Leben ist Bewegung, ist Veränderung, ist Wachstum und Lebendigkeit. Demgegenüber steht ein Glaubensverständnis, das rigide, lebensfremd, dogmatisch verbohrt und abgrenzend zu anderen ist. Wer merkt, dass sein bisheriges Glaubensverständnis etwas zu eng gedacht war, benötigt oft neue Lebensstrategien, um freizuwerden.

Es ist besser, viele Fragen als viele Antworte zu haben. So manche christliche Subkultur lebt davon, «die Antworte» zu haben. Eine solche Haltung ist tödlich für einen gesunden Glauben. Wer nicht nur bisherige Antworte hören will, muss lernen, Dinge infrage zu stellen.

Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie schwer es in manchen Kreisen ist, selbstständig denken zu dürfen. Fragen müssen häufig zu den bereits bekannten Antworte führen, sonst sprengt man den erlaubten Rahmen. Es fühlt sich vielleicht wie ein «unsichtbarer Käfig» an, worin man sich befindet. Das ist Teil dieser «Enge», die viele Menschen spüren. Nicht wenige Gemeinschaften leben von vermeintlicher «Gleichschaltung», obwohl es die, strikt genommen, nirgendwo geben kann. Wenn man lernt Fragen zu stellen, auch vermeintlich «ketzerische» Fragen zu stellen, der schafft sich selber Luft zum Atmen, zum Denken, zum Neudenken.

Fragen sind deshalb wichtiger als Antworte, weil sie Denken erlauben und ermöglichen. Beantworte jede Frage mit einer Gegenfrage und das Gespräch bleibt offen.

Fragen und Antworte

Fragen sind besser als Antworte. Sie führen weiter. Wer Fragen stellen will, benötigt jedoch auch Menschen, die zuhören. In einer Glaubensgemeinschaft ist das aufrichtige, vorurteilsfreie Zuhören Voraussetzung für eine tragende Gemeinschaft. Wer etwa aus evangelikalen Kreisen ausbrechen will, benötigt dazu Menschen, die zuhören wollen bei ernsthaften Fragen. Das ist kein Freibrief für Menschen mit selbstgerechten Meinungen, die eine Bühne für ihre Sonderlehren suchen, die sie um jeden Preis jedem aufdrängen wollen, sondern bloss eine Voraussetzung für wahrhafte Gespräche.

Gespräche, worin Fragen immer wieder gestellt werden können und man von Frage zu Frage gelangt. Wem das gelingt, steht in einem Prozess der Veränderung und des Lernens. Antworte kann man als Hypothesen betrachten, nämlich als Arbeitshypothesen, die den aktuellen Stand abbilden. Antworte müssen und können in der Regel nicht absolut betrachtet werden. Das zu realisieren ist auch ein Befreiungsschlag, wenn man aus Gemeinschaften stammt, die «absolute» Wahrheiten verteidigen.

Es scheint viel realistischer, anzuerkennen, dass man vielleicht einiges erkennt, manches versteht, aber nicht die Wahrheit gepachtet hat. Dann nämlich, kann man Fragen stellen, lernen und wachsen. Man pflegt eine Lernkultur. Jeder, der in der Gemeinschaft Fragen stellt, ist nicht gefährlich, sondern trägt wesentlich zu einer besseren Gemeinschaft bei.

Ehrliche Zuhörer können Welten bewegen, weil sie neben anderen Menschen stehen und gemeinsam unterwegs sind.