Eine Warnung gleich zu Anfang: Wer auf die Frage «Wie erkenne ich Gottes Wille?» eine einfache Antwort erwartet, wird vom nachfolgenden Artikel enttäuscht sein.

Was will Gott?

Es gibt keine Anleitung, kein Rezept, obwohl die Frage ganz praktische Bedeutung hat. Die Frage nach Gottes Wille für mich kann zwiespältige Gefühle auslösen. Das hat mit unserem Gottesbild und unserer Erfahrung zu tun.

  • Ist Gott etwa ein fordernder Gott, dem ich Genüge tun muss?
  • Ist Gott etwa ein Gesetzgeber, der lauter Gesetze aufgestellt hat, welche wir Menschen kritiklos befolgen müssen?
  • Oder stehen wir, befreit durch Gottes Gnade, in einem neuen Leben, welches wir mit dieser Frage nun selbst gestalten wollen?

Glaube konkret werden lassen

Wir können aus der Bibel für unseren Alltag viel lernen. Trotzdem gibt es unzählige Situationen im Leben, für die es keine direkte oder umfassende Antwort in der Bibel gibt. Für einige wirkt das beängstigend. Wir können den Mangel an konkreten Antworten auf diese oder jene Frage aber auch als Chance betrachten, sich mit unseren Lebensfragen und der Bibel näher auseinanderzusetzen.

Wer sich die Bibel als ein Rezeptbuch für ein fehlerfreies Leben vorstellt, wird sich daran gewöhnen müssen, dass im Leben normalerweise improvisiert wird. Oder wer sich die Bibel als ein Kursbuch mit verlässlichen Zugverbindungen ausmalt, wird entdecken, dass zwar einzelne Strecken, aber nicht immer alle Anschlüsse vermerkt sind. Man wird sich also mit anderen Reisenden unterhalten müssen, vielleicht hier und dort aussteigen und Ortskundige fragen müssen, damit man auf dem eigenen Lebensweg vorankommt. Wer ein Ziel vor Augen hat, wird dann einfach den nächsten Anschluss wählen. Eine Gemeinde könnte man sich  als Reisegesellschaft vorstellen, die sich unterwegs regelmässig über die jeweils nächste Teilstrecke beratet.

Was will Gott von mir? Das ist nicht nur die Frage nach dem nächsten Schritt, sondern auch die Frage nach dem Reiseziel. Diese Frage nachzugehen, macht Glaube konkret. Es ist die Frage danach, wie Glaube in unserem Leben verankert werden kann. Es geht um die Relevanz für das eigene gelebte Leben. Es geht nicht um religiöse Pflicht, sondern es wäre getragen von einer lebendigen Gottesbeziehung. Es geht nicht um ein Kadavergehorsam, sondern um eine aktive Auseinandersetzung. Das ist lebensbejahend, lebensfördernd, und entspricht den Anforderungen einer komplexen Welt.

Gibt es konkrete Aussagen zu Gottes Wille in der Bibel? Ja, es gibt sie. Ich werde mich hier jedoch hüten, eine Liste mit Aussagen zu erstellen. Sie würde nicht nur unvollständig sein, sondern auch vom Ziel dieses Artikels ablenken. Das Ziel hier ist es nicht die Antworte zu formulieren, sondern aufzuzeigen, wie man selbst Antworte gewinnen kann.

Text im Kontext

Was in der Bibel steht, hat immer Bedeutung. Wir können von jeder Seite etwas lernen. Alle Aussagen stehen aber in einem eigenen Kontext. Der Kontext entscheidet über die Bedeutung und den Wirkungskreis. Wenn ich Antworten für die heutige Zeit suche, sollte ich stets fragen: Ist dieser Kontext für die heutige Zeit gemeint? Einige Aussagen sind universal – und ich werde sie überall in der Bibel antreffen –, andere Aussagen jedoch sind klar nur einer bestimmten Zeit zuzuordnen, oder nur für eine bestimmte Gruppe gemeint. Aus dem Kontext lässt sich das meist schnell erkennen.

Die Anweisungen von Gott für das Volk Israel beispielsweise wurden nie einem anderen Volk gegeben. So befasst sich ein grosser Teil der Bibel mit Israel. Die übrigen Nationen hat Gott dazumal einfach mal ihre eigenen Wege gehen lassen (Apg 14,16). Dass etwas an beliebiger Stelle in der Bibel steht, ist demnach noch lange keinen Grund, das sofort auf das eigene Leben zu übertragen. Gott tut das nicht, und wir sollten es auch nicht tun. Wir dürfen die einfachen Regeln des induktiven Bibelstudiums anwenden und benötigen keine voreiligen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Denke zum Beispiel an die 10 Gebote. Zweifellos sind diese Gebote gut. Ebenso klar ist, dass diese Gebote ausschliesslich an Israel zur Einhaltung gegeben wurden (2Mo 19). Die 10 Gebote stehen natürlich nicht allein da. Es gibt viele weitere Gebote und Verbote, die in den fünf Büchern Mose dem Volk Israel gegeben wurden. Wer darauf besteht, die 10 Gebote zu befolgen, muss konsequenterweise dann auch die übrigen der 614 Gebote und Verbote halten, die in den 5 Büchern Mose enthalten sein sollten.

Der Text im Kontext zu lesen – das soll auch die selektive Wahrnehmung etwas entlarven. Es sollte uns dabei helfen, das klarer zu sehen, was speziell uns heute gilt.

Was gilt heute?

Um Antworte auf Fragen zu finden, sollte man also nicht einfach die Bibel an einem beliebigen Ort aufschlagen, sondern man könnte gezielt vorgehen. Man könnte beispielsweise fragen, wo von der heutigen Gemeinde die Rede ist. Dann könnte man dort nach Antworten suchen. Das ist besser, als willkürliche Bibelstellen zu zitieren.

Selbstverständlich kann man ein bestimmtes Thema auch in der ganzen Schrift verfolgen, und dabei oft eine Entwicklung erkennen. Das ist hervorragend, um zu einem tieferen Verständnis zu gelangen. Für die Ausgangsfrage dieses Artikels aber müssen wir stets bewusst fragen: Was will Gott heute. Mit dem «heute» fängt die für mich relevante Differenzierung der Frage an. Wenn ich verstehe, was Gott heute will, kann ich auch eher die Frage beantworten, was Gott heute von mir will.

An die Gemeinde in Thessaloniki schreibt Paulus:

«Denn dies ist der Wille Gottes, eure Heiligung.»
1Thess 4,3

Alles klar? Die Aussage scheint eindeutig zu sein. Aber was meint der Apostel hier mit «Heiligung»? Und mit welcher Absicht und gegen welchen Hintergrund hat er dies geschrieben? Ein Bibeltext zu zitieren ist nicht dasselbe, als diesen Text auch im Kontext zu verstehen. Sogar dann, wenn «eindeutige» Aussagen zitiert werden, sollen sie zuerst im Kontext interpretiert werden. Voreilige Schlussfolgerungen sind nirgendwo angebracht.

Religiöser Eifer

Was will Gott von mir? Da gibt es viele Meinungen. Nicht nur Meinungen gibt es, sondern auch rigide und problematische Erwartungen innerhalb von Gemeinschaften. Es kann ein religiöser Eifer werden, der sich in frommen Werken und Erwartungen äussert. Mit der Bibel und Gottes Willen hat das nicht viel zu tun.

Ich kann hier immer selbstkritisch vorgehen: Was tue ich und weshalb tue ich etwas Bestimmtes? Wir können uns frei entscheiden, etwas zu tun oder zu lassen, weil wir davon überzeugt sind, dass es für uns wertvoll ist. Das ist dann unser eigener Entscheid. Es ist aber nicht unbedingt das, was Gott von uns will. Es wäre nur etwas, was wir selbst wollen. Das kann man hinterfragen. So lebt in manchen Kreisen die feste Erwartung, dass ein richtiger Christ jeden Morgen mindestens eine Viertelstunde «Stille Zeit» hält, für Gebet und Bibellese. Tatsächlich ist das sehr wertvoll. Dafür gibt es aber keine biblische Anweisung. Es ist mehr eine Kultur, die man pflegt. Sich täglich zu besinnen ist gut und gesund (vgl. z.B. Psalm 1). Wenn es aber zur Pflicht wird, und sozusagen darüber entscheidet, ob man ein «richtiger» Christ ist oder nicht, kann diese Haltung Menschen unter ungeheuren Druck setzen. Wir landen dann schnell bei der Gesetzlichkeit, beim religiösen Eifer.

In Kolosser 2 spricht Paulus ausführlich darüber, wie sich religiöser Eifer auch in der Gemeinde breit machen kann. Von diesem religiösen Eifer und dessen Auswüchse sagt Paulus unumwunden, dass sie «von keinerlei Wert sind, ausser zur Befriedigung des Fleisches» (Kol 2,23). Es ist eine selbst gewählte Frömmigkeit, die mit dem Verstehen von Gottes Willen nichts zu tun hat.

Zwischen religiösem Eifer einerseits und Gottes Wille andererseits müssen wir unterscheiden lernen. Das Wort Gottes hilft uns dabei. «Denn das Wort Gottes ist lebendig, wirksam und schneidender als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Teilung von Seele und Geist sowie von Gelenken als auch Mark; es ist Richter der Überlegungen und Gedanken des Herzens» (Heb 4,12). Wir müssen lernen «zu prüfen, was wesentlich ist» (Phil 1,9).

Vom Konzept zur Anwendung gelangen

Und wenn ich zu einer konkreten Frage keine direkte Antwort in der Bibel finde? Dann kann ich auf eine andere Art vorgehen. Es gibt allgemeine Konzepte und Grundregeln, die – wenn wir sie erkennen und verstehen lernen – konkret weiterhelfen. Beispielsweise gilt das in Bezug auf Beziehungen, Freundschaften, Ehe, Arbeit, Gemeinde, usw. In der Bibel sind diese Konzepte häufig durch Beispiele erläutert, oder es lassen sich Entwicklungen nachvollziehen, die zeigen, wie sich ein Konzept auswirken kann.

Grafisch könnte man das in etwa so darstellen:

Hier liegt der Knacknuss: Die Antworte werden häufig nicht vorgegeben, sondern müssen gefunden werden. Das Konzept mag klar sein, aber die Anwendung im eigenen Leben bedarf der Reflexion und manchmal auch mutige Entscheide aufgrund der gewonnenen Erkenntnis.

Gott will, dass wir prüfen

Gottes Willen zu verstehen, ist ein Vorrecht der Glaubenden, aber dies betrifft kein fixiertes Gesetzesgebäude, sondern es ist eher ein Wachsen in der Erkenntnis Gottes. So schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom:

«Ich spreche euch nun zu, Brüder (im Hinblick auf die Mitleidserweisungen Gottes), eure Körper als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer bereitzustellen (als euren folgerichtigen Gottesdienst) und euch nicht auf diesen Äon einzustellen, sondern euch umgestalten zu lassen durch die Erneuerung eures Denksinns, damit ihr zu prüfen vermöget, was der Wille Gottes sei, der gute, wohlgefällige und vollkommene»
Röm 12,1-2

Hier sehen wir, dass Paulus zwei Dinge vorsieht: Wir sollen prüfen, was der Wille Gottes sei, und dadurch findet ein fortschreitendes Erkennen statt. Wir sollten also selbst aktiv werden und damit rechnen, dass unsere Erkenntnis ständig erweitert wird.

Es geht um eine Umgestaltung unseres Selbst, und um eine Erneuerung unseres Denkens. So wie wir von Gott gesegnet werden, genauso darf dieser Segen sich in unserem Leben auswirken. Es darf zu einer Frucht des Geistes  (Gal 5,22) heranwachsen. Wir sollen die Zeit, die das benötigt, nicht ausser Acht lassen. Es ist alles dynamisch. Wir sind in einem Werden begriffen; ebenso ergeht es unserem Erkennen.

Deshalb hilft hier auch kein Schwarzweiss-Denken weiter. Wir sollten keine andere verurteilen (wohl aber beurteilen) und auch uns selbst gegenüber keine voreiligen Schlüsse ziehen (vgl. 1Kor 4,3). Wir sollen einander aber ermutigen, den Weg des Herrn zu gehen (Phil 3,15-17). Paulus betet, dass die Glaubende erleuchtete Augen des Herzens haben mögen, damit wir Gott erkennen, und das erkennen, was Er mit uns vorhat (Eph 1,15-20). Gottes Wille zu erkennen, hat nach Paulus’ Worte eine positive Steigerung in sich. Er nennt es das Gute, das Wohlgefällige und das vollkommene Erkennen von Gottes Wille.

Das Beispiel der Ehe

Konzept und Umsetzung lassen sich beispielsweise am Begriff «Ehe» nachvollziehen. Zur Ehe gibt es sowohl ein Konzept in der Bibel, als werden auch verschiedene Umsetzungen und Entwicklungen skizziert. Daraus lässt sich das Spannungsfeld zwischen Konzept und tägliche Realität gut darstellen.

Das Konzept

«Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und sie werden zu einem Fleisch werden.»
1Mo 2,24

Dieses Zitat stammt aus der Schöpfungsgeschichte. Hier gab es noch kein Standesamt. Ob Standesamt oder Kirchliche Heirat – das sind alles spätere Entwicklungen. Sie haben grossen Wert, aber all dies ist nicht die Grundlage der Ehe. Die Grundlage liegt in der Schöpfungsgeschichte. Dies ist der Ursprung.

Hier wird das Konzept beschrieben. Verbindliche Beziehungen einzugehen, ganz speziell eine verbindliche Beziehung zwischen Mann und Frau, ist etwas, was zu uns als Mensch gehört. Das gilt für die Meisten von uns. Und damit meine ich: Für die meisten Menschen, denn es geht hier um Konzepte für «den Menschen», nicht um die realen Lebenssituationen einzelner. Wir können und dürfen hier also nicht den Umkehrschluss machen, dass Gott «nur» die Verbindung von Mann und Frau gutheissen würde, denn das wird hier nicht (!) gesagt.

Wie ist es also mit LGBTQ+? Wie ist es mit dem Single-Dasein? Es gibt viele Fragen, die hier nicht beantwortet werden. Wir sollten das bewusst wahrnehmen. Zu diesen realen Fragen der heutigen Zeit schweigt diese Bibelstelle. Hier geht es um eine Vereinfachung, um ein Konzept, nicht um ein Gesetz. Ich bin mir aber bewusst, dass einige das sehr gesetzlich interpretieren. Man täte jedoch gut daran, etwas vorsichtiger mit dem Text umzugehen.

Die Ehe ist weder jüdisch noch christlich, weder staatlich noch kirchlich, sondern sie ist eine Schöpfungsordnung. Damit meine ich: Es ist Teil unseres Menschseins. Sie funktioniert auch dann, wenn keine Religion im Spiel ist, und kein Staat sein Stempel auf ein Formular gemacht hat. Wir ziehen einander an und das ist schön. Lasst uns das zelebrieren, weil es zu unserem Menschsein gehört. Wenn es ausserdem noch als Ehe, als eingetragene Partnerschaft oder anders einen gesellschaftlichen Rahmen erhält, ist das wunderbar.

Einige werden jetzt vielleicht empört aufspringen. Ich würde die Ehe ausser Kraft setzen. Das stimmt jedoch nicht. Gott hat nicht zu Adam und Eva etwa gesagt: «Ihr müsst Euch ehelichen, bevor ihr Sex haben dürft, aber produziert zuerst noch die Standesbeamten». So in etwa müsste das heute umgesetzt werden, wenn man den Gedanken mancher Kreise ernst nimmt. Ist das nicht seltsam?

Das ist jetzt kein Freidenken oder Ausbrechen aus Traditionen, sondern es ist das, was funktioniert, weil es mit unserem Menschsein zu tun hat. Es ist ein Konzept. Das Konzept hat im Text ausschliesslich mit Mann und Frau zu tun, und mit nichts anderem. Das ist kein Ausschluss und wir sollten darüber nicht folgern, sondern nur erkennen, dass es hier um ein Konzept geht. Konzepte decken per definitionem nicht jede Situation ab. Das Konzept trifft für die meisten Menschen zu und ist eine allgemeine Aussage. Wir sind dazu gemacht, «einander anzuhängen», nicht allein zu bleiben. Ausnahmen, etwa wie der Apostel Paulus sich selbst beschreibt (1Kor 7,7 im Kontext). Dazu drängt es uns, egal welche Form wir in der Gesellschaft daran geben. Zwar ist es hervorragend, einen Bund zu schliessen, der in der Gesellschaft anerkannt ist. Die Geschichte zeigt jedoch, dass dies immer wieder auf andere Art stattfand – sogar in der Bibel. Merke: Was wir heute als «Eheschliessung» bezeichnen, ist der Bibel fremd.

Was wir heute als «Eheschliessung» bezeichnen, ist der Bibel fremd.

Wie das Konzept dann in der Gesellschaft verankert wird, auch nach biblischen Beispielen, wird durch die Ausgangslage begründet, und nicht umgekehrt. Die gesellschaftliche Ratifizierung der Ehe ist mit der Grundlage nicht zu verwechseln. Deshalb gibt es auch Menschen, die von Natur aus das machen, was das Gesetz fordert (vgl. Römer 2,14). Zweifellos gilt das auch für die guten Ehen, die überall auf der Welt stattfinden, unabhängig davon, was Mann oder Frau sonst noch glaubt. Sie leben das, was wir als Konzept in 1Mo 2,24 vorfinden. Ich denke, wir tun gut daran, das Gute als solches zu würdigen.

Die Realität

Das Konzept ist in der Aussage gut, aber begrenzt. Für alltägliche Herausforderungen finden wir hier vielleicht eine Richtschnur, aber nicht notwendigerweise eine Antwort auf alle unsere Fragen, Verlangen und Nöte. Es ist nun interessant zu sehen, wie mit dieser kurzen Aussage in der biblischen Geschichte umgegangen wird. In der Bibel haben nicht alle Menschen nach diesem ursprünglichen Konzept gelebt. Es gab nicht nur Monogamie, sondern auch Bigamie (1Mo 4,19, 1Sam 1,2, 1Chr 4,5 – eine Situation, die sogar im Gesetz mit weiteren Regeln indirekt erlaubt war, 5Mo 21,15) und Polygamie (1Kön 11,3). Es gab Hurerei, Ausschweifungen, und mancherlei sexuelle Entgleisungen. Es gab Regelungen für Scheidungen (5Mo 24,1).

Die Korrektur

Was geschah nun mit der Abweichung des ursprünglichen Konzepts? Im Neuen Testament finden wir dazu weitere Angaben. Jesus zitiert das Konzept in Matthäus 19,8 und spricht über die Ehe, wie sie «von Anfang an» war. Er tut dies als Reaktion auf eine Frage der Schriftgelehrten, ob es erlaubt sei, seine Frau wegen «jeder Beschuldigung» zu entlassen. Dies ist der Kontext. Jesus verweist dann sowohl auf den Scheidebrief, der Mose erlaubt hat «wegen eurer Hartherzigkeit», als auch auf das Konzept, nämlich wie es «von Anfang an» war. Die Worte in 1. Mose 2 werden genutzt, um die «ursprüngliche» Bedeutungen anzugeben:
– Monogamie
– Einmaligkeit
– Lebenslange Verbindung
– Reinheit, Heiligkeit in der Ausschliesslichkeit.

Zitiert wird dieses Konzept in Matthäus 19,5-6, Mk 10,6-8,
1. Korinther 6,16 und Epheser 5,31. Stets geht es um einen weiteren Aspekt dieses ursprünglichen, in 1.Mo 2 beschriebenen Konzepts. Die konkreten Situationen betreffen:
– Scheidung (Mt 19, Mk 10)
– Hurerei (1Kor 6)
– Gegenseitige Unterordnung von Mann und Frau, als Abbild von Christus und die Gemeinde (Eph 5)

Das Konzept lässt sich sinnvoll auch heute noch als Grundlage verwenden. Nicht, weil es jede Einzelheit beschreibt, sondern weil es die Richtung angibt. Jesus führte in seiner Antwort zurück an die ursprüngliche Bedeutung.

Es soll hier keine Abhandlung über die Ehe erfolgen, sondern nur auf das Phänomen biblischer Konzepte hingewiesen werden, wodurch wir unserem Leben Richtung geben und auch eher zu Antworte finden können, wo es keine konkreten Angaben gibt.

Gottes Wille erkennen

Gottes Wille zu erkennen, ist ein fortschreitendes Erkennen. Der dänische Philosoph und Theologe Søren Aabye Kierkegaard hat den Ausspruch geprägt:

«Es ist wahr, was die Philosophie sagt, dass das Leben rückwärts verstanden werden muss. Aber darüber vergisst man den andern Satz: dass vorwärts gelebt werden muss.»
Søren Aabye Kierkegaard

Möchten wir vorwärts leben, dann müssen wir aktiv Fragen stellen, uns mit dieser Zeit und mit Gottes Willen aktiv auseinandersetzen. Dass dies geht, liegt in Gottes «Ja» zu uns eingeschlossen, welches uns in Christus Jesus zuteilwurde. In Kontrast zu einem gesetzlichen Evangelium, welches kein wirkliches Evangelium ist, schreibt Paulus den Galatern:

«Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht. Stehet nun fest in ihr und lasst euch nicht wieder im Joch der Sklaverei festlegen.»
Gal 5,1

Und der Gemeinde in Kolosse schreibt er:

«Deshalb hören wir auch nicht auf, von dem Tage an, als wir das hörten, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr mit der Erkenntnis Seines Willens in aller geistlichen Weisheit und allem geistlichen Verständnis erfüllt werdet, um des Herrn würdig zu wandeln und Ihm in jeder Weise zu gefallen – als solche, die in allem guten Werk Frucht bringen, in der Erkenntnis Gottes wachsen und mit aller Kraft nach der Gewalt Seiner Herrlichkeit gekräftigt werden, zu aller Ausdauer und Geduld mit Freuden.»
Kol 1,9-11

Diesem Gebet können wir uns anschliessen.