Durch die Jahrhunderte wurde die Kirche oft als «das Volk Gottes» verstanden. Mit einer leiblichen Abstammung hat das jedoch nichts zu tun. Die Zweckentfremdung des Wortes «Volk» führte zu allerlei Verwirrungen. Man ging davon aus, dass die Kirche Israel ersetzt hat. Die Bündnistheologie sah der alte Bund (das Alte Testament) von einem neuen Bund (Neues Testament) abgelöst. Der Alte Bund, das war Israel, der Neue Bund, das wäre die Kirche. Bei dieser Sicht hat Israel natürlich abgetan. Das ist die sogenannte «Ersatztheologie». Für Israel gab es keine Zukunft mehr. Schlimmer noch: Diese Sicht begünstigt Antisemitismus auf übelste Art. Die theologische Begründung, dass Juden «Gottesmörder» sind, wurde durch diese Theologie mitgetragen.

Martin Luther und die Juden

Martin Luther hat die Reformation ins Rollen gebracht. Es gab aber nicht nur Positives. Er selbst hatte eine zutiefst antisemitische Haltung. Einige «Judenschriften» wurden später von der NS Propaganda für den deutschen Faschismus genutzt. Die Evangelische Kirche hat dies erst in unserer Zeit korrigiert. Der ursprüngliche Gedanke, dass die Kirche Israel ersetzt hat, sitzt jedoch tief und findet in diversen Strömungen bis heute einen Ausdruck. Spürbar ist das beispielsweise in dem Ausdruck «geistliches Israel», wonach die heutige Gemeinde aus einem unbekannten Grund der rechtmässige Erbe aller Segnungen Israels sei, während Israel wegen Unglauben alle Flüche ausbaden muss.

Die Trennung zwischen Alter Bund und Neuer Bund, zwischen Altes Testament und Neues Testament, zwischen einem «alten» Israel und einem «neuen, geistlichen» Israel ist an den Haaren herbeigezogen. Das Verständnis ist eine Interpretation, die so in der Bibel nicht aufzufinden ist. Gott verstösst sein Volk nicht.

Die Ideen bleiben jedoch in vielen Gedanken über die Bibel präsent. Das ist das Erbe, womit auch wir uns etwas auseinandersetzen müssen, wollen wir mehr Verständnis für die Zusammenhänge in der Bibel erhalten.

Paulus und die Sicht auf Israel

Paulus klärt in Römer 9–11 die Gemeinde darüber auf, dass Gottes Wege mit Seinem Volk Israel nicht ersetzt werden und bislang nicht zum Abschluss gekommen sind. Es ist also etwas voreilig und überheblich, wenn wir Israel beiseiteschieben. Laut Paulus hat Gott mit Israel noch etwas vor, und geht mit diesem Volk einen eigenen Weg – wie auch mit uns als Glaubenden aus den Nationen. Aus dem Blickwinkel von Gottes Handeln betrachtet sind die Gruppen (Juden / Nationen) gleich, weil es nicht der Verdienst der Menschen betrifft, sondern auf Gottes Handeln beruht.

Durchblick gibt es hier allerdings nur, wenn wir die Bibel für sich selbst reden lassen. So wird der Neue Bund bereits im Alten Testament genannt:

«Siehe, Tage kommen, spricht der Herr, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schliessen werde.
Nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen, diesen meinen Bund, den sie gebrochen haben; und doch hatte ich mich mit ihnen vermählt, spricht der Herr.
Sondern dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schliessen werden, nach jenen Tagen, spricht der Herr: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein. Und sie werden nicht mehr jeder seinen Nächsten und jeder seinen Bruder lehren und sprechen „Erkennt den Herrn!“, denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Grössten, spricht der Herr. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken.»


Jer 31,31-34

Aus diesem Abschnitt lassen sich viele Fragen beantworten, etwa:

  • Wer erhält den neuen Bund?
  • Wie wird die Zeit des neuen Bundes beschrieben?
  • Wie kommt der Neue Bund zustande?
  • Wie ist die Referenz in Mt 26,28 und – im Vergleich – in 1Kor 11,25 zu verstehen?

Die Fragen lassen sich direkt aus dem Text beantworten. Was wir dort lernen, spielt im Neuen Testament eine wichtige Rolle, um die jüdische Erwartung recht zu würdigen. Beim Einstieg in das elfte Kapitel des Römerbriefes spielen alle diese Gedanken eine Rolle. Die Bestürzung der Christus-gläubigen Juden dieser Zeit über Ihr Volk ist verständlich, aber es gibt noch eine Zukunft. Paulus hetzt hier nicht gegen Israel, sondern klärt, weshalb die Zukunft Israels nach wie vor in Gottes Händen ist, sogar dann, wenn heute etwas anderes abläuft. Sein Vertrauen ist auf Gott.

Bild: Denkmal des Priesters Zacharias (rechts), im Kidron-Tal gleich ausserhalb der Altstadt Jerusalems am Ölberg. Solche und anderen Artefakten dürfen aufzeigen, wie stark Israel in und mit dieser Welt verknüpft ist. Wir können und dürfen die Position von Israel nicht kapern, wenn die Bibel klar eine Zukunft für Israel sieht.

Gott verstösst Israel nicht

«Ich frage nun: 
Gott verstösst doch nicht sein Volk? 
Möge das nicht gefolgert werden! 
Denn auch ich bin Israelit, aus dem Samen Abrahams, dem Stamm Benjamin.
 Gott verstösst Sein Volk nicht, dass Er zuvor erkannte.»
Röm 11,1-2

Hier steht es klipp und klar: Gott verstösst sein Volk nicht. Auch Paulus ist Israelit, aus dem Samen Abrahams, sogar dem Stamm Benjamins. Gott verstösst sein Volk nicht – bezeugt Paulus mit einem Verweis auf sich selbst. Er selbst ist Israelit. Nichts anderes sollte man da hineinprojizieren.

In den weiteren Versen erläutert Paulus diese Ausgangslage mit einigen Beispielen aus dem Alten Testament. Damit erklärt er, dass nicht immer das gesamte Volk im Fokus ist. Manchmal gibt es Situationen, die Auswege und Umwege benötigen, damit es weitergeht.

«Wisst ihr nicht, was die Schrift bei Elia sagt, wie er bei Gott gegen Israel vorstellig wird? – Herr, Deine Propheten töten sie, deine Altäre schaufeln sie herunter; nun bin ich allein übrig geblieben, und sie suchen nach meiner Seele (1Kön 19,14).
So ist folglich auch in der jetzigen Frist ein Überrest nach der Gnadenauswahl vorhanden.
Wenn aber in Gnaden, dann nicht mehr aus Werken;
 sonst wäre die Gnade nicht mehr Gnade.
 Wenn aber aus Werken, dann ist es nicht mehr Gnade;
 sonst ist das Werk nicht mehr Werk.»
Röm 11,1-6

Bereits im Alten Testament, dem jüdischen Tenach, finden wir Geschichten, worin einzelne Menschen durch schwierige Zeiten von Gott hindurchgetragen wurden. Ebenso gibt es, sagt Paulus, auch in der heutigen Zeit eine «Überrest». Diese kleine Auswahl hat dies nicht etwa «verdient», sondern es ist eine Auswahl nach Gottes Gnade. Es ist also nicht aus Eigenleistung, sondern dem Wirken Gott zu verdanken.

Paulus lenkt den Blick auf Gottes Handeln in der Geschichte.

Eigene Wege gehen

Betrachten wir den Verlauf der biblischen Geschichte, dann gibt es immer wieder bemerkenswerte Einschnitte und Änderungen. Auch im Neuen Testament passiert etwas Neues. Paulus enthüllt Dinge, die bis dahin verborgen waren. Er enthüllt Geheimnisse, die konkret benannt werden. Das betrifft speziell seine Aufgabe an die Nationen. Die Änderung war so umwerfend neu, dass viele dachten, dass Paulus die alttestamentlichen Prophezeiungen verliess. Regelmässig musste er seine Botschaft verteidigen. In den alttestamentlichen Gedanken nämlich stand Israel zentral. Wer eine lebendige Erwartung aufgrund alttestamentlicher Verheissungen hatte, konnte mit der Verkündigung von Paulus vielleicht wenig anfangen. Sogar Petrus, der mit den übrigen der Zwölf Aposteln für Israel unterwegs war, fand die Botschaft von Paulus recht speziell und schwer zu verstehen (2Pet 3,15-16).

Viele hegten die Annahme, dass es Israel und die Thora benötigte, damit die Nationen Gottes Wege kennenlernen würden. Diese Annahme stand aus zwei Gründen unter Druck. Erstens: Das Volk Israel hat, bis auf wenige Ausnahmen, Jesus als Messias gesamthaft nicht anerkannt. Das war ganz anders gelaufen, als sich das die ersten Gläubigen dieser Botschaft gedacht hatten (vgl. Apg 1,6). Zweitens: Die Nationen selbst dagegen wurden zu Glaubenden wegen des Evangeliums der Gnade, welches Paulus verkündete – ganz ohne Vermittlung von Israel. Das war alles umwerfend neu und verwirrend zugleich. Logisch, dass dazu viele Fragen aufkamen.

Wenn Israel jedoch gesamthaft nichts mit diesem Jesus als Messias zu tun haben wollte, nur wenige glauben, dafür viele aus den Nationen zum Glauben kommen, geraten bisherige Vorstellungen in Bedrängnis. Es drängt alles zu einer vertieften Auseinandersetzung. War das von den Propheten nicht auf andere Art verheissen? Was geschah gerade? So oder ähnlich kann man sich die Bestürzung aus diesen ersten Jahrzehnten ausmalen.

Es scheint, dass das Volk Israel als Ganzes momentan eigene Wege geht. Wer eigene Wege geht, fällt dadurch nicht aus dieser Welt heraus. Hunderte von Jahren war Israel das Thema, während die übrigen Nationen ihre eigenen Wege gingen (vgl. Apg 14,16). Deswegen geht es auch nicht darum, andere – etwas Israel oder die Juden – zu verdammen, wie das im Laufe der Kirchengeschichte nur zu oft getan wurde. Vielmehr hat sich in der Geschichte des Neuen Testaments der Fokus geändert. In der Kirchengeschichte hat sich nicht der Fokus geändert, sondern Israel wurde geradezu das Existenzrecht abgesprochen, als hätten sie auf ewig eine Schuld auf sich geladen. Nüchtern betrachtet passiert jedoch nur dies: Einst standen die Nationen ausserhalb Gottes Handeln. Aktuell ist Israel dran, wenn wir Paulus hier korrekt verstehen. Die Situation hat sich 180° gedreht. Das hat selbstverständlich einen Grund, aber darüber kann nachgedacht werden.

Wichtig ist hier, dass dies kein Entscheid über «ewiges Heil» darstellt, noch eine antisemitische Botschaft sein soll. Das ist nicht der Fall. Paulus ist selbst Jude, Jesus war Jude, ebenso wie die übrigen Apostel. Hier beschreiben wir die Wege, die Gott mit der Menschheit geht. Gehorsam und Ungehorsam gehören alle dabei. Paulus hatte bereits in Römer 3 festgehalten, dass kein Mensch gerecht ist und kein Mensch Gott sucht. Unser aller Ruf ist schon lange ruiniert. Das Evangelium spricht deshalb nicht von uns, sondern von Gottes Lösung. Diese Lösung ist eine Geschichte, die sich allmählich präsentiert. Paulus ist dabei, etwas aus Gottes Sicht zu erklären.

Das Ziel Gottes vor Augen

Der Fokus lag einst auf Israel. Heute liegt der Fokus auf die Gemeinde. Damit wird etwas Neues erreicht. Auch die heutige Zeit wird jedoch wieder abgelöst von etwas anderem. Darauf kommt der Apostel im Verlauf des Kapitels noch zu reden. Es ist nicht so, dass Israel es falsch gemacht hat und jetzt wir perfekt sind. Davon sind wir weit entfernt. Es ist vielseitiger, differenzierter, besser. Wenn Paulus diesen Brief schreibt, ändert sich gerade viel. Versetzen wir uns zurück in die Zeit des Neuen Testaments und versuchen wir zu erahnen, was gerade alles abläuft. Vielleicht können wir diese Neuausrichtung wie folgt einen Rahmen geben:

Gott will einmal alles in allen sein (1Kor 15,28). Das ist Sein Ziel. Dort führt alles hin (Röm 11,36). Auf dem Weg dorthin gibt es verschiedene Entwicklungen, damit am Schluss alle erreicht werden. Israel wurde berufen. Die Aufgabe des Volkes wurde für die Zukunft verheissen. Soweit ist es bisher nicht. Auf dem Weg in diese Zukunft kommen wir in die Zeit des Neuen Testaments. Hier passiert vieles in kurzer Zeit. Bemerkenswert war die Berufung eines neuen Apostels, Paulus, der allein als «Apostel der Nationen» (Röm 11,13) bekannt ist. Durch sein Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal 2,7-9) beruft er Menschen aus allen Nationen. Das ist der Punkt, wo sich der Fokus ändert.

Diese Änderung vom Fokus wird durch das Evangelium der Gnade gekennzeichnet. Es gilt allen Nationen. Diese Botschaft der Gnade Gottes in Christus Jesus verändert Menschenleben. Sie werden davon berührt und antworten mit ihrem Leben. Wer das macht, zeigt die Berufung. Sie sind die Berufenen, aus der die heutige Gemeinde besteht. Das ist kein Ziel an sich, sondern sie wurden zu dieser neuen Einsatztruppe aus allen Nationen berufen. Ebenso wie Israel als Volk aus allen Nationen herausgerufen wurde, ist die heutige Gemeinde auch eine herausgerufene Schar an Menschen. Deshalb gibt es jetzt zwei Einsatztruppen, jede mit einer eigenen Aufgabe, auf dem Weg hin zum Ziel Gottes.

Paulus lebte in einer Übergangszeit. Er musste das adäquat beschreiben. Wie macht man das? Wie erklärt er, wie es weitergeht? Paulus beschreibt der Zustand für Israel als Momentaufnahme.

«Was folgt daraus?

Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; aber die Auswahl hat es erlangt.

Die übrigen dagegen wurden verstockt, wie geschrieben steht: 

Gott gibt ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, die nicht erblicken, und Ohren, die nicht hören, bis auf den heutigen Tag (Jes 29,10, 5Mo 29,4).
Und David sagt: Ihr Tisch werde ihnen zur Falle und zum Jagdnetz, zum Fallstrick und zur Vergeltung. Ihre Augen sollen verfinstert werden, damit sie nicht erblicken. Und den Rücken beuge ihnen allezeit! (Ps 69,23-24).»
Röm 11,7-10

Eindrücklich beschreibt Paulus hier, dass Gott Selbst die Abwendung vom Evangelium der Gnade in Christus Jesus bewirkt hat. Das erscheint verblüffend, aber ist nichts anderes, als das, was in weiteren Geschichten enthalten ist. Die Aussage ist: Gott wirkt. Diese Botschaft wird besonders da nicht gerne gehört, wo man die Eigenleistung des Menschen hervorhebt. Paulus will davon gar nichts wissen. Es geht ihm hier nicht um «die Verdammung der Übrigen», sondern darum, in allem das Wirken Gottes zu erkennen. Nur daraus erwächst Zuversicht.

Verwerfung und Wiederannahme

Paulus fährt mit seiner Argumentation weiter. Ist alles für Israel jetzt vorbei?

Ich frage nun:

Sie straucheln doch nicht, damit sie fallen sollten?

Möge das nicht gefolgert werden!

Sondern um sie zur Eifersucht zu reizen (Röm 10,19), 
wurde durch ihre Kränkung den Nationen die Rettung zuteil.
Wenn aber schon ihre Kränkung der Welt Reichtum ist und ihr Niedergang der Reichtum der Nationen, wie viel mehr wird es ihre Vervollständigung werden!»
Röm 11,11-12

Gottes Ziel ist nicht, dass Israel stolpert, damit es fällt. Vielmehr erfüllt gerade diese Situation einen Zweck. Durch ihre Kränkung wurde den Nationen die Rettung zuteil. Das betrifft die Gemeinde aus allen Nationen, die Paulus anspricht. Damit hört es für Israel nicht auf, sondern Paulus verweist im gleichen Atemzug darauf, dass auch Israels Vervollständigung kommen wird. Das muss er nun speziell den Gläubigen aus den Nationen nahelegen:

«Euch Nationen aber sage ich:
Insofern ich nun der Apostel der Nationen bin, verherrliche ich meinen Dienst,
ob etwa ich die von meinem Fleisch zur Eifersucht reizen und einige aus ihnen retten könnte.
Denn, wenn ihre jetzige Verwerfung der Welt Versöhnung ist,
was wird ihre Wiederannahme sein, wenn nicht Leben aus den Toten?»
Röm 11,13-15

Paulus möchte das Gute für Sein Volk. Das hat er bereits zu Anfangs der Kapiteln 9–11 erwähnt (Röm 9,1-5). Paulus spricht über den Rest von Israel, dass ihre jetzige Verwerfung (als Volk) einen Gegenpol hat. Das ist positiv. Das Wort «Verwerfung» tönt dramatisch, aber heisst, dass Israel gerade einen anderen Kurs fährt und nicht auf den Jesus-Zug aufgesprungen ist. Für alle, die in diesem Jesus-Zug sitzen, ist das erschütternd. Es ist aber nicht das Ende.

Mann kann von einem direkten Zusammenhang sprechen: Erst durch die Verwerfung von Israel konnte das Evangelium direkt zu allen Nationen gelangen. Für die Propheten war das Heil nur via Israel als Mittlervolk gedacht. Das trifft gerade nicht zu. Heute ist die Versöhnung direkt zu den Nationen gekommen, ohne Vermittlung von Israel. Das war grandios, es war anders, als die Propheten genannt haben, es war verstörend, es war neu. Deshalb gibt es viele Fragen dazu, sind viele bestürzt und wünschen zu wissen, wie es mit Israel weitergeht.

Wie es mit Israel weitergeht

Paulus skizziert den Zusammenhang, worin wir von Verwerfung von Israel reden können. Dort hört es mit einer Verwerfung jedoch nicht auf. Gleich spricht er weiter: Was wird Israels Wiederannahme bedeuten, wenn nicht «Leben aus den Toten»? Paulus erwartet deswegen eine Wiederannahme vom gesamten Volk und das wird bildlich einer Auferstehung aus den Toten gleichen. Das wird grandios.

Essenziell ist hier das Verständnis, dass weder Gott noch Paulus Israel verdammt. Es geht auch nicht um einzelne Menschen, sondern Paulus spricht im Rahmen der prophetischen Erwartung, dass einst das ganze Volk voll von Gottes Geist sein wird:

«Ich lege mein Gesetz in ihr Inneres und werde es auf ihr Herz schreiben. Und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Dann wird nicht mehr einer seinen Nächsten oder einer seinen Bruder lehren und sagen: Erkennt den HERRN! Denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Grössten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und an ihre Sünde nicht mehr denken.»
Jer 31,33-34

«Darum sage: So spricht der Herr, HERR: Ich werde euch aus den Völkern sammeln und euch aus den Ländern zusammenbringen, in die ihr zerstreut worden seid, und werde euch das Land Israel geben. Und sie werden dorthin kommen und alle seine Scheusale und alle seine Gräuel daraus entfernen. Und ich werde ihnen ein Herz geben und werde einen neuen Geist in ihr Inneres geben, und ich werde das steinerne Herz aus ihrem Fleisch entfernen und ihnen ein fleischernes Herz geben, damit sie in meinen Ordnungen leben und meine Rechtsbestimmungen bewahren und sie befolgen. Und sie werden mir zum Volk, und ich werde ihnen zum Gott sein.»
Hes 11,17-20

«Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.»
Hes 36,26

Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom

Bei der Interpretation dieser Kapitel sollten wir stets den Zusammenhang im Auge behalten, damit keine wilden Theorien, etwa über die «verlorenen Stämme Israels», aufkommen. Paulus schreibt hier an die Gemeinde in Rom. In dieser Gemeinde gibt es sowohl Juden als auch Menschen aus den übrigen Völkern, die alle ihr Glauben an Gott durch Jesus kundtun. Wir müssen uns diese Situation in Rom vorstellen, die in der Gemeinde ein Abbild erhielt. Paulus sortiert die Gedanken im Hinblick auf Israels Zukunft, dasselbe Israel, woraus ein Teil der Gemeindemitglieder stammt.

Der Apostel klärt für alle auf, dass Gottes Wirken mit Israel weiterhin nicht vorbei ist.