Gibt es so etwas wie einen Schlüssel zu einem besseren Verständnis des Neuen Testaments? Ja, solche Schlüssel gibt es. In diesem Beitrag geht es um einige «Grundgedanken» über das Neue Testament. Sie haben sich bei vielen Menschen bewährt, die ein besseres Verständnis des Neuen Testaments gewinnen möchten. Es sind einfache Dinge, die man beim Lesen der Bibel bedenken kann. Damit wird es einfacher, den «roten Faden» aufzugreifen.

Die Bibel mit neuen Augen lesen

Es gibt (ganz grob betrachtet) zwei Gruppen von Menschen, die die Bibel neu zu lesen beginnen:

  1. Die Bibel ist «irgendwie bekannt»
    Dies sind etwa Menschen, die in Kirchen oder Freikirchen aufgewachsen sind und die Bibel jetzt mit neuen Augen lesen möchten.
  2. Die Bibel ist unbekannt
    Es gibt eine stetig wachsende Gruppe von Menschen, die kaum noch etwas aus der Bibel kennen. Man hat zwar über die Bibel gehört, kennt aber die Geschichten nicht. Man möchte die Bibel gerne kennenlernen.

Was immer die Gründe sind, womit man die Bibel anfängt zu lesen, der erste Schritt ist immer, die Bibel wirklich zu lesen anzufangen. Also, los geht’s! Greife das Buch, lese es und lese es regelmässig.

Besonders hilfreich ist es beim Lesen der Bibel, wenn man fortlaufend liest, also keine einzelnen Bibelstellen herauspickt, die einem besonders zusagen. Nur im fortlaufenden Lesen entdeckt man Zusammenhänge. Auch wenn das immer wieder langweilig erscheint (es sei denn, man steht auf Geschlechtsregister), so erscheinen dieselben Namen und Gedanken immer wieder. Dass die Bibel einen inneren Zusammenhang aufweist, lässt sich nur selbst entdecken.

Egal, wie Deine Ausgangslage ist – die Bibel lässt sich mit Gewinn lesen.

Schauen wir uns jedoch noch kurz diese unterschiedlichen Ausgangslagen an. Wie Du mit der Bibel umgehst, ist wahrscheinlich sehr individuell und möglich von einem der genannten zwei Ausgangslagen geprägt.

Die Bibel ist «irgendwie bekannt»

Wer in seiner Kindheit eine bestimmte «Sicht» auf die Bibel erhielt, kann das als Vorteil oder als Nachteil empfinden. Fakt ist jedoch, dass wir fast alle mit bestimmten Annahmen und Erwartungen an die Bibel herantreten. Das gilt auch für das Neue Testament. Möchten wir das Neue Testament besser verstehen, wäre es sinnvoll, wenn wir nicht von vornherein Ideen über die Bibel hinüber stülpen. Bist Du frustriert über die Erfahrungen aus der Vergangenheit? Dann versuche etwas Distanz zu nehmen. Versuche zu lesen, als liessest Du die Bibel zum ersten Mal. «Sei ein Tourist im eigenen Lande.»

Der Punkt, an dem Christen anfangen, kritisch über die eigenen Sichtweisen nachzudenken, können unterschiedlicher nicht sein. Manche stolpern über bestimmte Ansichten. Immer wieder begegne ich Menschen, die sagten, in der eigenen Kirche kaum etwas über die Bibel gehört zu haben. Nicht selten beginnt eine Neuorientierung durch eigene Erlebnisse, die mit der verinnerlichten Sichtweise nicht verarbeitet werden können. Andere haben die jugendlichen Erfahrungen vergessen, und wachen eines Tages auf, mit dem Wunsch, die Bibel wieder in die Hand zu nehmen. Nochmals andere stellen fest, dass die Ideen, die von der Kanzel gepredigt werden, oft gar nicht mit den zitierten Bibelstellen übereinstimmen. Alle diese Menschen wünschen sich häufig einen Neustart. Ebenso wie man als Mensch «erwachsen wird», kann man auch im persönlichen Glauben «erwachsen werden». Verschiedene Bibelschreiber legen sogar besonderen Wert darauf.

«Sei ein Tourist im eigenen Lande.»

Ich selbst gehöre zu dieser Gruppe. Mein Weg zu einem besseren Verständnis war so, dass ich die Bibel erneut habe anfangen zu lesen, aber mit einem kritischen Blick zu meinen bisherigen Annahmen. Was ich dann entdeckt habe, war einem Neuanfang gleich. Allerdings: Nicht jeder steht an diesem Ort. Deshalb jetzt noch einen Blick in die zweite Gruppe.

Die Bibel ist unbekannt

Eine wachsende Anzahl Menschen kennt die Bibel nicht. Wir leben in einem post-christlichen Zeitalter. Die Selbstverständlichkeit einer Kirchenzugehörigkeit, geschweige denn ein Verständnis der Bibel, gibt es schon lange nicht mehr. Deswegen wachsen viele Menschen ohne irgendwelchen Bezug zur Bibel auf.

In dieser Situation sind oft weder Kirchen noch Freikirchen sehr hilfreich. Wer nicht in die Form der jeweiligen Gemeinschaft hineinpasst, der ist oft nicht willkommen. Oder anders gesagt: Wer Fragen ausserhalb vom Konsens hat, überfordert die Gemeinschaft. Hinzu kommt, dass oft eine bestimmte Frömmigkeit (oder: Distanziertheit) gepflegt wird, die nicht jeder von ausserhalb der Kirche unbedingt für sich aktivieren will.

«Aber ich will nicht fromm werden, noch will ich zu einer dieser seltsamen Kirchen gehören».

Wer sich nun zum ersten Mal mit der Bibel auseinandersetzt, steht deshalb vor einer speziellen Aufgabe. Wie kann ich dieses Buch verstehen lernen und wo finde ich Menschen, die einen solchen Weg mit mir gehen möchten? Nicht wenige Menschen fügen hinzu: «Aber ich will nicht fromm werden, noch will ich zu einer dieser seltsamen Kirchen gehören».

Persönlich finde ich eine solche Ausgangslage ein Vorteil – man hat keine christliche Prägung und kann sich deshalb sofort um die eigenen Anliegen kümmern. Es ist leichter, die Essenz zu erfassen, wenn man nicht zuvor viele Schichten religiöser Prägung abstreifen muss.

Das Neue Testament in Stichworten

In diesem Beitrag geht es um ein paar solcher Gedanken und Ansätze, womit man selbst das Neue Testament mit Gewinn lesen kann. Zwei Fragen gibt es:

  • Warum geht es?
  • Warum geht es nicht?

Beides ist wichtig. Wir sollten einerseits lernen zu erkennen, worüber die Bibel schreibt, und andererseits vermeiden, dass wir eigene Projektionen auf die Bibel machen, die für das Verständnis nicht hilfreich sind.

Die folgende Ausführung ist stichwortartig. Nicht alles wird beschrieben. Diese Begriffe jedoch und diese Gedanken beschreiben wesentliche Themen des Neuen Testaments. Wenn man anfängt, das Neue Testament zu lesen, wird es einfacher sein, den «roten Faden» zu erkennen. Das ist ein Schnellstart und trotzdem erst der Anfang.

Warum geht es?

  1. Das Neue Testament
    Das Neue Testament ist der zweite Teil der «christlichen Bibel» und entstand im ersten Jahrhundert. Es ist das aufgeschriebene Zeugnis von all dem, was Jesus getan hat und was seine Nachfolger und Nachahmer in dieser Zeit aufgebaut haben. Das Neue Testament umfasst Beschreibungen vom Leben von Jesus (die Evangelien oder Berichte), die Apostelgeschichte (oder: wie es weiterging, als Jesus nicht mehr da war), Briefe und ein prophetisches Buch (die Offenbarung an Johannes).
  2. Das Alte Testament
    Es gibt kein Neues Testament ohne Altes Testament. Sie hängen zusammen. Das «Alt» und «Neu» gaukelt uns vor, das eine sei vorbei und das andere gilt jetzt. So einfach ist das aber nicht. Möchte ich das Neue Testament verstehen, dann geht das nicht ohne ein Verständnis für das Alte Testament (Tenach) und was dort geschrieben ist. Es ist eine fortlaufende Entwicklung. Auf Schritt und Tritt verweist das Neue Testament auf das Alte Testament. Bedenken wir auch, dass Jesus, die Apostel und alle Schreiber des Neuen Testaments alle Juden waren, die nur das «Alte Testament» (die Tenach) als Bibel kannten.
  3. Jesus Christus
    Es geht im Neuen Testament um eine Person. Es geht um Jesus von Nazareth, geboren in Bethlehem, gekreuzigt, gestorben und begraben und am dritten Tag auferweckt und lebendig gemacht. Das wird bezeugt. Seine Jünger und die späteren Apostel werden «Zeugen seiner Auferstehung». Das begründet Hoffnung und Erwartung und wird als das Handeln Gottes in dieser Welt gesehen.
  4. Die Gemeinde
    Die Nachfolger und spätere Nachahmer von Christus Jesus sind eine Glaubensgemeinschaft. Es sind Menschen, die sich von Gott berufen sehen und mit ihrem Leben auf die frohe Botschaft geantwortet haben. Zwei besondere Arten von Gemeinde haben sich im Neuen Testament herausgebildet: Es gibt eine Gruppe glaubende Juden, vor allem in Israel, die mit den 12 Aposteln die Erfüllung der Verheissungen an Israel erwarten. Etwas später wird ein 13. Apostel berufen, Paulus, der als «Apostel der Nationen» die heutige weltweite Kirche aus allen Nationen herausruft. Zwei Gemeinden, von dem vor allem die letzte Gemeinde in den vergangenen 2000 Jahre Bedeutung gewann.
  5. Israel
    In den sogenannten Evangelien spricht Jesus zu Israel (Mt 15,24). Seine Aufgabe war es, die Verheissungen an die Propheten von Israel zu bestätigen (Röm 15,8). Die Predigt war «Das Königreich der Himmel ist nahe gekommen!». Dieses messianische Reich wartete auf die Zustimmung des Volkes, die aber nicht eintraf. Mehrfach wurde dieses Königreich dem Volk angeboten (Apg 2,36), jedoch stets abgelehnt. Danach gab es die Arbeit des Apostels Paulus, jedoch nicht ohne Erwartung für Israel (Röm 11,25-27).
  6. Gottes Wirken
    Zentral in allen diesen Dingen ist die Erkenntnis, dass Gott in diese Welt hinein wirkt. Er ist der Schöpfer, auch der Erhalter dieser Welt. Paulus erklärt an verschiedenen Orten, dass Gott dies durch Jesus Christus tat und tut (Apg 17,24-31, Kol 1,15-20). In der Bibel ist die Rede von Gott, der sich selbst dem Menschen offenbart, ihn begegnet und der mit dieser Welt etwas vorhat. Gottes Wirken wird sichtbar in allen vorher genannten Themen.
  7. Erlösung
    Jeder Mensch sieht sich in diesem Leben zwei Probleme gegenübergestellt. Diese Probleme sind seine Sterblichkeit (Tod) und sein Unvermögen, alles richtigzumachen (Zielverfehlung oder Sünde). Sünde und Tod (oder: Zielverfehlung und Sterblichkeit) haften uns alle an. Das ist eine nüchterne und völlig wertfreie Feststellung. Die Bibel nun spricht darüber, wie Gott dafür zwei Lösungen bereitstellt. Der Tod wird einmal durch Leben ersetzt (1Kor 15,22, 2Tim 1,9-10). Die Zielverfehlung wird durch Gottes eigene Gerechtigkeit ersetzt. Das ist Gottes Wirken in dieser Welt, bis hin zum Ziel, worin Er «Alles in allen» sein wird (1Kor 15,28). Diese Lösung nennt man Erlösung. Das ist eine frohe Botschaft. Wer auf dieses Wirken Gottes vertraut, der glaubt.

Selbstverständlich geht es noch um viele weitere Dinge im Neuen Testament. Diese hier markieren jedoch zentrale Themen.

Warum geht es nicht?

  1. Es geht nicht um mich
    Die Bibel berichtet an erster Stelle von Gott. Auch Jesus bezeugt Gott. Gottes Wirken ist jedoch «durch Jesus Christus». Gott sieht uns «in Christus» an. Gott hat Frieden mit Dir und mir gemacht und lädt uns ein, uns nun mit Ihm versöhnen zu lassen (2Kor 5,14-21). Hier ist also der Unterschied: Die Bibel spricht nicht von mir, sondern von Gottes Wirken. Diese Aussagen betreffen mich jedoch und ich kann darauf mit meinem Leben antworten.
  2. Es geht nicht nur um einige «gute Gedanken»
    Das Neue Testament ist nicht bloss Ethik. Es ist keine Ansammlung von Lebensregeln. Vielmehr geht es um die Realität dieser Welt und wie eine Antwort darauf aussehen könnte. Das ist nicht ohne Gott. Das Zeugnis der Bibel spricht gerade von Gott. Gott spricht in diese Welt hinein. Er wirkt durch Christus seine «Erlösung». Er ruft Menschen, die dadurch Teil seines Wirkens werden. Jeder, der auf diesen Ruf antwortet, wechselt nicht einfach das Lager (wie es manche darstellen), sondern wird in diesem Handeln Gottes eingebunden. Berufung ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Ziel. Es geht also nicht nur um ein paar spirituelle Gedanken und Gefühle, sondern um einen konkreten Ausblick, der die Welt einschliesst.
  3. Es geht nicht um Kirchen
    Es kann nicht genug betont werden, aber es geht in der Bibel nirgendwo um Institutionen. So gerne Menschen auch die Kirchen oder ihre eigene Gruppe in das Zentrum rücken, es geht in der Bibel nie um diese Gruppen. Nach der Bibel steht immer Gott selbst zentral, der durch seinen Sohn wirkt. Wir sind Geladene zum Fest.
  4. Es geht nicht um Regeln
    Die Bibel kennt viele Regeln. Sie sind oft wirklich sinnvoll, was nicht bezweifelt wird. Allerdings sagt der Apostel Paulus auch, dass das Gesetz bloss dazu gegeben wurde, um uns Menschen aufzuzeigen, dass es trotzdem nicht funktioniert (Röm 3,19-20). Es besteht der Bibel nach also keine «Rettung durch Regeln». Darin ist die Bibel ausserordentlich nüchtern. Paulus macht klar, dass wir durch Gnade gerettet sind, nicht durch eigene Anstrengung (Eph 2,8-9).
  5. Sind alle Religionen gleich?
    Nein. Alle Religionen befassen sich zwar mit denselben Grundfragen (Tod, Leiden, Unzulänglichkeit des Menschen), jedoch gibt es durchaus verschiedene Antworte darauf. Die Antwort der Bibel ist im Vergleich einmalig und umfassend. Es lohnt sich deshalb, sich auf die Aussagen der Bibel einzulassen und diese näher zu betrachten.
  6. Ideologische Prägungen treffen nicht zu
    Die Bibel wird auch gerne für alle möglichen Ideologien genutzt. Wer schon fixe Ideen im Kopf hat, wie die Bibel sein soll oder wie sie «ist», kann sich auf Widersprüche mit dem Buch selbst gefasst machen. Wer die Bibel jedoch einfach mal als Text sieht, der vor vielen Jahrtausenden von Menschen geschrieben wurde, kann beim Lesen von Gottes Geist und Wirken berührt werden (2Tim 3,15-16). Seit ebenso vielen Jahren haben Menschen die Botschaft der Bibel als transformierend für das eigene Denken und Leben erfahren. Sie sind zu Glaubenden, zu Vertrauenden, geworden.

Geschichten

Vieles in der Bibel wird als Geschichte beschrieben. Anhand der Geschichten können wir selbst auf unser Leben reflektieren. Ebenso können wir an den Berichten erkennen, wie Menschen mit ihrem Gott gelebt haben. Geschichten haben die Kraft, uns Zusammenhänge deutlich zu machen. So können wir sie uns leichter zu eigen machen.

Der Start ist jetzt gemacht. Ein paar Grundgedanken wurden genannt. Nun geht es darum, sich die biblischen Geschichten so zu überlegen, dass sie eine Bedeutung für Deine eigene Lebensgeschichte erhalten. Die eigene Geschichte wird geschrieben, in dem Masse, wie wir Beziehungen Teil unserer Geschichte sein lassen. Die Bibel bietet über die Geschichten Einblick in Begegnungen und spricht in Konsequenz von der Begegnung mit Gott.

Vertiefung

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