Der Brief von Paulus an Titus

In seinem Brief an Titus schreibt der Apostel Paulus vom

«Erscheinen der Herrlichkeit des grossen Gottes und unseres Retters, Jesus Christus, der Sich Selbst für uns dahingegeben hat.»
Tit 2,13

Wird hier jetzt gelehrt, dass Jesus als Gott angesprochen wird? Das ist hier die Frage. Wer diesen Vers zitiert, tut dies, damit die «Gottheit von Jesus» bewiesen werden kann. Der Vers soll also aussagen, dass Jesus Gott ist, wie Gott der Vater Gott ist.

Das Verhältnis zwischen Gott dem Vater und Jesus hat der Apostel jedoch bereits erwähnt und schrieb den Korinthern:

«Denn wenn es zwar auch sogenannte Götter gibt (sei es im Himmel oder auf Erden, ebenso wie da viele Götter und viele Herren sind), so ist jedoch für uns nur Einer Gott, der Vater, aus dem das All ist (und wir sind zu Ihm hingewandt), und nur Einer Herr, Jesus Christus, durch den das All geworden ist (und wir sind es durch Ihn.»
1Kor 8,5-6

Paulus beschreibt in diesen Versen eine klare Unterscheidung zwischen dem Einen Gott, der Vater und dem Einen Herrn, Jesus Christus. Zwischen beiden gibt es einen Unterschied. Jesus ist dem Vater nicht gleichzustellen. Diese Verse im Korintherbrief sind an Klarheit nicht zu überbieten.

Sollten nun im Brief an Titus etwas völlig anderes stehen? Wäre das der Fall, dann stimmt die Aussage im ersten Korintherbrief nicht. Eines der Aussagen wird dann falsch ausgelegt. Welche? Die Frage muss nicht mit Unterstellungen, sondern mit der Suche nach Antworten begegnet werden. Stellt man einen Unterschied fest, dann ist das neutral zuerst einmal nur einen Unterschied. Erst in einem zweiten Schritt geht es um eine erklärende Interpretation.

Zurück zum Titusbrief.

Die Aussage von Paulus im Titusbrief kann man auf zwei Arten lesen:

  • Der ganze Satz bezieht sich auf Jesus, der «grosser Gott und unser Retter» ist. Das ist die Position, welche von Befürwortern einer Dreieinigkeit gerne genutzt wird.
  • Der ganze Satz besteht aus zwei Teilen, nämlich:
    1. dem Erscheinen der Herrlichkeit des grossen Gottes
    2. und unseres Retters, Jesus Christus.

In der zweiten Lesart wird sowohl von Gott als von Jesus Christus gesprochen, und zwar als zwei verschiedene Personen. Gott, das ist nur der Vater, während Jesus Christus hier als unser Retter gesehen wird. Aus dem Briefanfang liest man:

«Gnade und Friede von Gott dem Vater und Christus Jesus, unserem Retter.»
Tit 1,4

Hier ist es sonnenklar, dass es um zwei verschiedene Personen geht, die nicht miteinander vermischt werden. Paulus ist darin konsequent. Gott, das ist der Vater, und Christus Jesus ist der Retter.

Es spricht viel dafür, dies in Titus 2,13 ebenso zu sehen.

Unklarheit beim Begriff «Gott»

Im vorher zitierten Abschnitt aus dem Korintherbrief hat Paulus bereits angegeben, dass «da viele Götter» sind. Viele Christen denken dagegen, dass der Begriff Gott so etwas wie ein Eigenname darstellt. Das ist jedoch nicht der Fall. Gott ist ein recht neutraler Überbegriff. Eher ist es eine Funktion. Paulus sagte, es gäbe viele Götter. Der Begriff beschreibt eine Funktion, wie Mose dem Aaron zum Gott gesetzt wurde – von Gott notabene (2Mo 7,1).

Wenn an beliebiger Stelle also das Wort «Gott» auftaucht, wird damit häufig, aber eben nicht immer, die absolute Gottheit gemeint. Auch Menschen werden als Gott bezeichnet und Götzen sind sprachlich gesehen «Götter». Es wird überall dasselbe Wort genutzt. Deswegen kann Paulus das im Korintherbrief nutzen und hinzufügen, dass – obwohl es viele Götter gibt –, «jedoch für uns nur Einer Gott ist, der Vater, aus dem das All ist». Diese Unterscheidung macht Paulus und wir sollten es ihm nachmachen.

In Titus 2,13 werden also beide, Gott der Vater und Jesus, genannt. Sie werden beide nacheinander genannt, wie bereits zuvor im Brief. Damit ist diese Bibelstelle kein Argument mehr für eine Gottheit von Jesus, noch für eine Dreieinigkeit.

Bibeltexte zugunsten einer Dreieinigkeit kritisch geprüft

Im Christentum wird überwiegend davon ausgegangen, dass Gott zwar Einer, aber doch auf unbekannte Weise Drei ist. Keiner weiss es genau, aber viele sind sich sicher, dass es eine sogenannte «Dreieinigkeit» gibt, auch dann, wenn man dazu in der Bibel keine Angaben findet. Weder die Propheten noch Jesus, noch die Apostel oder irgendjemand anders aus biblischen Zeiten spricht darüber.

Zur Unterstützung der Lehre werden verschiedene Bibelstellen zitiert. Deshalb kann man diese Angaben prüfen. In diesem Beitrag geht es um eine dieser Bibelstellen. Es wird hier einzig abgewogen, ob diese eine Bibelstelle zugunsten einer Dreieinigkeit ausgelegt werden kann. Vielleicht kann sie das, vielleicht kann sie das nicht. Vielleicht hat man am Schluss ein Argument mehr, vielleicht auch ein Argument weniger. Mehr wird hier nicht gemacht. Ich teile hier, was ich als beste, deutlichste Auslegung gefunden habe. Vielleicht hast Du eine bessere Auslegung?

Die Argumente Pro-Dreieinigkeitslehre teilen sich in zwei Gruppen auf:

  1. Argumente rund um die Zahl «3»
  2. Argumente rund die «Gottheit aller Beteiligten»

Was ich dazu zusammengetragen und gefunden habe, ist keine Vorgabe, sondern nur das Ergebnis meiner persönlichen Auseinandersetzung. Dieser Beitrag kann deshalb nur ein kleiner Teil einer viel grösseren Auseinandersetzung zu einer positiven Diskussion gesehen werden, die abwägt, wie wir Gott sehen und erkennen können. In diesem Beitrag, wie auf dieser Website generell, geht es nur darum, eine «Lernkultur» zu fördern. Es geht um Themen und Fragen, die in zahllosen Gesprächen als solche genannt wurden. Das will gehört werden, diskutiert werden. Selbstverständlich ist das anspruchsvoll, gerade bei kontrovers diskutierten Themen. Siehe auch den Einführungstext zum Thema «Wer ist Gott?» und zu den Differenzen in Diskussionen den Beitrag «Leben mit Widerspruch».