Gott erkennen ist gar nicht so einfach. Ist Gott nur gut, oder hat Er auch etwas mit dem Bösen zu tun? Wer die Welt betrachtet, sieht darin nicht nur Gutes, sondern auch durchaus furchtbare Dinge. Wir sehen und erfahren Ungerechtigkeit, Krankheit, Leiden, Tod, Krieg, Hunger, Epidemien, Arbeitslosigkeit, Verlust von Freunden, Kindern, Eltern und vieles mehr. Das Leben in dieser Welt ist nicht einfach. Wäre Gott da nicht zuständig? Warum ist da keinen Ausgleich sichtbar? Hat Gott nicht alles in Händen?

Gut und Böse

Fragen über Fragen! Diese Welt ist komplex und wir spüren das sofort. Gerade deshalb suchen viele Menschen nach vereinfachten Denkansätzen. Etwa so, dass Gott nur gut sei (sein sollte). Der Teufel sei dann zuständig für das Üble in der Welt. So sehen es ganz viele Menschen. Wir sehen darin ein dualistische Gottesbild und einen Kampf von Gut und Böse. Unzählige religiöse Vorstellungen werden so beschrieben. Diese Dualität von Gut und Böse ist auch im Kino omnipräsent. Es sind die Märchen, die die Kassen klingeln lassen.

Unter Christen ist dieses dualistische Bild von Gott stark verbreitet. Gott wird immer als gut dargestellt. Besser noch: Gott soll ausschliesslich gut sein. Der Teufel dagegen soll die Ursache für alles Böse sein. Et voilà, schon ist das dualistische Gottesbild geboren. Gott und der Teufel kämpfen miteinander um die Vorherrschaft – StarWars lässt grüssen. Das geht in manchen, vor allem charismatischen Kreisen so weit, dass man in den «geistlichen» Kampf gegen den Teufel zieht. Mit der Bibel hat diese Sicht allerdings nichts mehr zu tun. (Nein, auch Epheser 6,10-17 spricht nicht davon.)

Wer sich ständig in einem Kampf zwischen gut und böse mit ungewissem Ausgang verwickelt sieht, kann Angst, Stress und Ungewissheit erfahren. Es ist nicht unproblematisch, was hier geschieht.

Die Sehnsucht der Schöpfung

Ein dualistische Gottesbild entspricht nicht den Angaben der Bibel. Gott steht nicht im Kampf mit einem gleich starken anderen Gott. Gott steht über allem. In der Bibel lesen wir unmissverständlich und wiederholt: «Alles ist aus Gott». Das muss das Böse einschliessen, ansonsten ist es nicht alles. Gott bewirkt alles nach dem Ratschluss seines Willens, und nicht nur etwas und nur gelegentlich (Eph 1,11). Das ist ein grosser Unterschied zu einem dualistischen Gottesbild.

Allerdings ist diese Feststellung noch keine Erklärung für die Not dieser Welt. Diese Not ist real. Sie kann uns selbst betreffen. Es liegt eine Last auf diese Welt, von der auch Glaubende nicht ausgenommen sind. Es ist eine Sehnsucht und Vorahnung, dass es doch so nicht enden kann. Paulus beschreibt das wie folgt:

«Denn ich rechne damit, dass die Leiden der jetzigen Frist nicht wert sind der Herrlichkeit, die im Begriff steht, in uns enthüllt zu werden. Denn die Vorahnung der Schöpfung wartet auf die Enthüllung der Söhne Gottes.»
Röm 8,18-19

Paulus schaut voraus, und weiss, dass Gott alles in Händen hat. Er beschreibt nirgendwo einen Kampf zwischen Gut und Böse, als müssten wir Satan die Herrschaft entreissen, damit Gott gewinnen kann. Der Apostel spricht von einer Gewissheit. Er «rechnet damit», dass sich Dinge ändern. Er vertraut darauf, dass die aktuelle Situation aufgelöst und erlöst werden wird.

Während er im Vertrauen auf Gott fest mit einer Erlösung rechnet, gibt es von dem Rest der Welt zwar keine Zuversicht, aber doch eine «Vorahnung». Menschen sehnen sich nach einer Lösung. Hollywood und Bollywood beschreiben diese Sehnsucht und Vorahnung in vielen Kinofilmen. Betrachtet man die Themen der Filme aus dieser Perspektive, erkennt man leicht die Geschichten, die von einer Erlösung sprechen, von einem Happy End. Diese sind vielleicht nicht ganz real aus menschlicher Perspektive, aber es entspricht trotzdem der Sehnsucht und der Vorahnung, die in der Welt allgegenwärtig ist. Deswegen sprechen diese Kinofilme viele Menschen an.

Paulus schreibt im Römerbrief jedoch noch mehr:

«Denn die Schöpfung wurde der Eitelkeit untergeordnet (nicht freiwillig, sondern um des Unterordners willen) in der Erwartung, dass auch die Schöpfung selbst befreit werden wird von der Sklaverei der Vergänglichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.»
Röm 8,20-21

Hier erwähnt der Apostel, dass die Schöpfung nicht etwa freiwillig in diese missliche aktuelle Lage geriet. Vielmehr war es Gottes Wirken, der die heutige Situation bewirkte. Es geschah «nicht freiwillig, sondern um des Unterordners willen». Bevor jetzt einen Aufschrei kommt, fährt der Apostel bereits weiter und schreibt, dass dies alles in einer bestimmten «Erwartung» geschah und auf ein bestimmtes Ziel hin. Die Schöpfung selbst wird befreit werden von der Abhängigkeit der Vergänglichkeit. Das Ziel für die Schöpfung ist klar: Sie soll befreit werden zur «Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes». Oder mit anderen Worten: so wie die Glaubenden, so auch der Rest.

Paulus sieht der aktuelle Status der Welt als vorübergehend. Im Glauben sehen wir das und können damit rechnen. Allerdings sollten wir da ruhig den Blick über den Horizont schweifen lassen, wie Paulus es gerade vorführt. Die Zuversicht hört nicht bei den «Geretteten» der aktuellen Zeit auf, sondern bezieht die ganze Welt mit ein. Es gibt einen Ausblick und eine Erlösung für die ganze Welt. Dann fährt der Apostel weiter:

«Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis nun mit uns ächzt und Wehen leidet. Aber nicht nur sie allein, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir selbst ächzen in uns, den Sohnesstand erwartend, die Freilösung unseres Körpers. Denn auf diese Erwartung hin wurden wir gerettet.»
Röm 8,22-24

Wir sind alle im gleichen Boot, die Schöpfung und wir selbst. Die Erwartung teilen wir. Wir selbst wissen, dass wir auf diese Erwartung hin gerettet wurden. Die Schöpfung weiss es weiterhin nicht genau, aber sie hat eine Vorahnung.

Niemand ist gut ausser dem Einen

Ein dualistisches Gottesbild wird nirgendwo in der Bibel gelehrt. Gott ist zuständig. Auch wenn Satan der «Gott dieses Äons» genannt wird (2Kor 4,4), so prägt das nur diese Zeit. Gott selbst steht jedoch weiter über all dem und wird «König der Äonen» genannt (1Tim 1,17). Er regiert über alle Äonen (Zeitalter).

Die Bibel differenziert. Sie leugnet keine Dualität, aber macht klar, dass nicht Gott selbst, sondern nur diese Welt die Dualität kennt. Während also die Dualität in der Schöpfung anerkannt wird, gibt es kein dualistisches Gottesbild. Gott steht über allem. Er ist Ursprung und Ziel aller Dinge und trägt alles. Ein dualistisches Gottesbild scheint sich Gott als ein Teil der Schöpfung vorzustellen.

Unser Gottesverständnis kann getrübt sein. Von einer solchen Situation lesen wir in den Evangelien, wenn Jesus mit einem «Oberen» ins Gespräch kommt:

«Dann fragte Ihn ein Oberer: Guter Lehrer, was soll ich tun, damit mir äonisches Leben zugelost werde? Jesus aber antwortete ihm: Was nennst du Mich gut? Niemand ist gut ausser dem Einen: Gott.»
Luk 18,18

Jesus weist ab, dass Er ein «Guter» Lehrer sei. Gut ist nämlich nur Einer, nämlich Gott selbst. Achten wir hier auf den Unterschied:

Jesus sagt nicht: Gott ist nur gut.
Jesus sagt: Nur Gott ist gut.

Das ist ein gewaltiger Unterschied. Wirklich gut, in absolutem Sinne, ist nur Gott. Jesus ist nicht Gott – auch das geht hier hervor. Sonst macht die Aussage keinen Sinn. Nur Gott ist gut. Das heisst aber noch lange nicht, dass Gott «nur gut» ist. Zwischen beiden Gedanken sollten wir klar unterscheiden.

Die weitverbreitete Idee, dass Gott nur mit dem Guten etwas zu tun hat, ist undifferenziert und schlicht falsch. Er ist Ursprung aller Dinge und nicht nur «guter» Dinge. Jesus verweist darauf, dass Er nicht Gott ist. Der Oberste sollte ihn nicht «anhimmeln». Wirklich gut ist nur Gott selbst. Wir sollten Gott kennen. Da ist die Korrektur.

Gott erschafft das Böse

Die Idee, dass Gott etwa «nur gut» sei, ist ein typischer Auswuchs christlicher Theologie. Im Judentum wird das ganz anders gesehen. Hier verweist man gerne nach Jesaja, der folgende Worte schreibt:

«Ich bin JHWH Elohim, und da ist sonst keiner! Ausser Mir ist kein Elohim! Ich gürte dich, doch kennst du Mich nicht.
Damit sie erkennen mögen, die vom Aufgang der Sonne und die vom Westen, dass da niemand ist ausser Mir:
Ich bin JHWH Elohim, und da ist sonst keiner!
Der Ich bilde das Licht und erschaffe das Finstere,
bewirke das Gute und erschaffe das Böse,
Ich, JHWH Elohim, mache all dieses.»
Jes 45,6-7

Im Judentum ist die Ansicht weitverbreitet, dass Gott das Böse erschaffen hat. Das ist keine Meinung, sondern ein Verweis nach Jesaja. Im Christentum wird dies selten erkannt. Das hat aber mit dem Gottesbild zu tun, das man sich selbst erschaffen hat. Die Bibel ist durchaus vielseitiger und differenzierter als die eigene Theologie oder Tradition. Das Wort für «erschaffen» ist hier dasselbe als das, was für die Erschaffung von Himmel und Erde gebraucht wird (hb. bara).

Ist Gott nur gut?

Diese Frage lässt sich nun differenzierter beantworten: Nur Gott ist gut, aber Er hat auch das Böse erschaffen. Es geht hier um die Gottheit Gottes, ähnlich wie Hiob diese erfahren musste. Als Hiob sich mit Gott anlegte, musste er vermeintliche Bilder über Gott korrigieren. Er musste die Gottheit Gottes kennenlernen. Hiob berichtet dann:

«Und Hiob antwortete dem HERRN und sagte: Ich habe erkannt, dass du alles vermagst und kein Plan für dich unausführbar ist. “Wer ist es, der den Ratschluss verhüllt ohne Erkenntnis?” So habe ich denn meine Meinung mitgeteilt und verstand doch nichts, Dinge, die zu wunderbar für mich sind und die ich nicht kannte. Höre doch, und ich will reden! Ich will dich fragen, und du sollst es mich wissen lassen! Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. Darum verwerfe ich mein Geschwätz und bereue in Staub und Asche.»
Hiob 42,1-6

Es ist abwegig, Gott nur mit dem Guten in Verbindung zu bringen. Zweifellos sind Licht und Liebe Merkmale seines Wesens. Gott ist nicht rachsüchtig. Das heisst aber noch lange nicht, dass Er für das Üble nicht zuständig sei. Gott selbst ist nicht Böse, aber es wird von Jesaja bezeugt, dass Er das Böse erschaffen hat. Das müssen wir erst einmal verinnerlichen.

Wer glaubt, dass Gott mit dem Bösen nichts zu tun hat, der hat keinen Gott, der diesen Namen verdient.

Häufig reagieren Leute gereizt, wenn man diese Gedanken erwähnt. Das passt so gar nicht ins eigene Gottesverständnis. Man hat sich auch alle mögliche Theorien zurechtgelegt, vom Fall Satans über Erbsünde und jene andere Lehren, damit man die Frage nach der ultimativen Zuständigkeit beiseiteschieben kann. Man kann es aber sehr einfach auf den Punkt bringen: Wer glaubt, dass Gott mit dem Bösen nichts zu tun hat, der hat keinen Gott, der diesen Namen verdient.

Es ist deshalb erstaunlich, dass viele Christen einerseits bekennen, dass Gott über allem steht, aber gleichzeitig von Satan reden, als wäre dieser der Anti-Gott, ein zweiter Gott, der dem «echten Gott» sozusagen die Beute streitig macht. Mit dem Gottesbild der Bibel hat das nichts zu tun. Wenn Gott «Gott» ist, dann steht Er allein über allem, dann ist allein Er gut, dann bringt allein Er alles zu Ende.

Wirkliches Gottvertrauen beginnt dort.

Vertiefung

Mit dieser kurzen Einführung in ein komplexes Thema werden nicht alles Aspekte erwähnt und nicht alle Fragen beantwortet. Das war auch nicht das Anliegen. Manche Bibelstellen hat man hier vielleicht zum ersten Mal gelesen. Die Aussagen sind kongruent mit der gesamten Schrift. Warum geht es bei diesem Thema wirklich? Es geht um unser Gottesverständnis und unser Gottvertrauen. Wenn Gott wirklich ohne Ausnahme für alles zuständig ist, was ändert sich dadurch?