Die Apostelgeschichte wird oft bloss als «Erzählung» eingeschätzt, so etwas wie ein Roadmovie aus dem ersten Jahrhundert. Das Buch jedoch erfüllt eine Schlüsselrolle im Neuen Testament. Es beschreibt die Auseinandersetzungen unter den Aposteln und die Entwicklung der ersten Gemeinden. Einerseits ist das die Gemeinde in Jerusalem, mit den 12 Aposteln, andererseits jedoch auch etwas ganz Neues, nämlich eine Gemeinde aus allen Nationen, durch die Berufung und Arbeit eines neuen Apostels, Paulus.

Nichts scheint, wie es war

Die Realität der ersten Wochen nach Jesu Himmelfahrt war geprägt von extremen Erfahrungen: Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu. Es war Unglaubliches geschehen. Die Apostel verstanden sich selbst nun als «Zeugen der Auferstehung» (Apg 1,22) und nicht mehr nur als «Verkündiger vom Evangelium des Königreichs» (Mt 10,1-7). Die Apostelgeschichte beschreibt, wie es weiterging. Es gab ein «vor dem Kreuz» und es gibt ein «nach der Auferstehung». Die Apostelgeschichte steht am richtigen Ort, nämlich zwischen den Evangelien und den Briefen.

Plötzlich war Jesus nicht mehr da und sowohl die Apostel wie die Gemeinde mussten sich mit einer neuen Situation auseinandersetzen. Das geschah nicht ganz reibungslos. Insbesondere das Auftreten eines neuen, 13. Apostels, Paulus von Tarsus, war Anlass zu grossen Änderungen. Er erhielt eine spezielle Berufung und machte sich auf den Weg zu neuen Horizonten. Paulus erfuhr, dass die Nationen für eine Botschaft der Gnade empfänglich waren.

Für die 12 Apostel war es undenkbar, dass Nichtjuden Zugang zu dieser messianischen Erwartung von Israel erhielten. Petrus musste mit Visionen mühsam dazu bewogen werden, mit einem Nichtjuden in Kontakt zu treten. Dieser Kornelius war jedoch nicht einfach ein Nichtjude, sondern er war ein Proselyten, jemand, der dem Judentum sehr nahestand. Für Petrus war bereits dies ein Problem, zu dem er besondere Erlebnisse machen musste, damit er sich auf diesen Kornelius einliess. Er war damit so fortschrittlich, dass er von den anderen Juden aus der Jerusalemer Gemeinde straffen Gegenwind erfuhr.

Die Berufung von Paulus

Paulus wurde von Gott berufen, damit etwas Neues geschehen konnte. Er spricht mehrfach über «sein» Evangelium und berichtet von «Geheimnissen», die er nun offenbaren sollte. Wir sollten das nicht unterschätzen, denn er sprach von anderen Dingen als die 12 Aposteln. Paulus spricht auch andere Dinge an als Jesus in den Evangelien (siehe diesen Beitrag). Er wurde direkt von Jesus Christus gelehrt und seine Verkündigung spricht nicht einfach von den gleichen Dingen wie die 12 das verinnerlicht hatten.

Die 12 Apostel erhielten von Jesus einen «Missionsbefehl», aber sie haben den nie umgesetzt. Paulus jedoch geht hinaus zu den Nationen, aber er macht keine Mission im Sinne, wie es Jesus den 12 gesagt hatte. Paulus missioniert keine Völker und lehrt sie auch nicht Gebote zu halten, wie es die 12 als Auftrag erhielten (Mt 28,19-20). Diese erste Zeit war demnach sehr spannend. Hier geschah etwas Neues!

Diese Differenzierung ist wenig bekannt. Viele Christen meinen, dass das ganze Neue Testament von Jesus spricht, und deshalb alles von der heutigen Gemeinde spricht. Das ist jedoch ein Kurzschluss. Wer aufmerksam mit der Geschichte mitliest, der entdeckt, dass Jesus und die 12 Apostel sich ausschliesslich mit der Erwartung von Israel beschäftigt haben. In diesen Vorstellungen gab es keine Kirche, wie wir die heute kennen. Das ändert sich erst, wenn Paulus berufen wird. Nur er wird «Apostel der Nationen» genannt. Paulus allein spricht von der Gemeinde als von dem «Körper Christi». Die 12 jedoch ändern den Kurs nicht. Sie stehen nach wie vor in der Erwartung der Verheissungen für Israel. Nur Paulus spricht davon, dass man ohne Vermittlung des Volkes Israels direkten geistlichen Zugang zu Gott haben kann (Eph 2,18). Das war umwerfend neu. Nun entstand eine zweite Gemeinde, die heutige Gemeinde, der Körper Christi. Sie entstand parallel zur Jerusalemer Gemeinde. Dies lässt sich in der Apostelgeschichte nachverfolgen.

Welche Entwicklung gibt es im Neuen Testament?

Nach dem Himmelfahrt Jesu setzte eine Entwicklung ein, die durch vielseitige Auseinandersetzungen geprägt war. Folgende Fragen tauchten auf:

  • Was geschah mit der Erwartung des messianischen Königreichs?
  • Was war nun mit Israel?
  • Wie können die Nationen nun plötzlich glauben?
  • Weshalb mussten die Nationen keine Proselyten mehr werden?
  • Sollten die Nationen-Gläubige nicht auch das Gesetz des Mose halten?
  • Warum war ein 13. Apostel notwendig?
  • Warum sind die 12 Apostel nie zu den Nationen ausgegangen?
  • Erkläre die Unterschiede zwischen der Jerusalemer Gemeinde und den Gemeinden unter den Nationen
  • Warum hat Paulus «Geheimnisse» offenbart? Spricht er von anderen Dingen als die 12 Apostel?

Diese und weitere Fragen bewegten den Aposteln in dieser ersten Zeit. Die Auseinandersetzung bewusst wahrzunehmen hilft dabei, das Neue Testament sich selbst erklären zu lassen. Es ist eine spannende Geschichte, die gemeinsam entdeckt werden kann.

Arbeitsblätter Apostelgeschichte

Die «Arbeitsblätter Apostelgeschichte» sind 5 Blätter für das eigene oder das gemeinsame Bibelstudium. Das Ziel der Arbeitsblätter ist, dass man intensiver mit diesem Buch auseinandersetzt und sich über die Änderungen in der Geschichte bewusst wird. Als Einstieg kann es aufzeigen, dass das Neue Testament kein Eintopfgericht ist. Die Apostel haben sich mit ganz unterschiedlichen Themen auseinandersetzen müssen und viele Antworte entwickelten sich erst mit der Zeit.

Die Arbeitsblätter bieten keine fix fertige Antworte, sondern laden dazu ein, sich selbst mit der Schrift auseinanderzusetzen. Es ist so etwas wie eine erste Bekanntmachung mit der Apostelgeschichte. Tauchen dabei weitere Fragen auf, dann ist man bereits mitten im Geschehen – die Apostelgeschichte beschreibt eine Übergangszeit, worin alle Beteiligten wesentliche Fragen stellen mussten, um damit weiterzukommen.

Die Arbeitsblätter sind auf Deutsch. Die PDF-Dateien lassen sich einfach ausdrucken.