Wörter haben eine Bedeutung. Auch biblische Wörter haben eine Bedeutung. Welche ist aber die Bedeutung eines Wortes im biblischen Kontext? Es kann völlig fehlleiten, wenn wir mit unserem heutigen Verständnis die biblischen Sachverhalte interpretieren. Wir leben in einem anderen Sprachraum, einer anderen Kultur und minimal 2000 Jahre später. Es braucht – wie bei jedem Gespräch oder beim Lesen eines beliebigen Textes – der Wille auch die ursprüngliche Bedeutung zu verstehen. Was hat der Schreiber gemeint? Was haben wohl die Zuhörer damals verstanden?

Durch die Wörter zum Wort

Ich erinnere mich an zwei Studienwochen eines englischen Bibellehrers. Der Titel hiess «Through the words to the Word» – «Durch die Wörter zum Wort». Damit wollte er ausdrücken, dass man ohne Verständnis der Wörter, die in der Bibel genutzt werden, kein Verständnis der Bibel selbst gewinnen kann. Wenn man die Wörter in einem Satz nicht versteht, wie will man den Satz verstehen? Und wenn man die Sätze nicht versteht, wie kann man den Abschnitt oder das Kapitel verstehen?

Bei einem Wortstudium geht es darum, die Bedeutung eines Wortes im biblischen Kontext zu erkennen. Dann kann man erkennen, wie und wo das Wort genutzt wird, und mit welcher Bedeutung das Wort genutzt wird. Man gewinnt einen Einblick in die biblische Verwendung eines Wortes. Geht man alle Bibelstellen nach, wo ein Wort benutzt wird, so sieht man am Schluss dieser Entdeckungsreise, was mit diesem Wort verknüpft wird und was nicht. Häufig führt das zu einem besseren Verständnis.

Ein Kind lernt die Bedeutung neuer Worte dadurch, dass es diese Worte immer wieder in verschiedenen Kontexten hört. Es ist der natürliche Lernprozess. Wenn wir die Bibel anfangen zu lesen und wirklich verstehen möchten, lassen wir uns auf einen ähnlichen Prozess ein. Das ist nicht schwierig, sondern natürlich. Man muss kein Theologe sein, um sich mit Interesse der Bibel zuzuwenden.

Wortstudium

Ein Wortstudium prüft dasselbe Wort in jedem Kontext, wo es in der Bibel vorkommt. Idealerweise geschieht das anhand des ursprünglichen hebräischen oder griechischen Wortes. Wer die Grundtextsprachen nicht mächtig ist, kann auf gute Hilfsmittel zurückgreifen (siehe unten). Heute ist es jedem möglich, sich ein eigenes Bild zu machen. Jeder Kontext gibt etwas der Bedeutung frei. Vielleicht stimmt diese Bedeutung auch mit meinem Verständnis des Wortes überein. Es kann jedoch auch anders sein und ich muss mein Verständnis korrigieren.

Wer sich die Mühe macht, das zu prüfen, gewinnt auf jeden Fall. Entweder stimmt die Bedeutung, und man gewinnt Tiefe durch die Übersicht aller Bibelstellen, oder die Bedeutung widerspricht der biblischen Verwendung, und dann ist es mindestens so bedeutsam. Wieso sollten wir etwas glauben, wofür es keine Grundlage gibt? Ein Wortstudium hilft dabei, die eigene Einsicht zu prüfen und wo nötig zu korrigieren.

Das Wort «Ewigkeit» ist ein anschauliches Beispiel einer problematischen Übersetzung. Die Hebräer kannten kein Wort für «Endlosigkeit». Diese Bedeutung wurde erst Jahrhunderte später hineininterpretiert. Wenn ich nun die Bibel auf diese Begriffe nachschlage, werde ich herausgefordert, die Bibel selbst sprechen zu lassen.

Unweigerlich kommt man zu Bibelstellen, die von einem Ende der aktuellen «Ewigkeit» (Mt 24,3) oder vom «Ende [aller] Ewigkeiten» (1Kor 10,11) sprechen. Es kann natürlich nicht sein, dass dasselbe Wort gleichzeitig Gegensätze wie «Zeit» und «Zeitlosigkeit», oder «Zeitalter» und «Endlosigkeit» ausdrückt. Diese und viele weitere Stellen zwingen uns dazu, das traditionelle Bild einer «endlosen Ewigkeit» zu hinterfragen. Das ist dann kein Verlust, sondern das traditionelle Bild kann mit einem viel interessanteren und besseren Verständnis aus der Bibel ersetzt werden. Man kommt der Bibel einen Schritt näher.

Ein Wortstudium ist keine schnelle Antwort. Die Antworte werden einem nicht abgenommen. Mann muss sich selbst auf den Weg machen. Es ist aber eine Hilfe dazu, verlässliche Antworte zu erhalten. Bei diesen vorher erwähnten Studienwochen, die vor über 30 Jahren an einer Bibelschule in den Niederlanden stattfanden, befasste ich mich selbst bereits mit dem Begriff «Ewigkeit». In einer Kaffeepause sprach ich den Bibellehrer an und fragte ihn danach, was denn die Bedeutung der Wörter für Ewigkeit (hb. olam, gr. aion) war. Seine lakonische Antwort war: «Schlage es nach und finde es heraus!». Der Mann war über 80 Jahre alt. Er war weise. Er wollte den Studenten den Weg zeigen, und sie dazu ermutigen, ihn selbst zu gehen.

Gegen die Willkür

Wer sich konsequent um ein besseres Verständnis biblischer Wörter bemüht, muss sich mit der Willkür der Tradition und so mancher Übersetzung auseinandersetzen – und nicht zuletzt mit den eigenen Gedanken. Willkür tritt dadurch auf, dass man ein Wort einmal mit «Zeitalter/Welt» übersetzt, und ein andermal mit «Ewigkeit». Dort nämlich, wo die Ewigkeit als Endlosigkeit traditionell hineininterpretiert wird, ist man geneigt diese Bedeutung auch wieder herauszulesen.

Eine traditionell geprägte Übersetzung tut dies: Zuerst wird die Bedeutung in den Text hineinprojiziert, die sogenannte Eisegese (Einlegung). Erst darauf folgt dann die Exegese (Auslegung). Immer wieder werden Übersetzungen von traditionellen Vorstellungen geprägt und bilden nicht überall den ursprünglichen Wortlaut oder Bedeutung ab. Ein Wortstudium jedoch möchte die vorschnelle Interpretation und die eigenen Gedanken erst einmal beiseiteschieben, um durch Beobachtung (siehe «Induktives Bibelstudium») ein besseres Verständnis zu erlangen.

Es ist tatsächlich nicht einfach, die eigene Brille abzulegen, um einen unverstellten Blick zu gewinnen. Ein Wortstudium ist immer auch ein Prozess, worin man sich auf die Bibel einlässt. Die Erkenntnis kommt nicht schlagartig, sondern man prüft das eigene Verständnis gegen die Aussagen der Schrift. Ebenso wie wir eine neue Sprache uns nach und nach zu eigen machen, geschieht das auch mit der biblischen Sprache und der Bedeutung der Wörter. Wenn die Bibel in einer Bildsprache der Acker ist, dann ist das Bibelstudium das Pflügen. Bibelstudium an sich ist aber noch nichts. Es ist aber die Grundlage dafür, dass das Verständnis wächst, und eine neue Saat aufgehen kann.

Verwendung einer Konkordanz

In anderen Artikeln wurde bereits auf die Wörter «olam» (hb.) und «aion» (gr.) hingewiesen. Eine online Konkordanz auf Englisch findet sich zum Beispiel hier:

Es gibt gute Konkordanzen auf den Grundtext. Das Konkordante Neue Testament hat etwa eine Konkordanz auf das Griechische integriert. So lässt sich auch bequem in deutscher Sprache zumindest das Neue Testament nachprüfen.

Ein Wortstudium kommt selten allein. Schnell merkt man, dass jedes Wort in einem Verbund mit vielen anderen Wörtern verankert ist. Wer es schafft, mehrere Worte in der Bibel nachzuprüfen, gewinnt bei jedem weiteren Wort mehr Klarheit und Verständnis. Dabei ist diese Arbeit am Text immer auch Selbstreflexion. Was ich selbst nämlich an Gedanken mitbringe, wird hier verglichen mit dem, was die Bibel dazu sagt. In dem Artikel «Die Verlorenheit der Christenheit» ist ein Beispiel dazu aufgelistet. Bevor ich ein Wortstudium über «verloren gehen» gemacht habe, schrieb ich mir in einer Liste alle Gedanken auf, die ich über dieses «verloren gehen» selbst gedacht oder von anderen gehört hatte. Danach kam das Wortstudium und die Korrektur der Gedanken.

Genauso kann es auch mit anderen Begriffen gehen. Es hilft vorab eine klare Frage zu stellen, beispielsweise so:

  • Geht es beim Königreich der Himmel um den Himmel / um das Jenseits?
  • Ist Tod eine andere Form des Lebens?
  • Gibt es einen Unterschied zwischen vergeben, gerechtfertigt werden, sühnen, versöhnen und aussöhnen? Welchen?
  • Hoffst Du noch oder erwartest Du schon?
  • Jesus spricht von Nachfolgen, Paulus von Nachahmen – warum?
  • Usw.

Wenn man anschliessend alle Bibelstellen nachschlägt, die von einem Wort oder eines Ausdrucks sprechen, können solche Fragen geklärt werden. Wenn die eigenen Gedanken nicht zutreffen, werden andere Aussagen erkannt. Die Bibel ist nicht endlos gross. Jede Frage hat also eine begrenzte Anzahl Bibelstellen, die man nachschlagen kann. Daraus lässt sich (mal besser, mal weniger gut) einen Zusammenhang erkennen. Das ist dann die Aussage der Bibel zu diesem oder jenem Thema. Sobald das Textmaterial gesichtet ist, lässt sich das Gelesene im jeweils eigenen Kontext interpretieren. Dann kommt man der Bedeutung viel näher. Es wächst ein biblisch begründbares Verständnis.

Ein Wortstudium hilft dabei, die Bibel differenzierter zu lesen.