Jesus! Jesus! In manchen Gemeinden und Kreisen wird jedem Satz ein «Jesus» oder «Herr» vorangestellt oder angehängt. Jesus ist überall. Jesus ist Gott. Jesus ist der Fokus. Es dreht sich alles um Jesus. Vielen fällt das nicht mehr auf, so stark ist man in dieser Kultur drin.

Jesus statt Gott

Verschiedene Freunde in meiner Umgebung haben neuerdings von Freikirchen gesprochen als «Jesus-Kult». Das war stets ernst gemeint und keineswegs herablassend, aber durchaus sehr kritisch. Es sind aber nicht nur Freikirchen, sondern es können auch charismatische oder pietistische Kreise sein, die kaum noch von Gott, dafür immer mehr von Jesus sprechen. Jesus ersetzt Gott.

Aber, wird jemand vielleicht einwenden, das ist doch richtig, denn Jesus ist doch Gott? Dies ist eine Anspielung auf die Lehre der Dreieinigkeit. Sie ermöglicht solche Entgleisungen. Im Jesus-Kult wird Gott von Jesus ersetzt. Jesus wird zur Projektionsfläche religiöser Fantasien. Man steigert sich in eine fiktive Jesus-Figur hinein. Jesus hier und Jesus dort. Solches habe ich immer wieder erlebt. Es ist eine fromme Selbsttäuschung, die zwar den Anschein von Glauben hat, aber mit der Bibel trotzdem nichts am Hut hat. Für mich steht dies in derselben Kategorie wie Maria- und Heiligenverehrung in der römisch-katholischen Kirche.

Demgegenüber steht das biblische Zeugnis, nüchtern, befreiend, worin Jesus stets auf Gott, Seinen Vater, hinweist, ebenso wie der Vater auf den Sohn hinweist. Sie bedingen einander. Jesus ist «von Gott ausgegangen» (Joh 8,42) und würde auch wieder «zu Gott hingehen» (Joh 13,3). Jesus selbst hat einen Gott und Vater (2Kor 1,3, 2Kor 11,31, Eph 1,3, Eph 1,17, Kol 1,3 u.a.). Blenden wir Gott aus, kennen wir Jesus nicht. Deshalb ist die Hochstilisierung von Jesus nicht schriftgemäss.

Einen gesunden Glauben

Wer einen gesunden Glauben pflegen möchte, soll durch Jesus auf Gottes Wirken hingewiesen werden. So wird es im Neuen Testament gelebt und gepredigt. Nichts weniger und nichts mehr ist wichtig.

Jesus ist wichtig, aber ein Jesus-Kult hat keiner gefordert. Einst wird sich jedes Knie beugen und jede Zunge huldigen, dass Jesus Herr ist (Phil 2,9-11). Wenn wir den Namen aber in jedem zweiten Satz erwähnen, ist die Frage berechtigt, weshalb wir das tun.

Möchten wir uns selbst in unserer Unsicherheit hypen?

Der Name Jesus ist kein Mantra und keine Zauberformel. Auch in unseren menschlichen Beziehungen würden wir einander gehörig auf die Nerven gehen, würden wir in jedem Satz den Namen des Gegenübers erwähnen. Warum tun wir es dann in Predigten, Zeugnissen oder Gebeten? Vielleicht gehen wir Jesus damit gehörig auf die Nerven? Weshalb machen wir das? Verleiht das unserem Gebet etwa mehr Gewicht? Oder möchten wir uns selbst in unserer Unsicherheit ins Rampenlicht schieben? Es geht einfacher, nüchterner, befreiter. Wie hier bei Paulus, der Jesus nennt, aber dabei keinesfalls schwärmerisch ist:

«Friede den Brüdern und Liebe mit Glaubenstreue von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus! Die Gnade sei mit allen, die unseren Herrn Jesus Christus in Unvergänglichkeit lieben! Amen!»
Eph 6,23-24

Man beachte den Kontext für diese Aussage von Paulus. Es braucht keinen Jesus-Kult, damit wir einen lebendigen Glauben pflegen, Gott gegenüber dankbar sind und Seine Gnade in Christus annehmen.