Weihnachten ist eine Tradition. Obwohl diese Tradition mit einer biblischen Geschichte verknüpft wird, geschah dies lange, nachdem diese Geschichte aufgeschrieben wurde. Weihnachten ist vieles, aber gewiss kein biblisch begründetes Fest. Woher stammt nun Weihnachten?

Ursprung des Namen

Der Name «Weihnachten» bezieht sich auf die «zwölf geweihte Nächte» der Germanen. Sie begannen ursprünglich in der ersten Nacht nach der Wintersonnenwende am 21. Dezember und dauerten bis zum 3. Januar. Mit diesen Nächten wurde der Mondkalender dem Sonnenkalender angeglichen.

Weihnachten ist also alles andere als christlich, sondern bereits der Name ist ein klarer Hinweis auf altgermanische religiöse Praktiken. Das ist zuerst einmal nur ein geschichtlicher Hinweis. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen heidnischen Ursprüngen und vermeintlich christlicher Praxis.

In der christlichen Tradition wurden diese alt-germanischen Nächte auf die Zeit vom 25. Dezember bis 6. Januar verschoben. Bestehende heidnische Feste aus dieser Winterzeit wurden nach und nach christianisiert (so: Weihnachten, Silvester, Drei Könige). Es war ein Prozess, der Jahrhunderte dauerte.

Weihnachten ist eine späte Erfindung

Die Apostel feierten keine Weihnachten. Auch Josef und Maria wussten davon nichts. Lange dauerte es, bis die Ideen von Weihnachten Teil der christlichen Tradition wurden. Sie entstanden nicht wegen der biblischen Geschichten, sondern wegen heidnischen Festen, die umgedeutet wurden.

Diese Verknüpfung mit einem heidnischen Hintergrund war für viele Gläubige der ersten Jahrhunderte nach Christus ein Problem. Man wollte keine heidnische Feste feiern. Viele hatten sich gerade aus diesen heidnischen Bräuchen verabschiedet, um zu Christus zu gehören. Sollten diese Tage nun doch wieder gefeiert werden? Die Ablehnung ist verständlich.

Ein paar Jahreszahlen zur Veranschaulichung dieser Entwicklung: Der Bischof von Rom versuchte 354 das «Fest des unbesiegbaren Sonnengottes» am 25. Dezember mit der Geburt Jesu gleichzusetzen. Das führte zu grossem Widerstand bei den Gläubigen. Erst Jahrhunderte später, im Jahr 813 an der Mainzer Synode, wurde der 25. Dezember zum «festum nativitas Christi», zum Fest der Geburt Christi, bestimmt, welches bis 1773 ganze 4 Tage dauerte. Mit diesem Akt wurde die Auseinandersetzung zu einem vorläufigen Schluss gebracht.

Man könnte zu dieser Entwicklung auch sagen, dass sich die Kirche entschieden hat – aufgrund vieler kleinen Entwicklungsschritte – das Fest jetzt definitiv als christliches Fest zu etablieren. Das ist gewissermassen eine Errungenschaft, weil es sich dadurch gegen heidnische Einflüssen durchsetzen konnte. Ob es eine bewusste Entwicklung gewesen ist oder eher eine Anpassung an bereits bestehende Traditionen kann diskutiert werden.

Allerdings sollte man die Problematik auch erkennen: Weihnachten wird ganz stark über Symbole aus der germanischen Mythologie definiert, die mit der biblischen Geschichte nichts zu tun haben. Es bleibt ein seltsames Fest und eine seltsame Tradition. Es ist ein Versuch, Gegensätze zu versöhnen. Dem darf man kritisch gegenüberstehen. Natürlich gibt es auch die andere Seite, gibt es schöne Lichter und die dazu passend gemachte biblische Geschichte hat tatsächlich einen Wert. Man kann grosszügig über die Widersprüche hinwegschauen. Man kann die Widersprüche damit jedoch nicht aufheben.

Man kann grosszügig über die Widersprüche hinwegschauen. Man kann die Widersprüche damit jedoch nicht aufheben.

Dies hat sich geändert: Im alten Israel forderten die Propheten das Volk dazu auf, die grüne Bäume auf den Höhen zu fällen und die damit zusammenhängenden Kultstätten zu vernichten. Heute werden immergrüne Bäume im grossen Stil immer noch abgeholzt, jedoch nur damit wir sie in das Wohnzimmer hineintragen. Das ist ein krasser Gegensatz zu den Aufforderungen an Israel. Mit allem Verständnis für die Schönheit der Christbäume: mit Christus oder mit der Bibel hat dieser Brauch nichts zu tun.

Wo liegt nun die Differenzierung? Das ist hier jetzt die Frage. Es geht nicht darum, einfach etwas zu verteufeln. Damit ist niemand gedient. Darüber nachdenken kann man schon. Aber wie? Für manche Leute stellt sich die Frage, welche Feste «biblisch» sind, und welche nicht – als könnte man dadurch zwischen «gut» und «böse» unterscheiden.

Biblische Feste

Es werden in der Bibel eine Reihe von Festen für Israel eingesetzt. Dazu gehören Pesah (das Fest der ungesäuerten Brote und der Auszug aus Ägypten, später Ostern), Shawuoth (das Wochenfest, später Pfingsten) und das Laubhüttenfest (wofür es in der christlichen Tradition keine Entsprechung gibt). Diese drei Festen waren die wichtigsten Feste in Israel. Sie waren alle mit der Geschichte Israels und dem Land Israel verknüpft und erhielten dadurch eine geistliche Bedeutung speziell für dieses Volk. Im dritten Buch Mose liest man von der Einsetzung dieser Festen (3Mo 23).

Das Judentum feiert noch ein Fest, in Anlehnung an einen Event, das jedoch in der Bibel nicht als Fest definiert wurde. Das ist Chanukka, die Erinnerung an die Einweihung des zweiten Tempels.

Weder Weihnachten noch Chanukka sind in striktem Sinne «biblische» Feste. In einer biblizistischen Sichtweise sollten diese Feste also gar nicht gefeiert werden. Es findet eine Abschottung gegenüber spätere Traditionen statt. Dass eine solche Abschottung oft selbst nur Resultat einer (lehrmässigen) Tradition ist, fällt nicht jedem auf. Man meint sich in einem absoluten und richtigen biblischen Glauben zu befinden und andere Sichtweisen können bedrohlich wirken. Weihnachten, so die einfache Formel, ist nichts für Christen. Tatsächlich gibt es dafür Argumente.

Allerdings ist damit nicht alles gesagt. Für Viele Menschen hat Weihnachten eine sehr grosse emotionale Bedeutung. Obwohl Weihnachten als Fest nicht aus der Bibel begründet werden kann, sehen viele Weihnachten als das Herzstück christlichen Glaubens. Was ist schlecht daran, miteinander ein Fest zu feiern? Brauchen wir nicht ein Lichterfest in der dunklen Jahreszeit? Ist auch dafür nicht etwas zu sagen? Extreme Sichtweisen liegen also nahe beieinander.

Sind wir frei zu feiern?

Sind wir frei zu feiern, zu danken, zu leben? Das zeigt sich vielleicht auch an unserem Umgang mit emotional beladenen und tief in unserer Kultur verankerten Traditionen und Festen.

Wir können ein Fest als Anlass sehen, uns mit anderen Menschen dankbar zu verbinden. Finde ich dazu eine Gelegenheit, so kann ich frei sein, diesen Moment wahrzunehmen.

Man kann es auch anders sehen, beispielsweise so, dass die heutige Weihnachtskultur, die Symbolik und die Erwartungen, welche landauf und landab mit diesem Fest verknüpft werden, eher vom Wesentlichen ablenken als darauf hinweisen. Alle typischen Weihnachtssymbole können auf heidnische Symbole zurückgeführt werden. Manche möchten sich davon distanzieren. Auch mit dem Weihnachtskommerz muss man sich nicht anfreunden. Man kann zum Weihnachtsrummel auf Distanz gehen.

Wieder Andere jedoch geniessen den Kitsch, wollen darauf nicht verzichten und geniessen die Tradition. Es ist vielen egal, woher das kommt. Hauptsache, wir feiern den Tag. Ist es ausserdem nicht eine gute Gelegenheit, die Familie wiederzusehen? Auch das ist zweifellos ein Ansatz.

Ich für mich feiere seit über 30 Jahren kein Weihnachten mehr. Das ist mein persönlicher Entscheid, und sie hat mich sehr entlastet – von Meinungen, von Traditionen, von Erwartungen, vom Konsumdrang. Ich fühle mich deshalb sehr entspannt in der Weihnachtszeit. Das hat übrigens Jahre gedauert, bis es so weit war. Denn Weihnachten erscheint ein kollektiver Trance zu sein. Es ist fast unmöglich jemand zu sagen, dass man darauf verzichtet, und man lieber bei sich bleibt. Das nimmt fast niemand ernst – so gross ist der Druck der Tradition. Auch Treffen von Weihnachtsabstinentler genau am 24. Dezember bestätigen den kollektiven Druck.

Weihnachten erscheint ein kollektiver Trance zu sein.

Nicht überall wird es jedoch gleich gefeiert. Weihnachtsbräuche unterscheiden sich von Land zu Land und vielleicht auch von Familie zu Familie. Ich habe wunderschöne und schlichte Feier miterlebt, und solche, die ich bloss «überlebt» habe. Auf die letzte Variante möchte ich heute verzichten.

Auszeit der Erwartungen

Muss ich Weihnachten feiern? Natürlich nicht. Weihnachten ist genau das, was wir selbst daraus machen. Viele Leute erleben diese Zeit als eine Last. Warum sollte man sich dann nicht auf den Weg machen, etwas Besseres aus dieser Zeit zu machen? Alibi-Übungen braucht es keine. Ich selbst gehöre zu dieser Gruppe von Menschen, die gerne auf das Konstrukt «Weihnachten» verzichten. Ich bin aber nicht im Krieg mit denjenigen, die ein solches Fest sehr gerne feiern. Problematisch wird es lediglich dort, wo Erwartungen über andere Menschen hinüber gestülpt werden, sich an diesen oder jenen «Norm» anpassen zu müssen. Von diesen Erwartungen nehme ich gerne eine Auszeit.

Fragen zur Vertiefung

  • Wie fühlt sich die Weihnachtszeit für Dich an?
  • Ist es wichtig, Weihnachten zu feiern? Weshalb?
  • Weihnachten ist das wichtigste Fest in der westlichen Kirche. In der östlichen Kirche steht Ostern zentral. Wäre das eine Alternative zu unserer Kultur? Warum?
  • Bist Du frei zu feiern wie Du selbst willst?
  • Was ist Weihnachten für Dich an erster Stelle? (Familienfest, …)