In evangelikalen Kreisen lebt ein Gedanke, den ich so nirgends in der Bibel gefunden habe. Es ist dieser Gedanke, dass Gott einen Plan für mein Leben hat. Man hört darüber in Predigten, bei Evangelisationsveranstaltungen und es wird als Zuspruch in Büchern, in persönlichen Gesprächen und bei Vorträgen genannt. Dieser Gedanke gehört zum Kern von dem, was viele Leute glauben. Was ist wirklich dran?

Wo steht denn das geschrieben?

Meine spontane Reaktion auf eine solche Aussage ist heute sehr nüchtern. Wenn jemand mir von einem Plan Gottes für mein Leben erzählt, frage ich, wo dieser Plan denn aufgelegt sei? Ich habe zwar danach gesucht, aber nichts gefunden, worauf mein Name steht.

Die Antwort «Das steht doch in der Bibel» greift einfach zu kurz. Wenn man behauptet, dass Gott einen Plan für mein persönliches Leben hat, wo steht denn das? Wo lässt sich das auffinden? Danach kommen die ausweichenden Antworten, die Verallgemeinerungen. Eine Antwort bleibt jedoch aus.

Es erinnert mich etwas an das Buch und den Film von Douglas Adams «Per Anhalter durch die Galaxis». In diesem Science-Fiction-Film gibt es viele absurde Situationen. Gleich zu Anfang erscheint eine Raumflotte vor der Erde und per Lautsprecher wird die Menschheit darauf aufmerksam gemacht, dass gleich die Erde gesprengt wird, um für eine intergalaktische Umfahrungsstrasse Platz zu machen. Pläne dazu lagen bereits seit 50 Jahren im zuständigen Planungsamt in Alpha Centauri auf – kein Grund zur Überraschung also. Die Pläne waren ja da.

Nur hat es leider kein Mensch mitbekommen, da wir keine Möglichkeit haben, mal schnell auf Alpha Centauri nachzuschauen.

Der Film «Per Anhalter durch die Galaxis» (Hitchhikers Guide to the Galaxy) basiert auf dem gleichnamigen Kultroman von Douglas Adams. Der Kinofilm erschien 2005.

Ähnlich absurd wie die Szene in diesem Film kommt mir die Aussage «Gott hat einen Plan für mein Leben» vor. Denn vermutlich liegt dieser Plan – wenn es ihn gibt –  irgendwo ausser Reichweite auf. Ich habe noch nie jemand getroffen, der einen solchen Plan gesehen hat. Soweit es mich betrifft, muss ich deshalb nüchtern festhalten: Es fehlen konkrete Hinweise auf diesen persönlichen Plan und gäbe es sie, so habe ich keinen Zugriff darauf.

Steht das nicht in der Bibel?

Es ist immer etwas ernüchternd, wenn man konkret nachhakt. In der Bibel findet man nirgendwo einen Satz wie «Gott hat einen persönlichen Plan für jeden einzelnen Menschen auf dieser Welt» oder «Gott hat einen Plan für jeden Gläubigen (dieser oder jener Kirchenzugehörigkeit)». Namentlich werde ich schon gar nicht erwähnt.

Aber, so könnte man einwenden, auch wenn nichts davon in der Bibel steht, könnte Gott trotzdem etwas für mich bereithalten? Eine solche Frage lässt sich schon besser beantworten, denn allgemeine Hinweise gibt es glücklicherweise viele in der Schrift. Was ich für mich persönlich daraus ableite, ist jedoch ein Verständnis, eine persönliche Anwendung, eine übertragene Bedeutung. Es ist keine Lehre.

Deshalb ist es sogar in dieser übertragenen Bedeutung berechtigt zu fragen, ob dieser angebliche «Plan für mein Leben» Teil der frohen Botschaft sei? Lautet das Evangelium etwa so: Glaube an Jesus und ich verrate Dir den Plan für jeden Tag für den Rest Deines Lebens? Haben die Apostel so etwas gelehrt oder hat beispielsweise Timotheus so etwas in seiner Gemeinde in Ephesus unterrichtet? Nichts von all dem trifft zu.

Die Aussage «Gott hat einen Plan für mein Leben» lässt sich als reine Ideologie entlarven.

Kein Fahrplan für unser Leben

Nun muss man natürlich nicht von einem Extrem ins andere Extrem fallen. Auch wenn Gott vielleicht keinen minutiösen Plan für meinen aktuellen Lebensalltag hat, so heisst das noch lange nicht, dass Er sich unbeteiligt lässt.

In der Zeit, als Gott sich mit Israel beschäftigte, liess er die übrigen Nationen einfach ihre eigenen Wege gehen:

«Er liess in den verflossenen Generationen alle Nationen ihre eigenen Wege gehen, obwohl Er Sich nicht unbezeugt gelassen hat, indem Er Gutes wirkte, Regen vom Himmel und fruchtbringende Fristen gab und unsere Herzen mit Nahrung und Fröhlichkeit erquickte.»
Apg 14,16-17

Gott war nicht immer für jeden Menschen dieser Welt hörbar und spürbar. Er liess die meisten von uns einfach unsere eigenen Wege gehen. Soweit uns bekannt ist, hat Gott keine Aktenschränke mit Milliarden von Einzelplänen für jeden einzelnen Menschen. Sogar wenn Er so etwas hätte, wissen wir nicht davon.

Wir müssen lernen umzugehen mit dem, was wir nicht wissen

Bei vielen Gläubigen ist es üblich, vom kontinuierlichen Zuspruch Gottes auszugehen. Darin ist viel Gutes enthalten. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir keinen Fahrplan für unser Leben erhielten. Was es für einen gesunden Glauben braucht, ist kein blindes Vertrauen auf nicht gegebene Verheissungen, sondern eine nüchterne Differenzierung.

«Und dafür bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr in Erkenntnis und allem Feingefühl dazu überfliesse, dass ihr prüft, was wesentlich ist, damit ihr auf den Tag Christi aufrichtig und unanstössig seid, erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Verherrlichung und zum Lobpreis Gottes.»
Phil 1,9-11

Wir werden durchgehend in der Bibel erkennen, dass wir selbst aufgefordert werden, besser hinzuschauen, uns auseinanderzusetzen. Paulus betet nicht «dass ihr doch endlich Gottes Plan für euer Leben erkennt», sondern dass wir unsere Liebe überfliessen lassen müssen in Erkenntnis und allem Feingefühl. Wir müssen lernen, zu prüfen, was wesentlich ist.

Das Wesentliche muss also entdeckt und geprüft werden. Es gibt keine täglichen WhatsApp-Mitteilungen aus dem Himmel, in denen «der Plan für unser Leben» enthüllt wird. Wir müssen uns selbst auf den Weg machen.

Eingebettet in Gottes Plan

Auch wenn wir keinen persönlichen Fahrplan für unser Leben erwarten können, so gibt es doch deutliche Hinweise darauf, dass Gott alles in Händen hat:

«In Ihm [Christus] hat auch uns das Los getroffen, die wir vorherbestimmt sind, dem Vorsatz dessen gemäss, [Gott,] der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt.»
Eph 1,11

Hier stehen erstaunliche Dinge: In Christus hat uns ein Los getroffen, d.h. ein Teil von etwas Grösserem wird uns zugeteilt. Das gehört dann zu uns. Ebenso lesen wir hier, dass Paulus sich an die Gläubigen wendet. Wir gehören zu dieser Gruppe, die «vorbestimmt» sind. All das ist gemäss dem Vorsatz von Gott. Planung ist hier am Wirken! Dieser Gott bewirkt sogar alles nach dem Ratschluss Seines Willens.

Nichts ist hier dem Zufall überlassen, auch wenn die Details nicht ersichtlich sind. Gott hat einen Vorsatz und Er führt diesen auch aus. Erstaunlich ist, dass wir wissentlich Teil von diesem Wirken sind, dass wir darin auch einen Platz erhalten haben.

Unser Leben und Erleben sind eingebettet im Vorsatz Gottes. Dazu sagt Paulus im gleichen Brief noch weiteres:

«Die mannigfaltige Weisheit Gottes …, entsprechend dem Vorsatz der Äonen, den Er in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst hat.»
Eph 3,11

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass wir zwar keinen «Plan Gottes für unser Leben» kennen, aber doch eingebettet sind «im Plan Gottes mit dieser Welt». Viele Details sind und bleiben unklar. Wir wissen nicht, was vor uns liegt und benötigen Weisheit, weil es an Verständnis fehlt. Wir wissen nicht einmal, was wir beten sollen, in Übereinstimmung mit dem, was auf uns zukommt. Aber darin bleiben wir nicht ohne Trost und Zuversicht.

Gott wirkt in dieser Welt. Er hat alles in Händen. Wir sind in Christus mit jedem geistlichen Segen gesegnet (Eph 1,3). Wir wurden versiegelt mit dem Geist der Verheissung, der eine Anzahlung des Zukünftigen ist (Eph 1,13).

Betrachten wir nun die vielen Aussagen in der Bibel von einzelnen Personen, dann sprechen die von einem Verständnis für ihr eigenes Leben. Paulus beispielsweise hat spät erkannt, dass er bereits «von seiner Mutter Leib an abgesondert» war (Gal 1,15). Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass dies nun für alle so zutrifft. Paulus gab es nur einmal. Noah bekam die Aufforderung, eine Arche zu bauen, jedoch ist das heute kein Thema mehr (1Mo 9,15).

Einzelne Menschen haben Anweisungen erhalten, wurden berufen oder erkannten im Nachhinein Gottes Wirken in ihrem Leben. Das kann auch unsere persönliche Erfahrung sein. Das heisst aber noch lange nicht, dass «Gott einen Plan für mein Leben hat» als könnte ich das auf Alpha Centauri auf dem zuständigen Amt einfach mal durchlesen.