Die Geschichte von Paulus lässt sich gut als erweitertes Beispiel für die Geschichte von Hiob lesen. Am Leben von Paulus wird sichtbar, wie Gott in der Zeit wirkt. Paulus hat Gottes Handeln in seinem eigenen Leben erfahren. Davon berichtet er, und das liest sich äusserst spannend.

Paulus’ Erfahrung

Im Römerbrief, mitten in einem Abschnitt über Gottes Handeln in der Zeit, schreibt Paulus:

«Wie unergründlich sind seine Gerichte, und wie unausforschlich seine Wege!»
Röm 11,33

Bestimmt schreibt Paulus nicht nur über Gott, sondern schreibt auch aus seiner eigenen Erfahrung heraus. Gott hat im Leben von Paulus wichtige Spuren hinterlassen. Sein eigener Lebenslauf muss ihm in mancher Hinsicht rätselhaft vergekommen sein. Denn Gottes Handeln mit ihm fängt schon vor seiner Geburt an. Im Galaterbrief schreibt der Apostel:

«Als es aber Gott, der mich vom Mutterleib an ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohl gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn durch das Evangelium unter den Heiden verkündigte …»

Gal 1,15-16

Hier lernen wir, dass Gott Paulus bereits «vom Mutterleib an abgesondert» hat, und zwar für eine spätere Aufgabe. Die kommt jedoch erst viel später. Paulus verfolgt nämlich zuerst die Gemeinde (Apg 7,58, Apg 8,1-3, Apg 9,1-2) und er war ein «Lästerer und Verfolger und Frevler» (1Tim 1,13). Solange nämlich, bis es Gott «wohl gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren» (Gal 1,15-16). Das ist ein erstaunlicher Bericht und Zusammenhang, der zeigt, dass Gott Paulus zwar auserkoren, aber doch noch lange hat gewähren lassen. Bis es genug war. Bis es Zeit war.

Ein Verständnis für Gottes Wege benötigt Zeit

An Timotheus schreibt Paulus:

«Und darum danke ich dem, der mir Kraft verliehen hat, Christus Jesus, unserem Herrn, daß er mich treu erachtet und in den Dienst eingesetzt hat, der ich zuvor ein Lästerer und Verfolger und Frevler war. Aber mir ist Erbarmung widerfahren, weil ich es unwissend im Unglauben getan habe. Und die Gnade unseres Herrn wurde über alle Massen gross samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist. Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, von denen ich der grösste bin. Aber darum ist mir Erbarmung widerfahren, damit an mir zuerst Jesus Christus alle Langmut erzeige, zum Vorbild für die, die künftig an ihn glauben würden zum ewigen Leben.»

1Tim 1,12-16

«Aber darum ist mir Erbarmung widerfahren …» Paulus ist alles andere als stolz auf seine «Karriere», aber er weiss, wohin alle diese Erfahrungen und Gottes Gnade führen sollten: Er sollte zum Vorbild werden für, die nach ihm an Christus glauben sollten.

Ob Paulus oder Hiob – die Wege Gottes und Seine Barmherzigkeit erfahren die Männer erst nach langen, schwierigen Jahren. Das muss natürlich nicht immer so sein, aber es sollte uns nicht wundern, wenn wir selbst so manches erleben, bevor Gott in unser Herz hineinspricht. Paulus hat dadurch etwas von Gottes Handeln besonders tief kennengelernt, nämlich Seine «Gnade», die nirgendwo in der Bibel deutlicher hervortritt als in den Briefen von Paulus.

Fragen zum Austausch

  • Können wir aus eigener Erfahrung sagen, dass manches erst mit der Zeit klar wird oder gelöst wird?
  • Wie wäre es, wenn manches in unserem Leben gar nicht gelöst wird?
  • Gibt es Sachen, wofür es sich lohnt, sich hier und jetzt einzusetzen, damit eine Lösung kommt? Und was dabei können wir Gott getrost überlassen?
  • Kannst Du zwei Bibeltexte nennen, woraus hervorgeht, dass Gott sein Ziel erreicht? Vertraust Du die Aussagen?
  • Lese und diskutiere: Römer 8,18, Römer 8,28 (am besten im Kontext lesen).
  • Lese und diskutiere den folgenden Text von Dietrich Bonhoeffer:
    «Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen [vgl. Rö 8,28]. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.»
    Quelle: Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 8, Seite 30ff (via Wikipedia).