bestätigung im Glauben benötigten (etwa Wunder, Zeichen, Prophezeiungen). Vielmehr geht es um ein schlichtes Vertrauen und darum, dass wir dieses Vertrauen aktiv umsetzen. Wir sind ganz Mensch und ganz von Ihm abhängig. Paulus zeigt auf, wie wir unser Leben eine konkrete Ausrichtung verleihen:

  • Wir glauben, dass wir zusammen mit Ihm leben werden (Röm 6,8)
  • Wir rechnen damit, dass wir der Sünde gegenüber tot sind (Röm 6,11)
  • Wir rechnen damit, dass wir lebend sind für Gott (Röm 6,11)

«Vertrauen» und «damit rechnen» sind die zwei Komponenten für eine gesunde Lebensgrundlage. Wir glauben, bzw. vertrauen Gott und Seinem Wort, und rechnen mit den Grundlagen, die Er erarbeitet hat. Wir sehen uns selbst nicht nur als von Gott geliebt, sondern auch als «mit Christus» gestorben und auferweckt.

Wir rechnen damit

Das griechische Wort für «rechnen» (logizomai) hängt mit dem Wortstamm «Logos» (Wort) zusammen und ist nahe verwandt mit unserem Begriff «logisch». Es ist die Frucht unseres eigenen Denkens oder die logische Überlegung anderer. Es wird häufig im Römerbrief verwendet:

Röm 2,3
Röm 2,26
Röm 3,28
Röm 4,3-23 (9x)
Röm 6,11
Röm 8,36
Röm 9,8
Röm 14,14

Wer mit etwas «rechnet», haltet das für wahr und richtet sich danach aus. Konkret geht es darum, dass wir damit Rechnen, der Sünde gegenüber tot sein. Wer der Sünde gegenüber tot ist, reagiert nicht mehr darauf, der ist der Sünde nicht mehr hilflos ausgeliefert, der Sünde nicht mehr versklavt. Paulus rät uns also nicht, täglich gegen die Sünde zu kämpfen, sondern eher täglich der Sünde zu sterben – denn unser «alter Mensch» zusammen mit Christus gekreuzigt wurde. Er ist tot, und wir entscheiden uns dafür, das auch für uns selbst so einzuschätzen und zu belassen.

Ebenso erkennen wir, dass wir – geistlich gesehen – mit Christus von Gott auferweckt wurden. Unser Leben ist mit Ihm verknüpft. Wir rechnen damit, dass wir lebend sind für Gott. Wenn das nämlich so ist, wie verhalten wir uns dann?

«Folglich soll die Sünde nicht in eurem sterblichen Körper herrschen, sodass ihr seinen Begierden gehorcht.»
Röm 6,12

Dieses «damit rechnen» hat also Folgen! – Der Apostel nennt gleich im nächsten Vers weitere konkrete Änderungen im Verhalten:

«Stellt auch eure Glieder nicht als Werkzeuge der Ungerechtigkeit für die Sünde bereitsondern stellt euch selbst für Gott bereit, als Lebende aus den Toten und eure Glieder für Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit. Denn dann wird die Sünde nicht über euch herrschen; denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.»
Röm 6,13–14

Sich bereitstellen

Die Reihenfolge der Aktionen ist so:

  1. glauben
  2. damit rechnen
  3. sich bereitstellen.

Wer sich für Gott bereitstellt und dem allen Raum gibt, hat für anderes keine Zeit mehr. Es ist hier der tägliche Entscheid, dieses oder jenes zu wählen. Sich bereitstellen, baut auf Glaube und tägliche Entscheidungen auf. Sich bereitzustellen ist zu sagen «Herr, hier bin ich!» (Abraham: 1Mo 22,1; 1Mo 22,7; 1Mo 22,11; Samuel: 1Sam 3).

Was Paulus aussagt, ist nicht bloss eine Antwort mit den Lippen, sondern es ist das Zeugnis eines Mannes oder einer Frau, der oder die sich selbst auf Gott allein verlässt und in die Beziehung und der Reichtum der frohen Botschaft eintritt. Es ist jemand, der damit rechnet, dass man der Sünde gegenüber tot ist, und damit rechnet, lebend zu sein vor Gott. Es betrifft die Verinnerlichung von Kreuz und Auferstehung, das Verständnis derer Bedeutung und die Ausrichtung des Lebens. Dies ist die logische Folge. Wir stellen uns nicht mehr als Werkzeuge der Ungerechtigkeit für die Sünde bereit, sondern wir stellen uns selbst für Gott bereit als Lebende aus den Toten.