Grussformel am Ende des zweiten Korintherbriefes

Kommt man auf die Dreieinigkeit zu sprechen, wird häufig zuerst auf den Abschluss vom Korintherbrief verwiesen. Paulus schreibt den Korinthern als Abschlusswort:

«Die Gnade des Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes
sei mit euch allen! Amen!»
2Kor 13,13

Es ist ein Grusswort, keine typische Lehre. Hier wird nichts erklärt. Allerdings werden Jesus Christus, Gott und Heiliger Geist zusammen genannt. Spricht das nicht für die Lehre der Dreieinigkeit? Das werden wir jetzt untersuchen. Fest steht, dass dieser Text einmalig ist: Es gibt in der Bibel keinen anderen Vers in dieser Art, worin Gott, Jesus Christus und Heiliger Geist so dargestellt werden. Stimmt die Sicht und warum geht es hier?

Gnade, Liebe und Gemeinschaft

Das Erste, was bei näherer Betrachtung auffällt, ist der Kern der Aussage. Sie betrifft keine Lehre über Gott und es wird hier keinesfalls erklärt, dass Gott aus drei Personen besteht. Das Thema ist ein anderes. Der Gemeinde in Korinth wünscht Paulus drei Dinge:

  1. Gnade (des Herrn Jesus Christus)
  2. Liebe (Gottes)
  3. Gemeinschaft (des heiligen Geistes)

Gnade, Liebe und Gemeinschaft bilden den Kern der Aussage. Das Ziel ist nicht die Erklärung der Gottheit, sondern die Förderung der Gemeinschaft in Korinth. Jedes der Aussagen wird mit einem Zusatz verdeutlicht. Es ist die Gnade des Herrn Jesus Christus. Es ist die Liebe Gottes und es ist die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Hier wird im letzten Vers nicht noch schnell die Dreieinigkeit erklärt, sondern es ist ein ganz normaler Gruss, worin es um ganz andere Dinge geht. Diese Dinge will Paulus in seinem Grusswort vermitteln.

Keine Lehre der Dreieinigkeit

Eine Lehre der Dreieinigkeit versucht man hier vergeblich. Ginge es um eine klare Lehre, dann müsste es so etwas wie Erklärung der Gottheit in drei Personen geben. Gerade das wird hier nicht gemacht.

Wer diesen Text im Rahmen der Dreieinigkeitslehre zitiert, tut dies bloss, weil es ähnlich tönt wie die bekannte Lehre: «Es tönt in etwa so wie die Lehre der Dreieinigkeit und deshalb wird es wohl so sein». Mir persönlich reicht das als Erklärung nicht.

Man stelle sich vor, man hält einen blauen Stein in der Hand. Dann blickt man hinauf und sieht den blauen Himmel. Wer jetzt behauptet, er halte den Himmel in der Hand, drückt sich zwar poetisch aus, aber mit der Realität hat das leider nichts zu tun.

So verhält es sich auch mit dem Text am Ende des zweiten Korintherbriefes. Hier hat die Idee der Trinität mit dem Text nichts zu tun. Die Idee wird jedoch auf den Text projiziert, weil es einen «ähnlichen Klang» hat.

Wie viele Personen werden erwähnt?

Zählt man im Vers die genannten Personen, sind es nur zwei. Konkret erwähnt werden nur Jesus Christus und Gott. In dem Ausdruck «Gemeinschaft des heiligen Geistes» wird gerne eine dritte Person, die des «Heiligen Geistes», herausgelesen. Man übersetzt, wie man es gerne lesen will.

Dies ist das Problem: Diese Person des «Heiligen Geistes» muss man zuerst definieren, bevor es hier anklingt. Viele Übersetzungen tun genau das. Sie bezeichnen «Heiliger Geist» mit zwei Grossbuchstaben als «Eigenname». Das ist eine Interpretation, die nichts mit Grundtext oder Kontext zu tun hat.

Einige Übersetzungen, die «Heilig» mit Grossbuchstabe schreiben:

  • Elberfelder: Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes ⟨sei⟩ mit euch allen!
  • Luther 2017: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
  • Schlachter 2000: Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Übersetzungen, die das Wort «heilig» mit Kleinbuchstabe schreiben:

  • Zürcher: Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.
  • Konkordantes Neues Testament: Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Die Idee, dass es sich hier um den «Heiligen Geist» handelt, als geht es um die dritte Person der Dreieinigkeit, scheint sich nicht überall herumgesprochen zu haben. Oder gibt es gar Argumente dafür, den Text etwas nüchterner zu betrachten?

Zuerst müsste man hier die dritte Person der Trinität, der Heilige Geist, definieren. Die Trinitätslehre findet sich nicht in der Bibel. Sie entstand als Lehrmeinung viele Jahrhunderte nach Abschluss des Neuen Testaments. In der Entwicklung der Lehre stiess die dritte Person, der Heilige Geist, erst spät dazu. Die Erfindung des Heiligen Geistes als «dritte Person der Gottheit» hat also Jahrhunderte gedauert und war in der Zeit des Neuen Testaments sowenig bekannt wie die Lehre der Trinität. Es ist deshalb ausgeschlossen, dass Paulus davon geschrieben hat. Was also hat Paulus im Sinn? Wer bei diesem Vers versucht, die Trinität herauszulesen, verkennt die geschichtliche Entwicklung.

Hier ist nur die unterschiedliche Betrachtungsweise:

  1. Ich gehe von der Dreieinigkeit aus, also muss ich das hier finden
  2. Ich gehe vom Text aus, worin von einer Dreieinigkeit keine Rede ist, also fühle ich mich nicht gedrängt, diese hier zu lesen.

Wenn ich vom Text und nicht von der Tradition ausgehe, welche Anhaltspunkte finde ich im Text? Warum geht es? Was kann ich positiv aus dem Text lernen? Für mich ist diese Frage viel wichtiger als die, ob ich jetzt hier eine bestimmte Lehre finden muss oder nicht. Ich kann auch lernen, zwischen dogmatischer Vorstellung und Text zu unterscheiden. Was wir im Text direkt gesagt und was müsste ich hineininterpretieren? Etwa: Gibt es etwa für eine Grossschreibung «Heiliger Geist»  grammatikalische Begründungen? Die Antwort lautet: Nein. Es ist gerade der Respekt vor der Schrift, der mich daran hindert, beliebige Ideen kritiklos hineinzuinterpretieren.

Fazit: Es werden lediglich zwei Personen genannt, und zwar Jesus Christus und Gott. Ein «Heiliger Geist» gab es nicht zu Paulus’ Zeiten. Er scheint das hier auch nicht introduziert zu haben.

Die Gemeinschaft des heiligen Geistes

Paulus spricht die Gemeinde in diesem letzten Grusswort auf Gnade, Liebe und Gemeinschaft an. Es geht um die Art des Zusammenlebens in der Gemeinde und darum, wie dies geprägt wird. Dies kommt logisch aus der Grussformel hervor. Der Zusatz «heilig» macht das Wort Geist nicht zu einer separaten Person, sondern beschreibt, wie die geistliche Gemeinschaft geprägt sein soll.

Im Vers zuvor spricht Paulus der Gemeinde zu: «Grüsst einander mit heiligem Kuss!» (2Kor 13,12). Selbstredend wird durch den Zusatz «heilig» hier keine Person mit Namen «Heiliger Kuss» gemeint. Kuss oder Geist werden hier mit einem Attribut «heilig» erweitert, welches die Gesinnung, die Heiligkeit von Kuss, Gemeinschaft und anderes verdeutlichen soll. Diese Betonung erfolgt direkt aus dem Kontext.

Der Grundtext kannte ursprünglich nur eine Grossschreibung aller Buchstaben, ganz ohne Wortabstände, Interpunktionen und dergleichen mehr. Wer deshalb wo und weshalb Grossbuchstaben verwendet, tut dies aus sprachlicher Notwendigkeit bei der Übersetzung oder durch Interpretation. Interpretation ist das, was wir hier sehen. Wer «Heiliger Geist» dem «heiliger Geist» vorzieht, hat dafür einen Grund, der nicht sprachlich, sondern interpretativ entsteht. Es gibt keinen Grund, hier das Wort «heilig» nicht mit einem Kleinbuchstaben zu schreiben.

Erst wenn man bereits davon ausgeht, dass es hier um die dritte Person einer Trinität geht, wird ein Grossbuchstabe gesetzt. Vom Kontext wird das jedoch nicht unterstützt. Die Zürcher Übersetzung sowie das Konkordante Testament haben jedoch, wie oben referenziert, ein schlichtes «Gemeinschaft des heiligen Geistes» geschrieben. Dies entspricht der Art der hier anvisierten Gemeinschaft unter den Gemeindemitgliedern und passt natürlich zur Aussage.

Wird hier die Trinität begründet?

Nein, hier wird keine Trinität begründet. Die Gründe dafür wurden aufgeführt. Der Grussformel hat einen ganz anderen Fokus als die Erklärung oder Bekräftigung einer Trinität. Die Dreieinigkeit wird weder hier noch an beliebiger anderen Stelle in der Tenach oder im Neuen Testament begründet. Der Text wird jedoch gerne dafür missbraucht, eine Übereinstimmung mit der Trinität vorzugaukeln. Das ist jedoch etwas ganz anderes.

Wer nüchtern beim Text bleiben will, findet hier weder eine Begründung von «drei Personen» noch von einer «Dreieinigkeit». Was ich hier gefunden habe ist, was der Text nicht sagt und was sie positiv aussagt. Dagegen wurde hier weder die Lehre einer Dreieinigkeit gesamthaft widerlegt, noch positiv eine andere Sicht formuliert. Es ging hier um einen einzigen Text, der als Pro-Argument für eine Dreieinigkeitslehre zitiert wurde. Das wurde widerlegt. Das Anliegen war es, nicht über das hinaus zu folgern, was geschrieben steht (1Kor 4,6).

Paulus’ Anliegen betraf die Ausrichtung der Gemeinde. Sie sollte von Gnade, Liebe und Gemeinschaft geprägt sein. Das erscheint mir im Kontext die einzige gültige «Dreieinigkeit» zu sein.

Bibeltexte zugunsten einer Dreieinigkeit kritisch geprüft

Im Christentum wird überwiegend davon ausgegangen, dass Gott zwar Einer, aber doch auf unbekannte Weise Drei ist. Keiner weiss es genau, aber viele sind sich sicher, dass es eine sogenannte «Dreieinigkeit» gibt, auch dann, wenn man dazu in der Bibel keine Angaben findet. Weder die Propheten noch Jesus, noch die Apostel oder irgendjemand anders aus biblischen Zeiten spricht darüber.

Zur Unterstützung der Lehre werden verschiedene Bibelstellen zitiert. Deshalb kann man diese Angaben prüfen. In diesem Beitrag geht es um eine dieser Bibelstellen. Es wird hier einzig abgewogen, ob diese eine Bibelstelle zugunsten einer Dreieinigkeit ausgelegt werden kann. Vielleicht kann sie das, vielleicht kann sie das nicht. Vielleicht hat man am Schluss ein Argument mehr, vielleicht auch ein Argument weniger. Mehr wird hier nicht gemacht. Ich teile hier, was ich als beste, deutlichste Auslegung gefunden habe. Vielleicht hast Du eine bessere Auslegung?

Die Argumente Pro-Dreieinigkeitslehre teilen sich in zwei Gruppen auf:

  1. Argumente rund um die Zahl «3»
  2. Argumente rund die «Gottheit aller Beteiligten»

Was ich dazu zusammengetragen und gefunden habe, ist keine Vorgabe, sondern nur das Ergebnis meiner persönlichen Auseinandersetzung. Dieser Beitrag kann deshalb nur ein kleiner Teil einer viel grösseren Auseinandersetzung zu einer positiven Diskussion gesehen werden, die abwägt, wie wir Gott sehen und erkennen können. In diesem Beitrag, wie auf dieser Website generell, geht es nur darum, eine «Lernkultur» zu fördern. Es geht um Themen und Fragen, die in zahllosen Gesprächen als solche genannt wurden. Das will gehört werden, diskutiert werden. Selbstverständlich ist das anspruchsvoll, gerade bei kontrovers diskutierten Themen. Siehe auch den Einführungstext zum Thema «Wer ist Gott?» und zu den Differenzen in Diskussionen den Beitrag «Leben mit Widerspruch».