«Nun aber hat sich, getrennt vom Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart (vom Gesetz und den Propheten bezeugt), eine Gerechtigkeit Gottes aber durch den Glauben Jesu Christi, die für alle ist und auf alle Glaubenden kommt. Denn da ist kein Unterschied; denn alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.»
Römer 3,21-23

Wie Gottes Gerechtigkeit entsteht

Paulus ist hier im Römerbrief gerade dabei, etwas ganz Neues zu erklären. Siehe dazu auch die bisherigen Beiträge. Es geht in Römer 3,21 weiter, wo der Apostel in Römer 1,17 aufgehört hat. Dazwischen liegt ein Abschnitt über die «Ungerechtigkeit der Menschen». Nun nimmt er den Faden von Römer 1 wieder auf.

In Römer 1,17 schrieb Paulus:

«Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin [im Evangelium] enthüllt 
aus Glauben für Glauben.»


Gottes Gerechtigkeit, so lesen wir in diesem Vers, hat etwas mit Glauben zu tun. Der Frage ist jedoch, wessen Glaube hier gemeint wird. Der etwas seltsam anmutende Ausdruck «aus Glauben für Glauben» wird im ersten Kapitel nicht weiter erklärt. Jetzt, wo Paulus das ursprüngliche Thema von der Gerechtigkeit Gottes ab Römer 3,21 aufgreift, kommt auch diese zweifache Glaubensaussage wieder zum Zug. Zentral geht es um die Frage, wie genau Gottes Gerechtigkeit zustande kommt.

Er schreibt:

«Eine Gerechtigkeit Gottes aber durch den Glauben Jesu Christi, die für alle ist und auf alle Glaubenden kommt.»
Röm 3,22

Die Gerechtigkeit Gottes entsteht weder durch meinen Glauben noch durch Deinen Glauben, sondern ausschliesslich durch den Glauben Jesu Christi. Das wird meist anders gelehrt. In vielen Gemeinschaften und Glaubensvorstellungen muss der Mensch selbst leisten. Auch Glaube wird zu einer Leistung, zu einem Werk, zu einer Zahlung an Gott hochstilisiert. Das tönt dann in etwa so: «Du musst Glauben, sonst kann Gott nichts tun. Wenn du nicht glaubst, kann Gott nicht retten. Er ist ohnmächtig, wenn Du den Hebel des Glaubens nicht bewegst.» Wie anders spricht da der Apostel Paulus!

Schauen wir den Text und die enthaltenen Aussagen etwas näher an.

Der Glaube Jesu Christi

Erstens wird hier von dem Glauben Jesu Christi, also von Seinem Glauben, gesprochen. Wer das noch nie so gehört hat, sollte dies einmal auf sich einwirken lassen. Es ist eine bedeutsame Aussage. Es steht hier im Griechischen ein Genitiv: «durch Glauben Jesu Christi» (gr. διὰ πίστεως Ἰησοῦ Χριστοῦ). Um wessen Glaube geht es hier? Um Seinen Glauben! Hier geht es um den Glauben von Jesus, wodurch Gottes Gerechtigkeit entstand. Paulus lenkt den Blick hinweg von eigener Leistung und richtet unseren Blick auf Gottes Wirken. Vater und Sohn haben hier gemeinsam etwas bewirkt. Das ist die Botschaft des Evangeliums. Die beiden haben Gottes Gerechtigkeit ermöglicht. Das ist «vollbracht». Paulus lenkt den Blick auf Gottes Werk, der zustande kam durch diesen Glauben Jesu Christi. Durch diesen Glauben ging Jesus den Weg des Kreuzes ging und sagte: «Nicht mein Wille, sondern der Deine geschehe» (Luk 22,42).

Eine Übersetzung wie «Glauben an Jesus Christus» oder «in Jesus Christus» ist hier nicht das Thema. Wer das so übersetzt, macht eine Projektion. Der Text liest sich ganz anders. Es geht um Seinen Glauben. Dadurch entstand die Gerechtigkeit Gottes. Das ist radikal anders, als viele Menschen hier lesen. Durch Seinen Glauben ist Er an das Kreuz gegangen. Sein Glaube wurde so die Grundlage unserer Rettung. Es geht hier um das, was Gott selbst macht – durch Seinen Sohn. Was dabei herauskommt, ist ein Evangelium, eine frohe Botschaft. Gott Selber ist hier am Werk und Jesus führt Seinen Auftrag aus, wenn Er Gottes Wille vollbringt. Das klingt durch in den Worten Jesu am Kreuz: «Es ist vollbracht!» (Joh 19,30).

Gottes Gerechtigkeit betrifft nun «alle»

Zweitens wird uns nun diese Gerechtigkeit geschenkt. Ganz umsonst! Bedenken wir zuerst, an wen Paulus sich hier richtet. Es ist keine allgemeine Aussage über die ganze Menschheit. Er schreibt an die Gemeinde in Rom. Seine Zuhörer sind Gläubige. Sie vertrauen Gottes Wort. Sie alle werden jedoch gleichermassen teilhaben an dieser Gerechtigkeit, die Gottes selbst bewirkt hat.

Das ist eine wichtige Aussage mit grosser Reichweite, denn zu dieser Zeit gab es Unterschiede in der Gemeinde. Es gab Glaubende aus Israel (Juden) und Glaubende aus den Nationen (Nichtjuden). In den Briefen des Apostels sieht man regelmässig, wie es eine Auseinandersetzung zwischen beiden Gruppen gibt. Mehr als nur einmal haben die Glaubenden aus Israel gemeint, sie hätten Vorrechte und die Nationen-Gläubige stehen nicht am gleichen Ort wie sie. Diese Meinung korrigiert Paulus hier.

Die Gerechtigkeit Gottes ist nun «für alle» und kommt «auf alle Glaubenden» und nicht nur auf ein Teil der Glaubenden. Er räumt falsche Interpretationen auf, die innerhalb der Gemeinde grassierten. Es gibt keine Unterschiede. Alle erhalten die Gerechtigkeit Gottes aus Gnaden und umsonst. Es geht nicht um Deine oder meine Abstammung, nicht um Dein oder mein Glaube, sondern es geht ausschliesslich um Gottes eigene Gerechtigkeit, die durch den Glauben Jesu entstand. Alle werden aus Glauben leben, weil Gottes Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Sie gilt den gläubigen Juden in der römischen Gemeinde ebenso wie Glaubenden aus den Nationen.

Der Glaube von Jesus Christus sieht Paulus als Grundlage für Gottes Gerechtigkeit. Gott hat es umfassend gelöst. Es gibt keine Unterschiede mehr vom Mensch aus gesehen. So hatte Paulus bereits in Römer 1 geschrieben: «Der Gerechte wird aus Glauben leben» (Röm 1,17, vgl. Hab 2,4). Das ist eine allgemeine Aussage, denn derjenige, der an Gottes Gerechtigkeit teilhaben darf, erhält für sein Leben eine andere Grundlage. Menschliche Unterschiede fallen weg, ebenso wie vermeintliche Vorteile aus einer bestimmten Abstammung. Der Jude erhielt Gottes Gerechtigkeit auf dieselbe Art wie der Glaubende aus den Nationen. Beide haben nichts dazugetan. Beide erhalten es umsonst. Es ist Gottes Gerechtigkeit, die Er selbst nun verschenkt. Sie ist von nichts abhängig, was von mir kommen könnte. Das ist die frohe Botschaft.

Glaube ist keine Vorbedingung

Viele lesen diesen Bibelvers ganz anders. Da wird von einem Glauben «in» oder «an» Jesus Christus gesprochen und der zweite Teil des Verses wird so interpretiert, dass es sich um ein Auswahlkriterium Gottes handelt. Man projiziert dann folgender Gedanke auf den Text: «Nur wer glaubt, der erhält diese Gerechtigkeit Gottes». Diese Aussage geht jedoch völlig am Text vorbei. Es ist eine Projektion, die vom Text selbst korrigiert wird – wenn wir sie Bibel-nah übersetzen und den Kontext einbeziehen.

Paulus macht hier keine Aussage über die ganze Welt, sondern er spricht zu den Gläubigen in der Gemeinde in Rom. Er spricht nicht über Menschen ausserhalb der Gemeinde. Er macht klar, ebenso wie an vielen anderen Stellen, dass es innerhalb der Gemeinde keine Unterschiede gibt. Die neue Menschheit in Christus besagt, dass wir zum Bild von Christus erneuert werden, «wo es keinen Griechen und Juden gibt, weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit, weder Barbaren noch Skythen noch Sklave und Freie, sondern alles und in allen Christus» (Kol 3,10-11). Alle stehen am gleichen Ort.

Dass diese zwei Gruppen («Juden» und «Nichtjuden») gemeint sind, geht aus den vorher genannten Versen hervor. Paulus hat zuvor erklärt, dass niemand gerecht ist, auch nicht einer (Röm 3,10) und die sogenannten Vorzüge des Gesetzes (der Juden) relativ sind, denn das Gesetz bewirkt keine Gerechtigkeit, sondern bringt lediglich Erkenntnis der Sünde (Röm 3,19-20). Was Paulus anschliessend beschreibt, ist «getrennt vom Gesetz». Paulus bestätigt nicht Vorzüge aus einer Abstammung, sondern räumt gerade damit auf. Was Paulus schreibt, ist anders. Es gehört einer anderen Kategorie an.

Paulus spricht über die Gerechtigkeit Gottes, die offenbart wird (die also bis dahin verborgen war) und diese Gerechtigkeit entstand «durch den Glauben Jesu Christi». Das sollte die Gemeinde wissen. Sie sollten auch die Konsequenzen davon sehen, nämlich, dass sie «für alle ist, und auf alle Glaubenden kommt». Das ist ohne Unterschied. Alle Glaubenden sind ohne Unterschied einbezogen. Es ist kein Ausschlusskriterium für Ungläubige, sondern ein Einschlusskriterium für die Gläubige aus den Nationen, die auf gleicher Ebene mit den Glaubenden aus Israel stehen.

Der Glaube von Jesus wird öfter erwähnt

Der Text in Römer 3 ist kein Einzelfall. Auch an anderen Stellen wird von diesem «Glauben Jesu Christi» gesprochen. In vielen Übersetzungen wird das falsch übersetzt. Hier eine Liste der weiteren Stellen, damit man selbst nachprüfen kann:

  • Römer 3,22
  • Römer 3,26
  • Galater 2,16 (2x)
  • Philipper 3,9

Der Kontrast ist immer mit dem Gesetz. Die Aussage gilt immer innerhalb der Gemeinde. Paulus verweist konsequent auf Gottes Handeln in und durch Seinen Sohn.