Ist Gott nur gut?

«Das Gute nehmen wir von Gott an, da sollten wir das Böse nicht auch annehmen?» (Hi 2,10).

Dass Gott auch nur entfernt etwas mit dem Bösen zu tun haben könnte, widerspricht uns. Hiob aber bringt klar zum Ausdruck, dass er auch das Böse von Gott annimmt. Und die Beurteilung dazu lautet: «Bei alldem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen». So ist sonnenklar, dass er Gott nichts Falsches unterstellt hat. Aber wie können wir das verstehen?

Viele Christen denken, dass «Gott nur gut ist», und Er mit dem Bösen nichts am Hut hat. Jesus sagt es leicht anders. Er sagt nämlich: «Nur Gott ist gut» (Lk 18,18-19). Das ist ein wichtiger Unterschied.

Viele Christen denken, dass «Gott nur gut ist», und Er mit dem Bösen nichts am Hut hat.

Hiob weiss wie alle Bibelschreiber, dass ohne Ausnahme alles aus Gott ist (Hi 1,21, Hi 2,10, Joh 1,3, Röm 11,36, Kol 1,16). Damit wäre eigentlich alles gesagt. Der Prophet Jesaja bezeugt klar, dass Gott das Böse erschaffen* hat (Jes 45,7. *erschaffen = hb. bara), wie Er auch den Verderber zum Verderben schafft (Jes 54,16).

Vielleicht wäre es gar nicht so überlegt, Gott sofort «von allem Bösen» freisprechen zu wollen, obwohl Ihm nichts «Böses» zu unterstellen ist. Gehen wir ein paar Schritte zurück und versuchen wir die Aussage zu verstehen. Bibelschreiber besagen hiermit m.E., dass nichts von Gottes Walten und Schalten ausgeschlossen ist. Die Bibelschreiber machen keine Vorbehalte. Machen wir also keine Vorbehalte, wo es die Bibel nicht macht.

Es ist Ausdruck von Vertrauen, von Erkenntnis über Gottes Wesen und Wirken, wenn wir getrost alles in Seinen Händen lassen. Gott lässt sich sozusagen vom Bösen nicht aus der Ruhe bringen, weil es nie ausserhalb Seiner Zuständigkeit fällt – was gerade das Buch Hiob vorführt. Es geht in der Heilsgeschichte also nie darum, ob das Böse besiegt wird, sondern wie unser Gott und Vater dies erreicht.

Hiob kommt am Schluss vom Buch zur Erkenntnis «Ich habe erkannt, dass Du alles vermagst und kein Plan für Dich unausführbar ist» (Hi 42,2). Hiobs Fragen und Ungewissheit wurden in Vertrauen und Gewissheit umgewandelt.

Empathie

Empathie ist «die Fähigkeit eines Menschen, einen anderen Menschen von aussen (ohne persönliche Grenzen zu überschreiten) möglichst ganzheitlich zu erfassen, dessen Gefühle zu verstehen, ohne diese jedoch notwendigerweise auch teilen zu müssen, und sich damit über dessen Verstehen und Handeln klar zu werden (Wikipedia).

Wenn alle diese furchtbaren Dinge geschahen, kommen drei Freunde von Hiob zu Besuch:

«Es hatten nun die drei Freunde Hiobs von all diesem Unglück gehört, das über ihn gekommen war. Da kamen sie, jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman und Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Und sie verabredeten sich miteinander hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bekunden und ihn zu trösten. Als sie aber von fern ihre Augen erhoben, erkannten sie ihn nicht mehr. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten, und sie zerrissen ein jeder sein Obergewand und streuten Staub himmelwärts auf ihre Häupter. Und sie sassen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte lang. Und keiner redete ein Wort zu ihm, denn sie sahen, dass der Schmerz sehr gross war.»
Hi 2,11-13

Die drei Freunde Hiobs zeigen eine grosse Anteilnahme am Leiden von Hiob. Es bewegt sie. Sie sind empathisch. Zuerst einmal bewegt es sie ganz praktisch hin zu Hiob. Sie machen sich gemeinsam auf den Weg. Als sie sehen, was aus Hiob geworden ist, erschüttert sie das. Und schliesslich, als sie erkannten, wie gross der Schmerz war, sprachen sie kein Wort mehr, sassen bei ihm und schwiegen mit Hiob sieben Tage lang, denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr gross war.

«Ein Freund liebt zu jeder Zeit, und als Bruder für die Not wird er geboren.»
Spr 17,17

In der Gemeinde

Das Mitfühlen mit anderen hat auch in der Gemeinde einen Platz. Und zwar in allen Lebenssituationen:

«Es gilt, sich zu freuen mit den Freudevollen, zu schluchzen mit den Schluchzenden.»
Röm 12,15

«Und sei es, dass ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, oder ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit.»

1Kor 12,26

Empathie ist immer gelebt, sie ist immer praktisch, und sie kann gut ohne Worte auskommen. Wie im Bibelabschnitt über Hiob oben fett markiert, geht es überall um «Tätigkeiten», um eine aktive Haltung, sogar dort, wo stillgesessen und gewartet wird.

Jesus

Der Sohn Gottes ist empathisch, wie Gott selbst einfühlsam ist. Aus dem Leben von Jesus gibt es mehrere Beispiele. Der kürzeste Vers der Bibel besteht aus nur zwei Wörtern: «Jesus weinte» (Joh 11,35). Es war Ausdruck einer starken Emotion. Lazarus, ein Freund von ihm, ein Bruder von Martha, war gestorben.

Die Empathie lebt nicht nur in diesen zwei Wörtern, sondern auch praktisch in dem, was dort danach geschah. Der gerade vorher gesagt hat «Ich bin die Auferstehung und das Leben» (Joh 11,25) spricht vor dem Grab von Lazarus:

«Lazarus, herzu, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus, die Füsse und Hände in Grabtücher gewickelt und sein Antlitz mit einem Schweisstuch umbunden. Jesus sagte zu ihnen: Bindet ihn los und lasst ihn gehen!»

Joh 11,43-44

In übertragenem Sinne: Empathie engagiert sich, schenkt Leben und neue Freiheit.

Vertiefung

Fragen zum gemeinsamen Austausch:

  • Wenn ich Empathie schenken will, worauf will ich achten?
  • Wenn ich Freund sein will, worauf will ich achten?
  • Was lehrt uns dies über das Wesen Gottes?
  • Hat Gott für Dich alles in Händen? Was kannst Du aus Hiobs Geschichte lernen?
  • Können auch wir selbst vielleicht manches erst durch Erfahrung erfassen?
  • Kennst Du Unsicherheiten im Leben? Wie gehst Du damit um?