Bibelstrukturen

Jedes Bibelbuch und fast jeder Textabschnitt hat eine Struktur auf Basis des Inhalts. Eine Bibelstruktur nimmt sich dem Inhalt an, und zeigt den inneren Zusammenhang vom Text. Es ist wie eine Landkarte für ein Bibelbuch. Eine solche Bibelstruktur ist eine Verständnishilfe. Wir können daraus Zusammenhänge leicht ablesen. Oft ist der Zusammenhang ganz regelmässig, weshalb man manchmal auch von «Skelettübersicht» spricht.

Struktur (Umkehrung)

A (1:1-5) Einführung. Historisch.
– B (1:6–2:10) Satans Angriff. Hiob von allem beraubt.
–– C (2:11–13) Die drei Freunde. Ihre Ankunft.
––– D (3:1-31:40) Hiob und seine Freunde.
–––– E (32:1–37:24) Der Dienst von Elihu: Die Wende.
––– D (38:1–42:6) Hiob und Gott
–– C (42:7-9) Die drei Freunde. Ihre Abreise.
– B (42:10–13) Satans Niederlage. Hiob doppelt gesegnet.
A (42:14-17) Abschluss. Historisch.

Die Figur vom Buch Hiob ist eine «Introversion», eine «Umkehrung», wobei die Themen gespiegelt noch einmal zurückkommen. So wird die Einführung (A) gespiegelt durch den Abschluss (A), und Satans Angriff (B) wird gespiegelt im Abschnitt von Satans Niederlage (B). Die gleichen Buchstaben oder Farben stehen für ähnliche Teile. Bei einer Introversion steht in der Mitte die Kehrtwende. Im Buch Hiob passiert das, wenn Elihu, ein vierter Freund, anfängt zu reden. Von da an kehrt sich die Geschichte.

Bis jetzt haben wir die ersten Abschnitte A, B und C gelesen. Sie gehörten alle zur Einführung. Jetzt geht das eigentliche Buch los. Die Situation ist geschildert – jetzt kommt die Beurteilung, jetzt kommen die Fragen, jetzt folgen die Diskussionen. Bis jetzt war der Vorspann. Jetzt fangt der Film an. Nicht weniger als 28 Kapitel lang (von 42) lesen wir von Hiobs Klage und den Überlegungen von Hiob und seinen Freunden. Das ist der grösste Teil des Buches. Nicht Gott spricht, sondern Hiob und seine Freunde.

Gliederung

(D) Kapitel 3:1–31:40
(Zahlen verweisen nach den Kapiteln)

Hiob

Hiobs Klage (3) – Einführung

Erste Runde
Rede Elifas (4, 5)
Antwort Hiobs (6, 7)
Rede Bildad (8)
Antwort Hiobs (9, 10)
Rede Zofar (11)
Antwort Hiobs (12–14)

Zweite Runde
Rede Elifas (15)
Antwort Hiobs (16, 17)
Rede Bildad (18)
Antwort Hiobs (19)
Rede Zofar (20)
Antwort Hiobs (21)

Dritte Runde
Rede Elifas (22)
Antwort Hiobs (23, 24)
Rede Bildad (25)
Antwort Hiobs (26–27:10)
Rede Zofar (27:11–28:28)

HIOB Hiobs Rechtfertigung (29–31) – Zusammenfassung

Quelle: E.W. Bullinger, «The Book of Job».

Die zentrale Aussage

Auf die Sichtweise kommt es an. Im Verlauf der Geschichte ändern sich die Perspektiven. Diese sind das eigentliche Anliegen des Buches. Am Schluss vom Buch hat sich nicht nur Hiobs Perspektive geändert, sondern vielleicht auch wir, als Leser der Geschichte, haben unser Verständnis erweitert.

Die menschliche Perspektive

Hiobs Freunde ziehen Schlussfolgerungen aus verschiedenen Perspektiven:

  • Elifas: Menschliche Erfahrung
  • 
Bildad: Menschliche Tradition
  • Zofar: Menschlicher Verdienst

Drei Sichtweisen, die auch heute nicht weiterhelfen bei wichtigen Lebensfragen. Sie kommen alle drei nicht weiter als eine Selbstgerechtigkeit und zu einer Verurteilung von Hiob ohne wirkliche Antworte (vgl. Hi 32,2-3). Alle schliessen von den eigenen Erfahrungen im Hier und Jetzt auf die Realität Gottes. Diese Sicht ist unzureichend und wird Gottes Handeln nicht gerecht. Das ist die wichtigste Lektion im Buch Hiob, die zentrale Aussage auch für uns.

Wenn wir in diesem Leben nur von uns selbst aus denken, kommen wir nicht weiter als unsere eigene Perspektive. Gott ist viel grösser, viel souveräner, als wir aus der Betrachtung unseres eigenen Lebens allein ableiten können. Gott ist aber auch viel barmherziger, als wir aus unserer Situation allein erkennen können.

Gottes Perspektive

Das ganze Buch Hiob will uns zeigen, was «das Ende des Herrn» für Hiob ist (Jak 5,11). Das Ziel ist wichtig, denn das Ziel erhellt den Weg. Darin ist das Buch Hiob uns ein Vorbild. Was wir im eigenen Leben nicht können – nämlich unser eigenes Leben schon mal von vorn nach hinten durchlesen, um zu sehen, was dabei herauskommt – das können wir beim Buch Hiob machen. Und im Rückblick der Geschichte kann man beim Leben von Hiob erkennen, dass alle Klagen und Reden nur dazu dienen, dieses «Ende des Herrn» deutlicher hervorzuheben. Das darf uns ermutigen.

Vordergründig sprechen Hiob und seine Freunde über Hiobs Schicksal, über seine Not, über Schuld und Gerechtigkeit und alle Meinungen, die sie dazu haben. Wir sollten uns darin erkennen, uns darin aber nicht verlieren. Wesentlich möchte das Buch Hiob uns mit diesen Gesprächen vorbereiten auf das, was nachher kommt. Das Hintergründige dieser Gespräche ist das Hervorheben von Gottes Antwort. Diese Antwort Gottes folgt jedoch erst später.

Es ist wichtig, dass wir in unserem Leben die aktuelle Not aussprechen und ist nur zu nötig, dass wir diese Not, wenn immer möglich, auch praktisch lösen. Aber wie wäre es mit einem Perspektivenwechsel? Sie ermöglicht einen geänderten Umgang mit allen Herausforderungen. Darum geht es im Buch Hiob. Wie Jakobus können wir dann und dadurch lernen, «dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist».

Nirgendwo im Buch wird die Not von Hiob verneint. Auch wir sollten unsere eigene Not nicht ausblenden. Schwieriges will gelöst und Falsches will berichtigt werden. In allem Schwierigen jedoch kann das eigene Verständnis Weitblick und Kraft freisetzen, damit wir über die aktuelle Not hinaus einen Anker für unsere Seele setzen können. Hiob hat das über schwierige Erfahrungen und einer intensiven Auseinandersetzung gelernt.

Von all dem erahnen wir hier bloss etwas. Folgen wir der weiteren Geschichte, wie sie ausgeht.