Der erste Buchstabe vom griechischen Alphabet ist das Alpha, die letzte Buchstabe ist das Omega. In Offenbarung 1,8 lesen wir davon, dass jemand «Alpha und Omega» genannt wird. Damit wird ausgedrückt, dass Er Anfang und Ende ist. Wer ist das?

Griechisch ist die Sprache des Neuen Testaments. Ein Ausdruck wie «Alpha und Omega», Buchstaben vom griechischen Alphabet, findet sich deshalb nur im Neuen Testament, dessen Sprache Griechisch ist. Im Buch Offenbarung, gleich im ersten Kapitel, liest sich folgender Vers:

«Ich bin das Alpha und das Omega», sagt der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allgewaltige.
Offb 1,8

Diese Stelle wurde mir letzthin als Argument für eine Dreieinigkeit genannt. Nun darf es jedem unbedarften Leser auffallen, dass eine «Dreieinigkeit» hier mit keinem Wort erwähnt wird. Dieser Ausdruck gibt es weder hier noch im Kontext noch sonst in der Bibel. Alles tönt umfassend und «aus einem unbekannten Grund ist auch Jesus hier drin» und deshalb soll munter gefolgert werden, dass hier Jesus mit göttlicher Allmacht beschrieben wird. Soweit das Argument, dass man immer wieder in Bezug auf diesen Text lesen kann.

Nicht nur fehlt hier ein Ausdruck wie «Dreieinigkeit», sondern genau das, was man auf diesen Vers projiziert, steht nicht da. Es wird nirgendwo von einer Wesenseinheit von Gott und Jesus gesprochen. Sie werden hier nicht gleichgeschaltet. Es ist eine irreführende Folgerung. Weil solche Dinge hier mit keinem Wort erwähnt werden, kann ich zur angenommenen Bedeutung keine Exegese machen. Ich kann nur feststellen, dass der Text kein Anhaltspunkt zur angenommenen Bedeutung gibt. Was geschieht ist dies: Es werden hier Folgerungen auf Folgerungen gestapelt, und zwar so lange, bis man weit vom ursprünglichen Text entfernt ist. Zentral steht dann nicht mehr der Text, sondern die Folgerungen über den Text.

Viel interessanter dünkt es mich, nicht zu folgern, sondern den Text im eigenen Kontext zu deuten. Das versuche ich in diesem Beitrag zu tun.

Ich bin das Alpha und das Omega

Der Vers sagt es sehr deutlich: Dies betrifft Gott Selbst. Es wird nicht von Jesus gesagt, oder von einem Heiligen Geist. Dies ist Gott selbst. Das ist von der biblischen Beschreibung her immer klar, wie es Paulus an anderer Stelle formuliert:

«Wir wissen, dass ein Götzenbild nichts ist in der Welt und es keinen anderen Gott gibt als nur den Einen. Denn wenn es zwar auch sogenannten Götter gibt (sei es im Himmel oder auf Erden, ebenso wie da viele Götter und viele Herren sind), so ist jedoch für uns nur Einer Gott, der Vater, aus dem das All ist (und wir sind zu Ihm hingewandt), und nur Einer Herr, Jesus Christus, durch den das All geworden ist (und wir sind es durch Ihn).»
1Kor 8,5-6

Der eine Gott, das ist unmissverständlich der Vater. Ergänzend wird dazu erwähnt, «aus dem das All ist». Das ist genau, was auch im Buch Offenbarung beschrieben wird. Gott, das ist Der, aus dem alles ist und zu dem alles ist. Er ist Anfang und Ende. Er ist Alpha und Omega.

Steigen wir aber ein paar Verse zuvor in den Text ein:

«Johannes an die sieben herausgerufenen Gemeinde, die in der Provinz Asien sind: Gnade sei euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.»
Offb 1,4

Dies ist die Aussage, die ein paar Verse weiter wiederholt wird:

«Ich bin das Alpha und das Omega», sagt der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allgewaltige.»
Offb 1,8

Der Ausdruck «Alpha und Omega» scheint primär eine Ausschmückung dieser Aussage zu sein. Deswegen ist hier von Gott, dem Vater, nicht von Jesus Christus die Rede. Verwirrung stiftet allenfalls der Zusatz «Herr», der im Neuen Testament regelmässig mit Jesus in Verbindung gebracht wird. Diese Verbindung ist tatsächlich da, nur darf man daraus nicht folgern, dass es hier um Jesus geht. «Herr» ist kein Eigenname, sondern eine Bezeichnung. Diese Bezeichnung ist nicht exklusiv für Jesus. Deshalb muss man hier nachfragen.

Ausserdem kommt der Ausdruck «Alpha und Omega» noch zweimal im Neuen Testament vor, ebenfalls im Buch Offenbarung. Insgesamt also drei Bibelstellen: Offb 1,8; Offb 21,6; Offb 22,13. An dieser Stelle reden wir über das erste Vorkommen.

Der Herr

«Ich bin das Alpha und das Omega», sagt der Herr, Gott.
Offb 1,8

Der Herr, Gott – das ist der Ausdruck. Herr ist kein Eigenname, sondern eine Bezeichnung und eine Anlehnung an eine alttestamentliche Bezeichnung. So lesen wir in etwas im ersten Buch Mose:

«Dies ist die Entstehungsgeschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden. An dem Tag, als der HERR, Gott, Erde und Himmel machte.»
1Mo 2,4 (Elberfelder)

Die Schreibweise HERR, mit Grossbuchstaben, ist hier ein Verweis auf den Gottesnamen (JHWH), der Gott (Elohim) ist. In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der Tenach (Altes Testament) wurde der Gottesname aus Ehrfurcht nicht genutzt, sondern stattdessen «Herr» geschrieben. Identisch geschieht das auch hier in Offb 1,8. Man kann nicht folgern, dass hier «Herr» steht und deshalb Jesus gemeint ist.

Der Gottesname

Der Gottesname JHWH wird hier nicht nur mit dem Begriff «Herr» umschrieben (wie das in der Septuaginta geschah und was bis heute in vielen Übersetzungen übernommen ist, wie gerade vorhin anhand der zitierten Elberfelder Übersetzung für 1Mo 2,4 aufgezeigt wurde). Dieser JHWH ist Gott. Und Gott ist

«der da ist
und der da war
und der da kommt»
Offb 1,8

Es ist eine Zusammenstellung aus Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Dies ist ebenfalls in den Büchern Mose verankert und bezieht sich auf ein Gespräch zwischen Mose und Gott:

Mose aber antwortete Gott: Siehe, wenn ich zu den Söhnen Israel komme und ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen: «Was ist sein Name?», was soll ich dann zu ihnen sagen? Da sprach Gott zu Mose: «Ich bin, der ich bin.» Dann sprach er: So sollst du zu den Söhnen Israel sagen: ⟨Der⟩ «Ich bin» hat mich zu euch gesandt. Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Söhnen Israel sagen: Jahwe[JHWH], der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name in Ewigkeit, und das ist meine Benennung von Generation zu Generation.
2Mo 3,13-15

An dieser Stelle gibt Gott Seinen Namen bekannt als «Ich bin, der ich bin». Der Gottesname klingt an das Verb «sein» an, und zwar in verschiedenen Zeitformen. Das Konkordante Alte Testament übersetzt hier wie folgt:

Da sprach Elohim zu Mose: «Ich werde für sie da sein, so wie ich jetzt für sie da bin. Und Er fügte hinzu: «So sollst du zu den Söhnen Israels sagen: Der “Ich-bin-da” hat mich zu euch geschickt.»
2Mo 3,14 Konkordantes Altes Testament

Gottes Name lautet «JHWH». Seine Funktion ist «Elohim». Sein Name «JHWH» drückt Sein Wirken in der Zeit aus, während Die Funktion «Elohim» Gott im Verhältnis zum Raum stellt, wie es im ersten Buch Mose heisst: «In einem Anfang: Erschaffen hat Elohim, die Himmel und die Erde» (1Mo 1,1). Die Kombination spricht von Dem Einen, der Raum und Zeit in Händen hält.

Zurück zum Buch Offenbarung. Hier bezieht sich der Schreiber auf Gedanken, die direkt der Tenach (dem Alten Testament) entnommen sind. Es ist die Rede von dem Einen Gott.

Jesus und Gott

In diesem Beitrag geht es darum, den Text so gut wie es geht im eigenen Kontext zu lesen. In diesem Kontext werden sowohl Gott als auch Jesus erwähnt. Eine Vermischung der Texte führt vielleicht zur Annahme, dass Jesus nun plötzlich auch Gott sei. Schauen wir den Kontext noch einmal sorgfältig an, denn über Gott und über Jesus werden verschiedene Dinge gesagt. Diese sind ergänzend, mit unterschiedlichen Funktionen.

Johannes an die sieben herausgerufenen Gemeinden, die in der Provinz Asien: Gnade sei euch und Friede

      1. von dem, der da ist und der da war und der da kommt,
        und von den sieben Geistern, die angesichts Seines Thrones sind,
      2. und von Jesus Christus;
        Er ist der getreue Zeuge
        der Erstgeborene der Toten
        und der Fürst der Könige der Erde.

In diesen ersten Versen (Offb 1,4-5) sehen wir Gott und Jesus Christus, beide genannt. Zu jedem werden ergänzende Details erwähnt, welche die besondere Position und Funktion erklären. Gott sitzt auf dem Thron, Geistern sind um Ihn herum. Gott ist Derjenige, der mit der Beschreibung des Namens JHWH bezeichnet wird. Danach ist die Rede von Jesus Christus, der als getreuer Zeuge, als Erstgeborener aus den Toten und als Fürst der Könige der Erde bezeichnet wird. Es gibt hier klare Unterschiede. Sie werden nicht gleichgestellt.

Von Jesus Christus schreibt Johannes weiter:

Dem, der uns liebt und uns aus unseren Sünden mit Seinem Blut erlöst und uns zu einem Königreich macht und zu Priestern für Seinen Gott und Vater, Ihm sei die Verherrlichung und die Gewalt für die Äonen der Äonen! Amen! Siehe, Er kommt mit den Wolken und jedes Auge wird Ihn sehen, auch die Ihn durchstochen haben, und wehklagen werden um Ihn alle Stämme des Landes. Ja, Amen!
Offb 1,5-6

Auch hier steht Jesus Christus in klarem Unterschied zu Seinem Gott und Vater. Es sei hier auch gleich darauf hingewiesen, dass Johannes davon spricht, dass Jesus einen Gott und Vater hat – wie dies auch an vielen anderen Stellen im Neuen Testament erwähnt ist. Keine Vermischung also auch hier, und eine klare Unterscheidung. Jesus ist nicht der Gottheit gleich, sondern hat einen Gott und Vater.

Nun ist mit dem Lobpreis und dem zweifachen «Amen!» die Aussage über Jesus Christus abgeschlossen. Es beginnt ein neuer Abschnitt, nun an den einzigen Gott gerichtet:

«Ich bin das Alpha und das Omega», sagt der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allgewaltige.
Offb 1,8

Es ist diesen Vers, den wir gerade ausführlicher betrachtet haben. Johannes spricht im nächsten Vers über sich selbst. Es sind alles Vorbereitungen für die eigentliche Botschaft. Er macht dem Leser klar, womit er es in diesem Buch zu tun haben wird, welche Aussagen von wem gemacht werden und wer hier zuständig ist. Es geht hier also keineswegs um eine Lehre, wie Gott «zusammengestellt» ist, sondern nur darum aufzulisten, womit der Leser es zu tun hat.

Zusammenfassung

Geht es in diesen Versen um die Dreieinigkeit? Nein, das dürfte jetzt klar sein. Geht es vielleicht nur darum, dass Jesus Gott gleichzusetzen ist? Im Gegenteil, auch Jesus hat einen Gott und Vater, der von Johannes hier deutlich genannt wird. Nicht Jesus ist Alpha und Omega, sondern Gott, der Vater, ist Alpha und Omega, ist Erster und Letzter. Er ist Ursprung und Vollender. Dazu lesen wir am Ende des Buches Offenbarung:

Dann sprach der auf dem Thron Sitzende: «Siehe, ich mache alles neu!» und zu mir sagte er: «Schreibe, denn diese Worte sind glaubwürdig und wahrhaft.» Weiter sagte Er zu mir: «Es ist geschehen! Ich bin das Alpha und das Omega, Der Ursprung und die Vollendung. Ich werde dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens umsonst zu trinken geben.»
Offb 21,5-6

Bibeltexte zugunsten einer Dreieinigkeit kritisch geprüft

Im Christentum wird überwiegend davon ausgegangen, dass Gott zwar Einer, aber doch auf unbekannte Weise Drei ist. Keiner weiss es genau, aber viele sind sich sicher, dass es eine sogenannte «Dreieinigkeit» gibt, auch dann, wenn man dazu in der Bibel keine Angaben findet. Weder die Propheten noch Jesus, noch die Apostel oder irgendjemand anders aus biblischen Zeiten spricht darüber.

Zur Unterstützung der Lehre werden verschiedene Bibelstellen zitiert. Deshalb kann man diese Angaben prüfen. In diesem Beitrag geht es um eine dieser Bibelstellen. Es wird hier einzig abgewogen, ob diese eine Bibelstelle zugunsten einer Dreieinigkeit ausgelegt werden kann. Vielleicht kann sie das, vielleicht kann sie das nicht. Vielleicht hat man am Schluss ein Argument mehr, vielleicht auch ein Argument weniger. Mehr wird hier nicht gemacht. Ich teile hier, was ich als beste, deutlichste Auslegung gefunden habe. Vielleicht hast Du eine bessere Auslegung?

Die Argumente Pro-Dreieinigkeitslehre teilen sich in zwei Gruppen auf:

  1. Argumente rund um die Zahl «3»
  2. Argumente rund die «Gottheit aller Beteiligten»

Was ich dazu zusammengetragen und gefunden habe, ist keine Vorgabe, sondern nur das Ergebnis meiner persönlichen Auseinandersetzung. Dieser Beitrag kann deshalb nur ein kleiner Teil einer viel grösseren Auseinandersetzung zu einer positiven Diskussion gesehen werden, die abwägt, wie wir Gott sehen und erkennen können. In diesem Beitrag, wie auf dieser Website generell, geht es nur darum, eine «Lernkultur» zu fördern. Es geht um Themen und Fragen, die in zahllosen Gesprächen als solche genannt wurden. Das will gehört werden, diskutiert werden. Selbstverständlich ist das anspruchsvoll, gerade bei kontrovers diskutierten Themen. Siehe auch den Einführungstext zum Thema «Wer ist Gott?» und zu den Differenzen in Diskussionen den Beitrag «Leben mit Widerspruch».