Friede mit Gott ist wichtig und schön. Täglich Zugang zu diesem Frieden zu finden, ist auch viel wert. Dort hört es aber nicht auf. Die Gerechtigkeit Gottes, worüber Paulus in den vorangegangenen Kapitel schrieb, zieht immer weitere Kreise. Einblick schenkt Ausblick.

Nicht nur das!

Wir lesen weiter im Römerbrief, Kapitel 5. Er schreibt:

«Nicht allein aber das,
sondern wir mögen uns auch in den Drangsalen rühmen, wissend, dass die Drangsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Erwartung. Die Erwartung aber lässt nicht zuschanden werden, weil die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist durch den uns gegebenen Heiligen Geist.»
Röm 5,3-5

Paulus dehnt die Bedeutung von Gottes Gerechtigkeit immer weiter aus, so, als gibt es einen kausalen Zusammenhang mit jedem vorherigen Schritt. Sie bewirkt zuerst Frieden für uns, Frieden mit Gott. Dann aber wirkt es auch in unser Leben hinein. Wir rühmen uns nicht nur in dem, was wir von Gottes Wirken verstehen, sondern lernen sogar die schwierigen Dinge im Leben in diesem Licht zu betrachten.

Es geht nicht um eine oberflächliche Betrachtung. Es geht um eine Erfahrung, die jeder nur selber machen kann. Sogar unangenehme oder gar bedrohliche Situationen können Gutes beinhalten. Das lässt aufhorchen. Damit ist nicht gemeint, dass man kritiklos alles hinnehmen soll, oder man falsche Dinge nicht klar beim Namen nennen sollte. Paulus spricht von einem Konzept, ein Verständnis der Realität, worin Gottes Wirken durch uns hindurch eine Frucht bringen kann (nicht: muss):

  • Drangsal bewirkt Ausharren

  • Ausharren bewirkt Bewährung
  • 
Bewährung bewirkt Erwartung

  • Erwartung lässt nicht zuschanden werden

  • weil die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist

Die Liebe Gottes als Antrieb

Von Drangsal bis Ausharren, bis Bewährung und bis zur Erwartung liegen Prozesse. Das eine bewirkt das andere. Das geht wohl nicht von heute auf morgen. Dass aber so etwas «Negatives» wie Drangsal ein «positives» Resultat hervorrufen kann, hängt damit zusammen, dass Gottes Liebe in unseren Herzen ausgegossen ist. Das ändert alles.

Diese Liebe Gottes, von dem der Apostel in den nächsten Versen noch einmal spricht, lässt in der Erwartung nicht zuschanden werden. Die Liebe Gottes lässt uns die Dinge in Seinem Licht erkennen, lässt uns die Dinge richtig verknüpfen. Wir werden in Gottes Geschichte hineingenommen und verstehen uns selbst nun auch so.

Paulus ist nicht weltfremd

Selbstverständlich heisst dies nicht, dass wir die ganze Welt nun plötzlich mit rosaroter Brille anschauen. Es ist keine Verharmlosung der Wirklichkeit, die Paulus hier propagiert, oder eine Verherrlichung des Märtyrertums, noch ein weltfremdes Verneinen des Leidens. Im Gegenteil – er geht von dem Leiden und von der Drangsal aus. Welcher Art die Drangsal ist, erklärt er nicht. Er spricht aber so, als hätte nicht nur er selbst die Erfahrung, sondern auch die Römer wüssten wohl, worum es geht. So kann er es mit wenigen Worten erwähnen.

Druck und Not

Was können wir uns bei der Drangsal vorstellen? Eine Christenverfolgung gab es damals schon, und Paulus selbst gehörte zu denen, die die neue Gruppe der Christen verfolgen und töten wollte (Apg 8,1-3, Apg 9,1-2, 1Tim 1,12-13). An anderer Stelle spricht der Apostel von den vielen Entbehrungen und Herausforderungen, die er selbst erlebt hat (2Kor 11,23-28).

Aus diesen und ähnlichen Stellen können wir entnehmen, dass das Leben nicht einfach war. Es gab genügend Druck und Not, dass man daran das Ausharren erlernen könnte. Jeder Mensch erfährt Druck und Not im eigenen Leben, der eine hier, der andere dort. Da hat sich nichts geändert. Ich vermute jedoch, es geht den meisten Lesern heute deutlich komfortabler als den Menschen zur Zeit von Paulus.

Es geht um die Frucht

Versuchen wir nun die Zusammenhänge zu verstehen. Druck und Not bewirken etwas. Es geht um die Frucht. Manche Dinge entstehen erst unter Druck. Diamanten beispielsweise. Lebenserfahrung gehört auch dazu. Wenn Erfahrungen zu schwer sind, kann man daran zerbrechen. Darüber spricht der Apostel hier aber nicht. Ihm geht es um grössere Zusammenhänge, um die Konzepte. Er möchte der Gemeinde in Rom (und zwar den Starken wie den Schwachen. Röm 14,1) etwas schreiben, wonach Sie ihr Verständnis und ihren Alltag ausrichten können.

Wenn man diese Zeilen liest, soll man kurz die eigene Erfahrung ausblenden. Es geht nicht immer um mich oder um dich, wenn etwas geschrieben steht. Damit wir lernen, müssen wir hinhören. Was will der Apostel sagen? Es funktioniert so:

Drangsal bewirkt Ausharren, wenn wir unter dem Druck stehen bleiben. Ausharren bewirkt Bewährung. Sie zeigt, dass wir die Drangsal in unserem Leben integrieren und aushalten können. Wir werden nicht von allem aus der Bahn geworfen. Das ist die Wirkung von Gnade und Zuspruch in unserem Leben. Wenn das gelingt – wir dürfen üben – dann erlernen wir an der Bewährung, was Erwartung heisst. Wir lernen den Blick nach vorn zu richten, uns nach Gottes Handeln und Ziel auszurichten. Erwartung lässt nicht beschämt werden im Alltag, denn wir sind vertraut mit Gottes Liebe in unserem Leben («Gottes Liebe wohnt uns inne, durch Seinen Heiligen Geist.»).

Einblick und Erfahrung schenken Weitblick

Paulus spricht über die Erfahrung. Vielleicht ist es bisher nicht Deine oder meine Erfahrung. Paulus jedoch schaut vorwärts, aus eigener Erfahrung. Er teilt mit der Gemeinde in Rom, was wirklich weiter hilft. Darum geht es. Er beschreibt, wie die Gerechtigkeit Gottes sich im Alltag äussert und bewährt.

Erwartung ist nicht lebensfremd. Sie ersetzt diese Welt nicht einfach durch ein Jenseits-Bild oder durch eine fromme Projektion. Der Apostel versucht hier keine Parallelwelt zur täglichen Erfahrung zu schaffen. Er möchte uns in dieser aktuellen Welt, worin wir stehen, aus der Kraft Gottes leben lassen.

Wir haben sowohl eine Erwartung, die sich in unserem Leben bewährt, als auch haben wir ein Verständnis von Gottes Liebe, ebenfalls durch eigene Erfahrung. Beide sind im Hier und Jetzt verankert. Wenn das nicht klar ist, kann man danach fragen. Das ändert unsere Sicht. Einblick schenkt Ausblick. Das gilt für den heutigen Tag.

Ausführlich schreibt der Apostel noch einmal von diesen Dingen in Römer 8, worauf ich hier kurz vorgreife:

«Denn auf diese Erwartung (Röm 8,18-23) hin wurden wir gerettet. Erwartung aber, die erblickt wird, ist keine Erwartung; denn das, was jemand erblickt – erwartet er das etwa noch? Wenn wir aber erwarten, was wir nicht erblicken, so warten wir mit Ausharren darauf.»
Röm 8,24-25