Abraham war Vater aller Gläubigen, sowohl der Beschnittenen aus Israel, wie auch der Unbeschnittenen aus den Nationen. Römer 4 befasst sich ausgiebig damit. Am Ende dieses Kapitels zeigt Paulus auf, wie verschiedene Elemente in der Verkündigung zusammengehören.

Dies schreibt Paulus als Zusammenfassung und Interpretation:

«Doch nicht allein um seinetwillen [Abraham] wurde es geschrieben, dass es ihm angerechnet wird, sondern auch um unsertwillen, denen es künftig angerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, Ihn, der um unserer Kränkungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt wurde.»
Röm 4,23-25

Weitreichende Vergleiche

Paulus referiert direkt an Abraham. Halten wir dabei fest, dass Paulus nicht irgendwie Zweifel an Abraham hätte, ob dieser Mann echt lebte. Er geht schlicht von der Geschichte in der Bibel aus. Das ist sein Ausgangspunkt. Das ist bei allen Annahmen über die Bibel bedenkenswert. So wie die Geschichte in der Bibel aufgeschrieben ist, wird sie von Paulus hier ernst genommen. Der Apostel lässt sich nicht dazu verführen, irgendwelche Annahmen über Abraham plötzlich in den Mittelpunkt zu rücken. Ihm geht es um das, was er gelesen hat. Er wendet die Geschichte nun auch an. Damit interpretiert und erweitert er die Bedeutung.

«Doch nicht allein um seinetwillen wurde es geschrieben, dass es ihm angerechnet wird, sondern auch um Unsertwillen, denen es künftig angerechnet werden soll.»
Röm 4,23-24

«Diejenigen, denen es künftig angerechnet werden soll» spricht von der Perspektive von Abraham. Paulus spricht sozusagen von Abraham aus über seine eigene Generation. «Künftig» ist demnach die Zeit von Paulus, und die Aussage erweitert sich auf die Gruppe, die dort erwähnt ist – was bis heute zutrifft. Es geht um die Gerechtigkeit aus Glauben, die Abraham erhielt, bevor er beschnitten war (1Mo 15,6). Genau so funktioniert Glaube heute für die Gläubigen aus den nicht jüdischen Völkern. Wer alles von Gott erwartet und Ihn vertraut, wird dadurch gerechtfertigt, genauso wie Abraham.

Beachten wir, dass es weder bei Abraham, noch bei Paulus, etwa um «ewige Rettung» oder ein «vermeiden der Hölle» geht. Solche Ideen werden gerne überall rein projiziert, wo von Glaube die Rede ist. Das ist die Doktrin in vielen christlichen Gemeinschaften. Die Bibel kennt diesen Zusammenhang für Abraham jedoch nicht und auch Paulus spricht hier nicht davon.

Paulus spricht über das, was Kern der Sache ist: Friede mit Gott zu erlangen. Das jedoch ist keine «Glaubensanstrengung», sondern es ist gerade ohne meine Anstrengung, nämlich durch Glauben in Gottes Anstrengung. Das ist die frohe Botschaft, wie sie Paulus im Römerbrief erklärt. Mehr dazu im Beitrag «Umsonst gerechtfertigt» zu Römer 3,24. Sowohl im Fall von Abraham, als auch bei unserer Rechtfertigung, geht es gerade nicht um unsere Anstrengung, sondern um das Vertrauen auf Gott, der alles bewirkt. Das richtig zu würdigen erscheint unwahrscheinlich schwer, wenn man die Doktrin «glaube an Jesus, sonst bist du für immer verloren» verinnerlicht hat. Es wird jedoch sehr viel verständlicher, wenn wir einmal die Position von Abraham einnehmen und versuchen zu verstehen, worum es damals ging. Für Abraham ging es nicht darum, «an Jesus zu glauben, oder für ewig verloren zu gehen».

Was Abraham jedoch widerfuhr, ist für uns heute einen befreienden Zuspruch. Gott wirkt. Darauf vertraue ich.

Der Gott der wirkt

Beim Glauben geht es nie um mich oder um uns. Glaube hat nicht sich selbst oder den Glaubenden zum Inhalt. Glaube richtet sich auf etwas anderes. Das ist der Kern. Wir vertrauen jemand, genauer gesagt «Jemand», nämlich Gott.

Paulus spricht deshalb nicht von einer Glaubensleistung von etwa mir oder Dir, sondern von Gottes Leistung:

«die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat.»
Röm 4,24

Immer wieder fokussiert der Apostel die Leser seines Briefes auf das Wesentliche. Konsequent verweist er auf Gottes Wirken in Christus. Tun wir es ihm nach, werden wir erfahren, wie befreiend Glaube sein kann.

Zwei Seiten der Verkündigung

Gottes Wirken sehen wir an der Auferstehung. Wir vertrauen dem Gott, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat. Jesus ist keine One-Man-Show. Er hätte das allein so nicht geschafft. Die Aussage ist, dass Er von Gott auferweckt wurde. Damit stellt Paulus uns mitten in Gottes Wirken hinein. Man könnte dies auch, in christlicher Geheimsprache, formulieren als «mitten ins Heilsgeschehen hinein».

Hier sind wir beim Kern angekommen. Die Rechtfertigung aus Glauben hat mit meinem oder Deinem Glauben herzlich wenig zu tun. Es geht um Gottes Wirken. Es geht um Seine Gerechtigkeit. Daran dürfen wir teilhaben. Das wurde für uns gemacht. Wenn Dich diese Botschaft im Herzen berührt, entsteht das, was Vertrauen oder Glauben genannt wird. Die Antwort des Herzens ist: «Hey, ich bin gemeint!». So entsteht Glaube. Es ist kein Für-wahr-halten trockener Theorie, keine magische Kraft, die etwa aus meiner Glaubensanstrengung entstehen würde, sondern es ist das Vertrauen auf Gottes Wirken zu Deinen Gunsten.

Nun aber spricht Paulus vom Auferstandenen, von Jesus, von unserem Herrn. Er ist das Wirken Gottes in dieser Welt. Er ist das auf besondere Art und insbesondere für zwei Dinge. Das sind die zwei Seiten der Verkündigung, die hier erwähnt werden dürfen:

«Der um unserer Kränkungen willen dahingegeben
und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt wurde.»
Röm 4,25

Beide Dinge gehören zusammen. Er wurde in den Tod dahingegeben und auch auferweckt. Das Erste geschah nicht etwa wegen «Sünde allgemein», sondern wegen «unserer Kränkungen». Der Gegenpol geschah durch die Auferweckung. Diese war «um unserer Rechtfertigung».

Eine Kränkung ist etwas anderes als Sünde. Sünde ist die Tat, oder die Zielverfehlung. Eine Kränkung jedoch berührt das Herz. Wir ermangeln nicht nur Gottes Herrlichkeit (Röm 3,23), sondern wir haben, in einer Bildsprache, Sein Herz gekränkt. Es ist eine persönliche Perspektive. Gott ist Liebe, kein Regelwerk. Selbstverständlich kann Sein Herz gekränkt werden. Beachten wir diese Wörter, dann verstehen wir leichter, mit welchem Tiefgang Paulus hier spricht.

Vergleichen wir etwa die Geschichte der Welt kurz vor der Sintflut. Die Sintflut kam, weil vieles schiefgelaufen war auf Erden. Die Menschen waren in ihrem Tun entgleist. Gott sprach da: «Es bekümmerte ihn in sein Herz» (1Mo 6,6). Auch da geht es um so etwas wie eine Kränkung. Dasselbe bringt Paulus im Römerbrief zum Ausdruck.

Deshalb wurde Jesus, unser Herr, in den Tod dahingegeben, damit das Problem der Verfremdung von Gott endgültig gelöst wird. Gott jedoch würde in seiner Verurteilung stecken bleiben, wenn die Geschichte hier aufhören würde. Das Gericht hätte dann das letzte Wort. Tod wäre die Endstation. Zum Glück jedoch ging es weiter. An Jesus können wir erkennen, dass Gericht in der Bibel nicht das letzte Wort ist. Es geht weiter mit Auferweckung.

Jesus wurde von Gott auferweckt. Das ist die Bestätigung dafür, dass die Kränkungen getilgt wurden. Gottes eigene Gerechtigkeit wurde erreicht. Damit kommt ein Rechtsspruch, der durch die Auferweckung Jesu machtvoll bewiesen wurde. Das betrifft nun auch uns. Denn dieser auferweckte Jesus wurde auferweckt «um unserer Rechtfertigung willen».

Das nun ist die Überführung in das nächste Kapitel:

«Gerechtfertigt nun aus Glauben, dürfen wir mit Gott Frieden haben durch unseren Herrn Jesus Christus.»
Röm 5,1

Es bringt also nichts, würden wir nur den Tod Jesu proklamieren. Das wäre eine halbe Sache. Die Auferweckung gehört dazu. Ohne Auferweckung wäre alles umsonst (1Kor 15,12-19). Die beiden Dinge gehören zusammen. Beide Seiten bewirken etwas. Sein Tod bewirkte Gottes Gerechtigkeit und Tilgung der Kränkungen. Seine Auferstehung bestätigt dies und ist dadurch Grundlage für unsere Rechtfertigung.

Es ist gut, wenn man sagt, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist. Was dazu gehört, ist jedoch, dass er für unsere Rechtfertigung auferweckt wurde.