«Christus Jesus… (den Gott Sich als Sühnedeckel vorsetzte, durch den Glauben an Sein Blut, zum Erweis Seiner Gerechtigkeit, wegen des Hinweggehens über die vormals geschehenen Versündigungen in der Tragkraft Gottes)»
Röm 3,25

Ein Hinweis auf frühere Verheissungen

Der Kern des Evangeliums spricht davon, dass Gott in und durch Christus wirkt. So auch hier. Dazu macht der Apostel jetzt noch einen weiteren Vergleich:

«Christus Jesus … den Gott sich als Sühnedeckel vorsetzte»

Röm 3,25 (KNT)

Was kann das bedeuten? Christus Jesus, sagt Paulus, wurde von Gott in eine bestimmte Funktion eingesetzt. Das ist Gottes Werk. Gott nun hat Ihn als «Sühnedeckel» bestimmt. Das Wort ist eine Anlehnung an die Sprache der Tenach, des Alten Testaments. Das soll uns nicht verwundern, denn Paulus macht andauernd solche Vergleiche. Am Anfang des Briefes hat der Apostel bereits erklärt, dass das Evangelium Gottes in heiligen Schriften zuvor verheissen war (Röm 1,1-2). Beim Briefanfang hat er das lediglich erwähnt. Nun aber, in Römer 3, wird er auf diese Verheissungen konkreten Bezug nehmen.

Entwicklung im Römerbrief

Bedenken wir, dass der Römerbrief sich entwickelt von diesem «Evangelium Gottes», welches bereits im Alten Testament verheissen wurde (Röm 1,1-2) zu dem, was Paulus am Schluss des Briefes «mein Evangelium» nennt. Im letzten Kapitel spricht Paulus wie folgt:

«Ihm aber, der euch festigen kann gemäss meinem Evangelium und der Heroldsbotschaft von Christus Jesus, gemäss der Enthüllung eines Geheimnisses, das in äonischen Zeiten verschwiegen war, nun aber offenbar wurde.»
Röm 16,25

Einiges im Römerbrief werden wir demnach im Alten Testament als Verheissung erkennen können. Anderes dagegen wird Paulus neu bekannt gemacht. Dann spricht er von Dingen, die viel weiter reichen als die alttestamentlichen Enthüllungen. Beides finden wir in diesen Kapiteln. In Römer 3 und Römer 4 macht er den Bezug zu den prophetischen Schriften des Alten Testaments. Die Begriffe, die hier verwendet werden, entstammen der Geschichte von Gott mit dem Volk Israels. Sie werden auf Christus hin gedeutet und auf die Situation der Gemeinde heute. Ab Kapitel 5 folgen dann neue Begriffe, mit einer Bedeutung, die über die ersten Begriffe hinausgeht.

Es gibt innerhalb des Römerbriefes demnach nicht nur verschiedene Themen, sondern einiges war (im Ansatz) bekannt, während andere Dinge neu hinzukommen. Das Letzte sind Geheimnisse, die Paulus offenbart (weshalb sie dann nicht mehr geheim sind).

Sühnedeckel

Das griechische Wort hilasterion bezeichnet den Deckel auf der Bundeslade. Diese Bundeslade war eine grosse und sehr spezielle Kiste. Sie stand einst in der Stiftshütte und später im Tempel im Allerheiligsten (2Mo 25,10; 2Mo 26,33; 2Mo 40,3; 2M0 40,20-21 u.a.). Dasselbe Wort gibt es im Neuen Testament ausser in Röm 3,25 nur noch im Hebräerbrief:

«Es hatte nun zwar auch der erste Bund gottesdienstliche Rechtssatzungen und das weltliche Heiligtum; denn es wurde das erste Zelt errichtet, in dem der Leuchter wie auch der Tisch und die Schaubrote waren, welches das Heilige genannt wird.

Hinter dem zweiten Vorhang aber war das Zelt, das Heilige der Heiligen genannt, (2Mo 26,31-33) wo sich das goldene Räucherfass befand und die überall mit Gold bedeckte Bundeslade, in der die goldene Urne mit dem Manna war und der Stab Aarons, der gekeimt hatte, dazu die Tafeln des Bundes.

Oben, über ihr, aber waren die Cherubim der Herrlichkeit, die den Sühnedeckel (gr. hilasterion) überschatteten, über welche nun nicht im Einzelnen zu reden ist.» (2Mo 25,10-22)
Heb 9,1-5 KNT

The Ark and the Mercy Seat, illustration in

Yom Kippur – der Versöhnungstag

In 3. Mose 16 wird beschrieben, wie am Versöhnungstag (hb. Yom Kippur) der Hohepriester verschiedene Opfer, für sich und das Volk macht, und von dem Blut bis ins innerste Heiligtum trägt. Die Stiftshütte hat innerhalb der Umzäunung das «Zelt der Begegnung» (3Mo 16,17), mit zwei Teilen – das Heilige zuerst und dann das Heilige der Heiligen, worin die Bundeslade stand. Der Hohepriester nahm von dem Blut der Opfer und sprengte dies auf dem Sühnedeckel (3Mo 16,14-15).

Dies war eine jährliche Pflicht für Israel:

«Denn an diesem Tag wird man für euch Sühnung erwirken, um euch zu reinigen; von all euren Sünden werdet ihr rein sein vor dem HERRN.»

3Mo 16,30

An diesem Tag wurde Israel «von all ihren Sünden rein». Es ist der Versöhnungstag zwischen Gott und dem Volk. Die Versöhnung an Yom Kippur war nicht endgültig, sonst hätte sich nicht jährlich wiederholt werden müssen. Es ist ein Symbol. Im Hebräerbrief wird in Kapitel 9 und 10 ausführlich berichtet, wie die alttestamentlichen Satzungen nur ein «Schatten des zukünftigen Guten» sind (Heb 10,1).

Es ist diese Abbildung, die nun im Römerbrief von Paulus aufgegriffen wird. «Christus Jesus (…) den Gott Sich als Sühnedeckel vorsetzte, durch den Glauben an Sein Blut.» (Röm 3,25).

Im innersten Heiligtum wurde einmal im Jahr für die Sünden des Volkes Sühnung bewirkt. Danach verweist Paulus. Er sieht dies als Verheissung. Was dort einmal im Jahr als Beispiel geschah, hat Gott jetzt in Christus Wirklichkeit werden lassen. Christus ist dieser Sühnedeckel und es ist auch Sein Blut, das vergossen wurde.

Sühnen ist bedecken

Sühne in der Sprache des Alten Testaments ist ein Schutz. Es ist ein Abschirmen, ein Bedecken. Das erst mal, dass man dieses Wort liest, wird es für die Arche genutzt. Die Arche wurde mit Pech «gesühnt» (hb. kopher, bedecken oder überziehen, wie in «Mache dir eine Arche aus Tannenholz; in Räume sollst du die Arche teilen und sie innen und aussen mit Pech überziehen.» 1Mo 6,14). Das Pech machte die Arche wasserdicht gegen die Flut. Dadurch wurden alle auf dem Schiff vor dem Gericht (des Wassers) bewahrt. Sühne in diesem Sinne ist nicht das Hinwegtun des Gerichts, sondern der Schutz vor dem Gericht. Das ist die Idee, die in der Tenach an dem Begriff «Sühne» hängt. Dasselbe Wort wird sonst bei Opferritual benutzt, wenn etwas mit Blut gesühnt wird. Auch das ist ein Symbol und soll auf den Schutz hinweisen.

Im Alten Testament ebenso wie hier in Römer 3,25 geht es darum, dass diesen Schutz durch Blut bewirkt wird. Deshalb ist Folgendes festzuhalten:

sühnen = bedecken = durch Blut.

Im weiteren Verlauf des Römerbriefes werden wir entdecken, dass diese Verknüpfung typisch ist für dieses Wort. Andere Wörter für «versöhnen» haben andere Konnotationen. Es ist hilfreich für das Verständnis der Bibel, wenn wir lernen, welche Begriffe zusammengehören und welche nicht.

Verschiedene Wörter für Versöhnen

Es gibt im Römerbrief verschiedene Wörter für Versöhnen. Hier wird der Wortstamm «sühnen» genutzt, der diesen Schutz vor dem Zorn Gottes symbolisiert (gr. hilasterion, hilaskomai, hilasmos). Dabei bleibt es im Römerbrief aber nicht. Ab Kapitel 5 führt Paulus ein neues Wort ein, womit etwas ganz anderes gemeint wird. Hier geht es um den alttestamentlichen Begriff. Später wird ein neues Wort eingeführt, gr. katalasso, welches eine andere Bedeutung hat und deshalb neue Aspekte vom Evangelium ausführlicher erklären kann. Das wird im weiteren Verlauf dieser Studien ausführlicher beleuchtet. An dieser Stelle macht Paulus vor allem einen direkten Bezug zum Alten Testament, womit er die Juden in der römischen Gemeinde mit einem klaren Vergleich den Weg zeigt.

Gottes Gerechtigkeit

Beim Lesen der Bibel sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen. Es geht zuerst darum, den Text selbst zu lesen, die Geschichte und Erzählung zu folgen. Der aufmerksame Leser findet dann bestimmte Wörter am Anfang und andere Wörter später. Was erklärt wird, hat jedoch nichts mit Wörtern zu tun, sondern die Wörter werden lediglich dazu benutzt, eine geistliche Realität abzubilden. Es wird ein Sachverhalt skizziert und es wird eine Geschichte, nämlich eine Entwicklung erzählt.

Wie kommt es nun zu diesen Ideen und warum geht es hier? Wie im Alten Testament, so auch hier im Römerbrief: Lesen wir aufmerksam mit Paulus mit, dann entdecken wir, dass er stets Gottes Handeln zentral stellt. Ein Opfer hat keine Bedeutung an sich, sondern es erhält einen Wert durch die Bedeutung, die Gott daran gibt. Nicht jedes Tier ist ein Opfertier. Trotzdem wurden manche Tiere als Opfer anerkannt, wenn sie nach dem Ritus und den von Gott eingesetzten bildhaften Regeln als Opfer dargebracht werden. Fast identisch kann man von Jesus sagen, dass ein Tod durch Kreuzigung im römischen Reich nichts Besonderes war. Dennoch wurde gerade diesem einen Tod eine besondere Bedeutung zugemessen. Wir dürfen uns bewusst sein, dass es immer um Gott geht, der den Wert bestimmt.

Deswegen schrieb Paulus:

«Christus Jesus … den Gott sich als Sühnedeckel vorsetzte.»

Röm 3,25 (KNT)

Es ist Gottes Handeln. Damit ist das auch in einer Linie mit den Aussagen in der Tenach, denn auch dort ging es um den Wert, den Gott daran gab. Selbstverständlich kann das Blut von Tieren nichts bewirken. Der Opferdienst konnte nur etwas bewirken, weil sie von Gott selbst als vorübergehende Lösung eingesetzt wurde. Das Blut von Tieren kann vor Gott nicht wirklich gerecht machen, also hat Er mit der Bild der Opfer über all diese Vergehen der Menschen hinweggesehen. Jetzt aber, in Christus, hat er etwas völlig Neues bewirkt. Dies war keine vorübergehende Lösung, sondern die Lösung, womit Gott Seine eigene bleibende Gerechtigkeit bewirkt.

«Christus Jesus … den Gott sich als Sühnedeckel vorsetzte, durch den Glauben an Sein Blut, zum Erweis Seiner Gerechtigkeit, wegen des Hinweggehens über die vormals geschehenen Versündigungen in der Tragkraft Gottes, zum Erweis Seiner Gerechtigkeit zur jetzigen Frist, damit Er gerecht sei und den rechtfertige, der aus dem Glauben Jesu ist – wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen!»

Röm 3,25-27

Gott Selbst bewirkt Gerechtigkeit. Das ist der Schlüssel zum Verständnis des Evangeliums der Gnade, wie Paulus davon spricht. Das wurde bereits im Alten Testament (Tenach) verheissen, und wird nun hier als definitive Lösung offenbart. Einerseits sehen wird damit die Entwicklung, andererseits jedoch die Verwurzelung in der Geschichte von Israel.

Gott hat all das vorausgesehen und hat früher über alle menschliche Verirrungen hinweggeschaut. Das Ziel war es jedoch, die Situation der Entfremdung zwischen Menschen und Gott bleibend zu ändern. Das ist jedoch nur möglich, wenn Gottes eigene Gerechtigkeit zur Geltung kommt.

Die Gerechtigkeit Gottes kommt in Christus Jesus zur Geltung.