Reisen Sie gerne? Im Urlaub bin ich meist aktiv unterwegs. Reisen ist etwas Gutes und Schönes. Ich freue mich unterwegs viele Menschen zu treffen. Oft sind es nur kurze Begegnungen, am Strassenrand, vielleicht ein paar Worte im Supermarkt, ein Gespräch auf dem Zeltplatz, am Flughafen, am Tisch beim Frühstück. Ich muss öfter mal den Weg fragen und nutze die Gelegenheit, mit anderen ins Gespräch zu kommen.

Ziele erfassen

«Wohin geht’s denn?» ist ein guter Einstieg für eine solche Begegnung. Die Frage informiert nach dem Ziel der Reise. So kann man Anteil nehmen am Gegenüber. Wenn dieser darauf eingeht, gibt es immer wieder mal ein anregendes Gespräch. Mehrheitlich ist es nichts Tiefgründiges, aber es schafft eine kurze Verbindung. Ich höre von Zielen und grossen Träumen («Wir radeln jetzt über die Alpen.»), die mit kleinen Schritten realisiert werden. Offenbar ist es schön, ein Ziel vor Augen zu haben, sich bewusst auf den Weg zu machen.

Ein Ziel zu haben ist nicht nur schön. Es scheint auch ganz gesund zu sein, sich selbst Ziele zu setzen und danach zu handeln. Entwicklung ist eines der Dinge, die uns in diesem Leben geschenkt sind. Wenn wir Entwicklung als Gutes und Wertvolles erfahren haben, fällt es leichter, sich wieder auf den Weg zu machen. Dann kann richtig Reisefieber aufkommen.

Ziele setzen

Als Christ frage ich mich auch: Hat Gott denn ein Ziel vor Augen? Und wie handelt Er, damit Er Sein Ziel erreicht? Das ist keine nebensächliche Frage. Denn entweder handelt Gott in dieser Welt, oder er handelt nicht. Das soll ja nicht ohne Folgen bleiben. Das hat nicht bloss mit meinem Christsein zu tun, sondern es berührt mein Menschsein, meine Existenz hier in dieser Welt. Ich habe mir die Fragen nach dem «woher?», «wieso?» und «wohin?» schon lange gestellt, lange bevor ich mich als Christ erkannte. Es ist vielmehr so, dass diese Fragen mich selbst auf die Reise geschickt haben, auf der Suche nach Antworten, bis ich bei der Bibel, und dann beim Gott der Bibel angelangt bin. Dann aber habe ich die Fragen noch einmal gestellt, und bin ein weiteres Mal auf die Reise gegangen, jetzt aber in der Bibel.

Weltbild, Menschenbild und Gottesbild gehören zusammen. Eines lässt sich nicht ohne den anderen anpassen. Diese drei stehen in Beziehung zueinander. Und welchen Gott ich habe, bestimmt auch mein Weltbild und meine Welt. Dasselbe gilt von der Beantwortung der Frage, ob Gott denn in dieser Welt aktiv ist, und so ja, in welcher Art? Entweder erkenne ich Gottes Handeln in dieser Welt und in dieser Zeit, oder ich erkenne es nicht – und meine womöglich, die Welt sei steuerlos und ziellos unterwegs. Wie immer auch meine Wahrnehmung sein wird, sie wird meine Erwartung und meine Zuversicht im Hier und Jetzt prägen.

Bei den Begegnungen im Urlaub wird vielleicht von unbekannten Zielen, über andere Länder und ferne Destinationen berichtet. Vielleicht sind es Ziele, die ich selbst noch nie besucht habe. Deshalb sind diese Länder aber nicht weniger reell. Es ist jedoch die Erfahrung, die ich machen durfte (Reisen, die Erfahrung der Zeit, die Begegnung mit Menschen und das Besuchen anderer Länder), die mir annehmen lässt, dass die mir erzählten Geschichten wahr sind.

So lese ich auch die Bibel. Es lässt Raum für Begegnung und Erfüllung.

Reisefieber

Freilich, eine Erwartung, die man bereits sieht, ist keine Erwartung (Röm 8,24 gr. elpis). Erwartung ist vielmehr, was der Ackerbauer erfährt, wenn er «auf Erwartung hin» seine Felder bestellt (1Kor 9,10). Auch wenn er nicht sofort das Resultat sieht, so weiss der Bauer, dass sich der Einsatz lohnt. Die Erwartung ist die sichere Annahme, dass sich etwas erfüllen wird, es ist also keine unbestimmte Vorahnung oder blosse Hoffnung (gr. prosdokia, wie in Apg 12,11). Erwartung basiert auf Zusage oder Erfahrung.

Erwartung gehört zu den drei bleibenden Dingen (1Kor 13,13). Auch hier geht es nicht um eine unsichere Hoffnung, sondern um das Vertrauen auf verlässliche Zusagen. Erwartung ist eine Lebenshaltung. Sie gehört zu den Merkmalen der Gemeinde in Thessaloniki, von denen Paulus schrieb:

«Wir danken Gott allezeit für euch alle, indem wir euch in unseren Gebeten erwähnen. Unablässig gedenken wir dabei vor unserem Gott und Vater eurer Arbeit im Glauben, eures Mühens in der Liebe und eurer Beharrlichkeit in der Erwartung unseres Herrn Jesus Christus.»
1Thess 1,3

Diese drei Dinge prägen eine Lebenshaltung, die von Gottes Liebe und Seinen Zusagen getragen ist. Die Anstrengung ist voller Vertrauen, das Mühen darf der Liebe gelten und die Beharrlichkeit spricht vom Ausharren in der Erwartung und in Zuversicht. In Erwartung zu leben, ist keine theoretische oder abstrakte Sache. Es ist in letzter Konsequenz die Erwartung von Beziehung, wie Paulus seinem Mitarbeiter Timotheus schreibt:

«Jesus Christus, unsere Erwartung»
1Tim 1,1

Wer in Erwartung lebt, lebt in einer Art Reisefieber. Das Hier und Jetzt wird angenommen, so wie der Weg, der Zug, das Flugzeug zum Reisen gehören. Aber wir sind auch unterwegs, laufen auf ein Ziel zu, leben auf eine Begegnung und Erfüllung hin. Das heiligt den Tag, die Beziehungen, die Arbeit. Wer in Erwartung lebt, steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Realität, freut sich also an der Reise, hat aber gerade darin ein Ziel vor Augen.

Anregungen zum Gespräch

  • Gibt es für Dich einen Unterschied zwischen: «Ich hoffe, dass er morgen kommt» oder «ich erwarte, dass er morgen kommt»? Welchen?
  • Ist es gut oder wünschenswert «in Erwartung» zu leben? Weshalb – oder weshalb nicht?
  • Bei einem gesunden Gottesbild: wie dürfte Erwartung geprägt sein? Entspricht das Deinem eigenen Erleben?
  • Wenn Du die genannten Bibelstellen in Deiner Bibel nachschlägst, wie wird es dort übersetzt? (zu den Wörtern «Hoffnung» und «Erwartung» gäbe es noch einiges zu sagen.)
  • Lese und bespreche Röm 8,18-25. Steht darin auch etwas von Gottes Ziel? Wie sieht Paulus die Situation jetzt?