Was ist Sünde? In der Bibel wird der Begriff Sünde dazu genutzt, das Gegenteil von «Ziel erreichen» zu beschreiben. Das kann in moralischer Hinsicht sein. Deutlich wird der Begriff vor allem in ganz alltäglichen Situationen.

Sünde ist ein Konzept

Im Buch Josua lesen wir von seiner Armee, in der es eine Spezialeinheit gab:

«Unter diesem ganzen Kriegsvolk waren 700 auserlesene Männer, die Linkshänder waren. Diese alle schleuderten mit dem Stein aufs Haar genau und verfehlten ihr Ziel nie.»
Ri 20,16

Diese Männer «verfehlten ihr Ziel nie». Das hebräische Wort (hb. chatah), welches hier mit Zielverfehlen wiedergegeben wird, liest man anderswo als «sündigen». Sie sündigten nicht. Sie verfehlten Ihr Ziel nicht. Jeff Benner verweist im Ancient Hebrew Lexicon of the Bible auf den verwandten Wortstamm für «Schnur» (hb. Chuth). Eine Schnur wird nicht nur zum Schnüren, sondern auch zum Vermessen genutzt. So lässt sich mit einer Schnur die Distanz oder auch die Abweichung messen. So kennen wir den deutschen Begriff «Richtschnur», eine Vorgabe auf ein Ziel hin. Sündigen nun ist das Verfehlen dieses Ziels.

In den Sprüchen lesen wir Folgendes:

«Und wer mit den Füssen hastig ist, tritt fehl.»
Spr 19,2

An dieser Stelle könnte man schreiben «wer mit den Füssen hastig ist, der sündigt». Dasselbe hebräische Wort chatah wird auch hier genutzt. Wer zu schnell ist, der tritt daneben. Ist man zu schnell, dann stolpert man. Auch hier wird das Ziel verfehlt (den Fuss richtig hinzustellen).

Diese Grundbedeutung wird in vielen Situationen in übertragenem Sinne genutzt. Zielverfehlung ist ein Grundproblem. Die Auswirkung jedoch kann ganz verschieden sein. Sünde ist also nicht etwas Bestimmtes (Schokolade essen, Sexualität, usw.), sondern es ist ein Konzept.

Sünde ist eine Mangelerscheinung

Sünde ist ein Konzept, aber auch eine Mangelerscheinung. Das wird besonders dann klar, wenn wir uns selbst zum Beispiel mit Gott vergleichen. Paulus beschreibt das folgendermassen:

«Alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.»
Röm 3,23

Hier wird die Verbindung zwischen «Sünde» und «Mangelerscheinung» gelegt. Wir sind nicht wie Gott. Es gibt einen spürbaren Unterschied. Wir ermangeln Seiner Herrlichkeit. Er ist nicht wie wir und wir sind nicht auf Seiner Stufe. Möchten wir zu Ihm kommen, dann verfehlen wir das Ziel. Uns ermangelt es an allem, was es dazu benötigt. Wir können diesen Unterschied selbst nicht überbrücken. Wenn wir auch vielleicht viel Gutes tun, so kann das nie darüber hinwegtäuschen, dass wir kein Leben in uns selbst haben. Darin unterscheiden wir uns von Gott. Wir sind sterblich und bleiben das. Das ist eine «Sklaverei der Vergänglichkeit», wie es Paulus beschreibt (Röm 8,20-21). Es ist eine sehr nüchterne Betrachtung unserer Erfahrung in dieser Welt.

Wir sind nicht wie Gott, und das hat Folgen.

Zwei grundlegende Probleme der Menschen

Sünde bringt Tod. Das war für Adam und Eva so, die durch die Übertretung sterblich wurden – und starben. Seitdem stirbt die Menschheit – wir sind alle sterblich. Allgemein betrachtet, zahlt Sünde nichts Besseres aus als «Tod». Aber die Gnadengabe Gottes ist äonisches Leben in Christus Jesus, unserem Herrn (Röm 6,23). Leben ist Gottes Antwort auf Tod. Und Gerechtigkeit ist das, was die Zielverfehlung aufhebt. Diese zwei Gegensätze gehören zusammen.

Die Bibel beschreibt zwei grundlegende Probleme für die Menschen: Sünde und Tod. Beide werden durch das Evangelium der Gnade Gottes beantwortet. Das Evangelium beschreibt Seine Gerechtigkeit, die uns geschenkt wird (Röm 1,16-17). Darin ist der Ausblick enthalten, dass Er Selbst einst alle lebendigmachen wird, nämlich dieselben, die durch Adams Übertretung in Konsequenz gestorben sind (1Kor 15,22).

Dies sind die Kernprobleme der Menschen und Gottes Antwort darauf:

  • Tod und Zielverfehlung (Sünde) sind die Kernprobleme
  • Leben und Gerechtigkeit sind darauf die Antworte Gottes.

Sünde und Tod werden also durch Gerechtigkeit und Leben mehr als wettgemacht. Das ist der Ausblick. Das ist eine befreiende und froh machende Botschaft.

«Denn wenn durch die Kränkung des einen [Adam] der Tod nun durch den einen herrscht, wie viel mehr werden die, die das Übermass der Gnade und das Geschenk der Gerechtigkeit erhalten, im Leben herrschen durch den einen Jesus Christus! Demnach nun, wie es durch die eine Kränkung [von Adam] für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kommt es auch durch den einen Rechtsspruch [durch Christus] für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens. Denn ebenso wie durch den Ungehorsam des einen Menschen [Adam] die vielen [= alle] als Sünder eingesetzt wurden, so werden auch durch den Gehorsam des Einen [Christus] die[selben] vielen [= alle] als Gerechte eingesetzt werden»
Röm 5,17-19

Neuheit des Lebens

Sünde (das Konzept) wird gerne und schnell mit bestimmten Dingen verknüpft. So im Sinne: Dies ist richtig, das ist falsch. Als ginge es um gut und böse, um Schwarz und Weiss, und darum, immer das Richtige zu tun. Das führt jedoch schnell in ein gesetzliches Denken und Verurteilungen von sich selbst und von Anderen. Das ist wenig hilfreich und setzt auf eine falsche Spur. Die Idee einer Zielverfehlung kann dabei helfen, nicht ganz schwarzweiss zu denken. Bestimmt gibt es Dinge, die falsch sind. Sie sind aber falsch, wenn man vom Ziel her denkt. Erst die Zielverfehlung macht es zu Sünde.

Hier ist der Unterschied

  • Sünde ist ein Konzept (Zielverfehlung)
  • Sündigen ist die Zielverfehlung, wie wir sie tun.

Schokolade ist also nicht per definitionem sündig. «Dinge» können nicht an sich sündig sein. Auch etwa Sexualität ist nicht der Definition nach sündig, wenn diese Interpretation sich auch hartnäckig über die Jahrhunderte gehalten hat. Erst die Perversion der Dinge führt auf Abwege und Irrwege. Ähnlich kann man weitere Beispiele finden.

Lebensbejahend kann dagegen der Entscheid sein, zwei Dinge stets vor Augen zu haben:

  1. Ein Ziel vor Augen zu haben, sich positiv auf ein gutes Ziel hin auszurichten.
  2. Das Zweite ist die Annahme der Gnade Gottes für die eigenen Unzulänglichkeiten.

Paulus schreibt über sein eigenes Leben in diesem Sinne:

«Nicht, dass ich dies schon erhielt oder hierin schon vollendet sei. Ich jage aber danach, ob ich wohl ergreifen möge, wozu ich auch von Christus Jesus ergriffen worden bin. Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, es ergriffen zu haben. Eins aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist.»
Phil 3,8-14

Für ihn, der zu einem lebendigen Glauben gefunden hat, fällt diese positive Ausrichtung in allen seinen Briefen auf. Es hat sich etwas geändert. Neuheit des Lebens nennt er das. Es ist diese Freiheit, die zu ganz neuen Entscheide führen darf. Freiheit gibt es durch Bindung an Christus. Paulus besteht da nicht auf das Befolgen von Gesetzen, sondern ermutigt zu einem anderen Denken, welches das Leben ändert. Was Sünde ist, lässt sich nicht durch eine Liste angeblicher Sünden klären. Vielmehr geht es darum, durch einen neuen Lebensstil neu auszurichten. Gottes Gnade befähigt dazu. Mit diesem neuen Leben dürfen wir rechnen.

«Also auch ihr! Rechnet damit, dass ihr selbst der Sünde gegenüber tot seid, aber lebend für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn! Folglich soll die Sünde nicht in eurem sterblichen Körper herrschen, sodass ihr seinen Begierden gehorcht. Stellt auch eure Glieder nicht als Werkzeuge der Ungerechtigkeit für die Sünde bereit, sondern stellt euch selbst für Gott bereit, als Lebende aus den Toten, und eure Glieder für Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit. Denn dann wird die Sünde nicht über euch herrschen; denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.»
Röm 6,11-14

Es geht um Transformation. Es geht darum, dem Bild von Christus ähnlicher zu werden. Die eigenen Zielverfehlungen anzusprechen und zu klären, um sie dann durch Gottes Gnade verwandeln zu lassen, kann das Hier und Jetzt ändern. So lässt sich das Evangelium, die frohe Botschaft, im eigenen Leben anwenden.

Weiterhin aber spricht Gott von dieser Welt und was Er damit vorhat. Das ist Sein ganz grosses Ziel. Gerechtigkeit und Leben stehen Ihm vor Augen, und die «Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes» für die ganze Schöpfung (Röm 8,18-21).