Dispensationalismus ist eine Variante der systematischen Theologie. Sie wird vor allem in evangelikalen Kreisen geschätzt und es gibt besonders viele Untervarianten derselben. Über die Grundzüge dieses Modells geht es in diesem Beitrag.

Denken in Zeitabschnitten

Der Dispensationalismus ist ein theologischer Ansatz zum Verständnis der Zusammenhänge in der Bibel. Das Wort bezieht sich auf die lateinische Bibelübersetzung, worin das griechische oikonomia mit dem lateinischen dispensatio wiedergegeben wird. Beispielsweise im Epheserbrief:

«huius rei gratia ego Paulus vinctus Christi Iesu pro vobis gentibus si tamen audistis dispensationem gratiae Dei quae data est mihi in vobis»
Eph 3,1-2 Vulgata

«Deswegen bin ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu, für euch, die Nationen – ihr habt doch wohl von der Verwaltung der Gnade Gottes gehört, die mir im Hinblick auf euch gegeben ist.»
Eph 3,1-2 Rev. Elbf.

«Mithin bin ich, Paulus, der Gebundene Christi Jesu für euch, die aus den Nationen – wenn ihr nämlich von der Verwaltung der Gnade Gottes gehört habt, die mir für euch gegeben ist.»
Eph 3,1-2 KNT

Dispensationalismus wird aufgrund dieser Namensgebung auch als «Verwaltungslehre» beschrieben, nämlich die Lehre der verschiedenen Verwaltungen Gottes, wovon die gerade vorher genannte Verwaltung der Gnade Gottes ein Beispiel ist. Eine Verwaltung ist so etwas wie ein Zeitabschnitt mit einem bestimmten Charakter. Der Dispensationalismus unterscheidet in der Bibel verschiedene Zeiten, die durch einen jeweils eigenen Charakter ausgezeichnet werden. Es wäre jedoch voreilig, möchte man der Grundgedanke des Dispensationalismus auf diese «Verwaltungen» reduzieren. Es gibt viele weitere Zeitbegriffe in der Bibel, die ebenso eine eigene Bedeutung haben.

Der Kern des Dispensationalismus ist die Fähigkeit, Unterschiede im Text aus verschiedenen Zeiten ernst zu nehmen und daraus konkrete Fragen zum Textverständnis abzuleiten. Paulus schrieb: «Habt ihr doch wohl von der Verwaltung der Gnade Gottes gehört, die mir [Paulus] im Hinblick auf euch gegeben ist?». Ob dies nun eine Feststellung oder eine Frage ist – sind wir vertraut mit der Verwaltung der Gnade Gottes, die Paulus für die Nichtjuden erhielt? Dispensationalismus geht diese und anderen Fragen nach, weil sie aus dem Bibeltext selbst hervorgehen und von einem speziellen und eigenen Charakter einer Zeit sprechen.

Können solche Hinweise für das Verständnis der Bibel hilfreich sein? Der Dispensationalismus bejaht diese Frage und lehrt uns, sozusagen mit der Geschichte mitzulesen. Die erste Frage ist stets: Was haben die ursprünglichen Zuhörer verstanden? Was war bekannt, was noch nicht? Was ist der Zusammenhang für die Zielgruppe? Unterschiede zwischen verschiedenen Bibelteilen sollen nicht heruntergespielt, sondern auf Relevanz für das biblische Verständnis geprüft werden.

Worin der Dispensationalismus besonders gut ist

Der Dispensationalismus ist ein Ansatz zum Bibelverständnis. Ein Ansatz soll dabei helfen, die Bibel selbst besser auf die Spur zu kommen. Der Dispensationalismus zeigt auf, weshalb Unterschiede in der Bibel keine Widersprüche sind, sondern im jeweils eigenen Kontext (in der eigenen Zeit) eine klare und verständliche Bedeutung haben.

Beispielsweise wurde den Menschen im Garten Eden eine pflanzliche Kost zu essen gegeben:

«Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch alles Samen tragende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem Samen tragende Baumfrucht ist: Es soll euch zur Nahrung dienen»
1Mo 1,29

Nach der Sintflut gab es eine Änderung im Speiseplan:

«Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein; wie das grüne Kraut gebe ich es euch alles.»
1Mo 9,3

Der Dispensationalist erkennt: Vor der Sintflut galt ein anderer Speiseplan als nach der Sintflut. Es waren (im Hinblick auf den Speiseplan) zwei verschiedene Zeiten. Gott hat zuerst rein pflanzliche Kost empfohlen, später jedoch eine Erweiterung ausdrücklich angegeben. Der Übergang von der einen in die andere Zeit wurde durch das Ereignis «Sintflut» gekennzeichnet. Es begann danach eine andere Zeit. Würde also jemand kommen und behaupten, dass Gott will, dass wir alle vegetarisch leben (mit Berufung auf die Aussagen vor der Sintflut), dann lässt sich diese Behauptung korrigieren mit den Aussagen nach der Sintflut. Diese Aussagen stehen nicht in Konflikt, sondern die Zeiten haben sich geändert. Sie stehen in einer Entwicklung nacheinander, wobei das spätere das frühere erweitert hat.

Der Dispensationalismus hilft, diese Eigenheiten klarer zu erkennen und hebt dabei Schlüsselstellen in der Bibel hervor. Wenn Paulus sagt: «Habt ihr doch wohl von der Verwaltung der Gnade Gottes gehört, die mir [Paulus] im Hinblick auf euch gegeben ist?», dann ist es offensichtlich, dass niemand zuvor davon gesprochen hat. Mit Paulus erscheint etwas Neues auf der Bühne der biblischen Offenbarung. Der Apostel selbst beschreibt dies als Geheimnis und spricht von der «Enthüllung eines Geheimnisses, das in äonischen Zeiten verschwiegen war, nun aber offenbar wurde» (Rö 16,25-26). Im Epheserbrief spricht er in ähnlichen Worten davon, dass ihm

«… Diese Gnade gegeben [wurde], den Nationen den unausspürbaren Reichtum des Christus als Evangelium zu verkündigen und alle darüber zu erleuchten, was die Verwaltung des Geheimnisses betrifft, das von den Äonen an in Gott verborgen gewesen war.»
Eph 3,8-9

Weiter bittet er den Empfängern des Briefes um Fürbitte,

«dass mir beim Auftun meines Mundes der rechte Ausdruck gegeben werde, um das Geheimnis des Evangeliums in Freimut bekanntzumachen».
Eph 6,19

Einmal also war dies geheim, nämlich «unbekannt», während Paulus es jetzt neu enthüllt. Erst danach war dieses Geheimnis bekannt (ohne in Detail darauf einzugehen). Zwischen beiden Zeiten gibt es einen Unterschied. Es gelten verschiedene Botschaften, die sich nicht einfach gegenseitig austauschen lassen. Das Ereignis, welches den Übergang von der einen Zeit in die andere Zeit markiert, war die Berufung des Apostels Paulus, und die sukzessive Absonderung für diesen speziellen Dienst (Röm 1,1 Apg 13,2). Erkennen wir diese Unterschiede und werden wir hellhörig auf die Worte, welche genutzt werden, dann kann dies ein Türöffner für das Verständnis der Bibel sein. Unterschiede zwischen etwa den Evangelien und den Briefen der Zwölf Apostel einerseits und den Briefen von Paulus andererseits müssen nicht auf Biegen und Brechen harmonisiert werden, sondern gewinnen an Klarheit durch Anerkennung des jeweils eigenen Charakters.

Anhand dieser wenigen Beispiele lassen sich die Stärken einer dispensationalistischen Sichtweise erkennen. Der Dispensationalismus …

  • Bezieht sich konkret auf den Bibeltext
  • Anerkennt Unterschiede im Bibeltext
  • Erklärt Unterschiede aus dem jeweiligen eigenen Kontext heraus
  • Erkennt, dass Gott immer derselbe ist, jedoch nicht immer gleich handelt
  • Hilft dabei, biblische Zusammenhänge aufgrund der unterschiedlichen Prägungen der Zeiten klarer zu erfassen
  • Zeigt auf, wie Gott einen Plan durch verschiedene Zeiten hindurch verwirklicht
  • Zeigt auf, welche Botschaft heute besondere Relevanz hat (und welche nicht).

Verschiedene Verwaltungen

Bleiben wir einmal bei Epheser 3, so erwähnt Paulus dort gleich zweimal eine solche Verwaltung: die Verwaltung der Gnade Gottes (Eph 3,2) und die Verwaltung des Geheimnisses (Eph 3,9). Ebenso im Epheserbrief spricht der Apostel von einer Verwaltung der Vervollständigung der Fristen (Eph 1,10), eine Andeutung auf die Vollendung der Zeit. Das griechische Wort oikonomia spricht von einem Haus-Gesetz (oikos = Haus, nomos = Gesetz) und Paulus ist sozusagen der Hausverwalter in Bezug auf das, was ihm anvertraut wurde (1Kor 9:17, vgl. 1Kor 4,1-2, Tit 1,7) wie auch Petrus darlegt, dass die Gläubigen selbst und gegenüber einander Verwalter sind (1Pt 4,10).

Diese wenigen Hinweise erlauben es nicht, auf eine vollständige Liste mit Verwaltungen zu schliessen. Dazu wurden diese Verweise auch nicht gegeben. Beim Lesen der Schrift kann man die Eigenheit der genannten Zeiten erkennen und daraus ableiten, dass womöglich weitere Zeiten eine eigene Prägung haben.

Selbstverständlich ist der Ansatz nicht mit einer weiteren Interpretation zu verwechseln. Es verwundert deshalb nicht, dass es ganz unterschiedliche Schemen gibt, je nach Erkenntnis des Bibelbetrachters oder Lehrers. Zeiten werden nach verschiedenen Kriterien geordnet, wonach es 3, 7, 8, 12 oder 14 solcher Verwaltungen gäbe. Wirklich wichtig sind selbstverständlich nicht die Schemen, sondern die Erkenntnisse, die daran zugrunde liegen. Manche dispensationalistische Interpretation geht weiter als eine andere. Es gibt nicht so etwas wie «der» Dispensationalismus. Das sollte bedacht werden, denn die Unterschiede sind teilweise beträchtlich. Hier in diesem Beitrag geht es darum, die Charakterzüge zu erkennen, die Möglichkeiten dieser Sichtweise zu verstehen und daraus mit Gewinn vielleicht etwas für das eigene Erkennen herauszunehmen.

Für eine systematische Theologie sind Zusammenhänge wichtig. Sie geben Aufschluss darüber, wie die Bibel als Ganzes zu verstehen ist, welche die Kernbotschaft ist und wie sich diese Botschaft durch die Zeit hindurch entwickelt. Der Dispensationalismus ist ein solcher Ansatz zu einer systematischen Theologie. Sie gibt Einblick in die Entwicklung und Kontinuität der biblischen Geschichte, der Heilsgeschichte und schenkt damit auch ein Verständnis für die heutige Zeit.

Zeitbalken und Einteilungen

Der Dispensationalismus kennzeichnet sich durch Epochen aus. Sie lassen sich abgrenzen und auch gut skizzieren. Es gibt ganz viele solcher grafischen Darstellungen. Wer sich gerne ein differenziertes Bild machen möchte, findet via Google Search leicht unzählige dieser Karten. Über den Wert solcher Karten gibt es unterschiedliche Meinungen. Stets sind sie – was für jede Theologie gilt – Abbild des Verständnisses des Theologen, mehr nicht. Gott hat uns in der Bibel eine lebendige Geschichte und keinen Zeitbalken vermittelt. Der Vorzug dieser schematischen Darstellungen liegt in der Vereinfachung. Mit wenigen Anhaltspunkten lässt sich durch eine schematische Darstellung eine Idee vermitteln. Als Grafik ist eine Idee oft leichter zu erfassen. Die Idee aber sollte geprüft werden.

Die hilfreichsten Zeitbalken und Übersichten fand ich auf konkordanter-verlag.de und concordant.org. Hier werden unterschiedliche Zeitbegriffe auf eine gemeinsame Übersicht dargestellt, sodass eine recht umfassende Darstellung der biblischen Zeiten entsteht.

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Englisch

Der spekulative Charakter von Übersichten

Die Vereinfachung der Heilsgeschichte durch eine grafische Darstellung hat nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Eine Verliebtheit in grafische Bilder kann dazu führen, dass man diese unkritisch als «wahr» akzeptiert. Ein Bild hat die Kraft auch dort ein harmonischer Zusammenhang vorzugaukeln, wo keiner ist. Man tut also gut daran, diese theologischen Ansätze zu nutzen, aber deren Wert nicht über die Bibel selbst zu stellen.

Von einer anderen Seite her betrachtet ist es jedoch sehr hilfreich, wenn wir versuchen, die Struktur von Texten, Geschichten oder gar Bibelbüchern grafisch darzustellen. Das ist so etwas wie der Prüfstein dafür, ob wir den Text, die Geschichte oder das Bibelbuch auch tatsächlich erfasst haben. Denn nur was man gut verstanden hat, lässt sich sinnvoll zusammenfassen. Paulus fasst einmal die gesamte Weltgeschichte in einem einzigen Vers zusammen (Rö 11,36). Er hat das offenbar verstanden und verinnerlicht und konnte es so kurz und knapp auf den Punkt bringen. Wir sollten wissen, was uns von Gott aus Gnaden geschenkt ist (1Kor 2,12-13), ebenso sollten wir anerkennen, dass exakte Zeiten und Zeitpunkte der Heilsgeschichte in Gottes Händen liegen (Apg 1,7). Es ist nicht so, dass wir nichts wissen können, sondern nicht alles ist offenbart. Auch Paulus weiss nicht alles. Das hält ihn aber nicht davon ab, der gesamte Lauf der Weltgeschichte fest in Gottes Händen zu sehen (Rö 11,33-36).

Negativ aufgefallen sind dispensationalistische Bücher, die versucht haben, durch Berechnungen und Deutungen des Zeitgeschehens die Rückkehr des Messias vorauszusagen (etwa Hal Lindsey). Dies ist eine spekulative Eschatologie, die den Wert des Dispensationalismus in Misskredit gebracht hat. Keines dieser Aussagen hat sich erfüllt. Trotzdem: Die Idee, dass wir uns in der Endzeit befinden ist fest im Neuen Testament verankert und der Ausblick ist ebenso in der Tenach enthalten. Das dürfen wir festhalten, ohne uns auf Spekulationen festzulegen.

Insofern eine Endzeitvision heraufbeschwört wird, kann dies auch Ausdruck einer schwärmerischen Haltung sein. Man empfindet Gott nur dadurch als nahe, weil etwas im Hier und Jetzt passiert. Gott werde sozusagen durch die Endzeitfantasien erst spürbar. Ist das nicht so etwas wie ein Ersatz-Glauben? Ist es nicht der natürliche Mensch, das «Fleisch», welches sich in Fühlen, Spüren und Spezialeffekten baden möchte? Das ist ein ähnlich schwärmerischer Geist, als sich unter charismatische Christen breit machen kann. Auch dort geht es m. E. nur darum, Gott sichtbar und spürbar zu machen – durch Heilungen und Prophezeiungen –, koste, was es kosten will.

Es gibt weitere Entgleisungen, zu denen auch ein christlicher Zionismus gehört, für die das Volk Israel das sichtbare Zeichen von Gottes Wirken in dieser Welt ist. Alle diese Haltungen bringen in letzter Konsequenz zum Ausdruck, dass noch nichts verstanden ist von dieser «Verwaltung der Gnade Gottes», wovon Paulus spricht. Die Bibel kennt keine Schwärmerei und ist nüchtern in der Verankerung des Glaubens durch Gnade allein. Wer Zeichen und Wunder sucht, möchte offenbar dem Zusammenhang der Evangelien nachspüren – aber entspricht das der Situation der Gemeinde heute?

Alle diese Entgleisungen basieren auf bestimmte dispensationalistische Interpretationen. Sie lassen sich aber ebenso durch eine dispensationalistische Betrachtung korrigieren, denn die Voraussetzungen und Folgerungen lassen sich in der Bibel so nicht zurückfinden. Dies darf klarstellen, dass Dispensationalismus nicht einfach «richtig» oder «falsch» ist, sondern eine Hilfe zum Verständnis bleibt. Wir sind selbst gefordert, dies als Werkzeug richtig einzusetzen.

Theologische Antworte finden

Den praktischen Wert von theologischen Ansätzen lässt sich schnell erkennen, wenn wir konkrete Fragen des Glaubens haben:

  • Wird jeder heute geheilt?
  • Was soll ich beten?
  • Wie wirkt Gott heute in der Welt?
  • Was ist die Aufgabe der Gemeinde?

Diesen Fragen könnten weitere hinzugefügt werden. Wer gesund im Glauben steht, kann diese Fragen auf viele Arten beantworten. Dispensationalismus jedoch bietet häufig eine theologische Begründung für eine Antwort und kann abwägen, weshalb die eine Bibelstelle dies betont, eine andere jedoch etwas ganz anderes bezweckt. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Unterschied zwischen Paulus und Jakobus in manchen Aussagen:

«Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten?»
Jak 2,14

«Dem aber, der Werke tut, wird der Lohn nicht angerechnet nach Gnade, sondern nach Schuldigkeit. Dem dagegen, der nicht Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet.»
Rö 4,4-5

«Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.»
Eph 2,8-9

Glaube ohne Werke oder Glaube mit Werken? Was stimmt hier nun? Der Unterschied hat einst Luther dazu gebracht (in seinem Vorwort zum Hebräerbrief) vom Jakobusbrief als eine «stroherne Epistel», also als ein wertloser Brief, zu schreiben. Glaube und Werke stehen bei Paulus diametral einander gegenüber, während bei Jakobus die Werke essenziell sind, damit der Glaube retten kann. Luther konnte das nicht zusammenbringen und hat sich zugunsten des Römerbriefes und den Aussagen von Paulus entschieden.

Oft wird indessen versucht, beide Texte miteinander zu versöhnen. Das resultiert dann darin, dass «ein bisschen Werke» und «ein bisschen Glaube» übrig bleiben. Etwas von beidem, sozusagen. Das heisst aber auch, dass es weder das eine, noch das andere ist, weder Fleisch noch Fisch. Es sind konsequenterweise Vergeistlichungen konkreter Aussagen. Das aber führt zu keiner frohen Botschaft, sondern zu einem Mischevangelium, welches Paulus andernorts klar unter den Bann stellt (Gal 1,6). Ein dispensationalistischer Ansatz dagegen schärft den Blick dafür, dass Paulus berufen war als Apostel der Nationen (Röm 11,13 u.a.), während Jakobus zu den Juden in der Zerstreuung schrieb (Jak 1,1). Sie schrieben zu unterschiedlichen Gruppen und taten dies mit unterschiedlichen Botschaften (siehe auch Gal 2,7-9). Jede dieser Botschaften ist wahr im eigenen Kontext, aber es führt zu Konflikten, wenn wir sie miteinander zu harmonisieren versuchen.

Dispensationalismus ist eine der einflussreichsten theologischen Strömungen der heutigen Zeit. Diese Position hat sie dadurch errungen, dass sie bibelnahe Antworte lieferte. Nicht immer realisieren sich Gläubige und Gemeinden, dass ihre Glaubensgrundlage dispensationalistisch geprägt ist. Das ist der Fall für fast jede frei-evangelische Gemeinde und für viele weitere Gruppen. Premillenialismus, Postmillenianismus und viele weitere Teilströmungen basieren alle auf eine dispensationalistische Theologie. Sich dieser Hintergrund bewusst zu werden, kann dabei helfen, eine differenzierte Sicht zu gewinnen.