Wie praktisch wäre es jedoch, wenn man eine einzige Quelle hat, auf die Verlass ist! Man fragt etwas, und erhält eine Antwort. Hat die Bibel die Antwort auf alle Fragen?

Den Lesern des Newsletters habe ich gebeten, mir eine Antwort auf diese Frage «Hat die Bibel die Antwort auf alle Fragen?» zu schicken. Es gab einige Antworte, aber eine repräsentative Umfrage ist es nicht. Herzlichen Dank jedoch allen, die geschrieben haben!

Mir fiel auf, dass niemand die Frage direkt mit «ja» oder «nein» beantwortet hat. Eher ging es bei den Rückmeldungen um persönliche Glaubenszeugnisse und persönliche Erkenntnisse. Das zeigt vielleicht, dass wir bevorzugt aus unserer eigenen Erfahrung heraus antworten.

In einem früheren Beitrag habe ich bereits einmal meine persönliche kurze Zusammenfassung auf diese Frage geschrieben («Ist die Bibel die Antwort auf alle Fragen?»). Hier möchte ich etwas Differenzierung in die Antwort bringen.

Jemand schreibt:

Ich glaube an die Zusage des Vaters, der bezeugt:
«Und ich tue Gutes an vielen Tausenden, die mich lieb haben und meine Gebote (…) halten».
Das stimmt und ist richtig, denn ich habe es am eigenen Leib erfahren in mehrfacher Hinsicht.

In dieser Aussage wird primär zum Ausdruck gebracht, dass Glaube erfahren wird. Man erfährt, dass die Bibel wahr ist, zuverlässig ist.

Jemand schreibt:

Aus Jesu Wort in der Bibel ist sie nach meiner Erfahrung zu finden: «Kommt her zu mir …»

Hier wird die Erfahrung «aus Jesu Worten» abgeleitet, also durch das Lesen der Bibel erhält man den Zuspruch. Ob die Bibel alle Antworte hat, wird auch hier nicht direkt ausgesagt, jedoch sprachen die Rückmeldungen davon, dass Menschen «für sich» den Zuspruch erhalten, den sie brauchen. Das ist vielleicht auch die einzige Antwort, die man geben kann: Für mein Christsein und mich bietet die Bibel die Antwort auf alle Fragen, die mir wichtig sind.

Die extreme Projektion auf die Bibel

Ich selbst jedoch habe einst gedacht, dass die Bibel auf alles eine Antwort hat. Mit dieser Glaubenshaltung dachte ich einst der Wahrheit der Bibel, der Grösse Gottes und den Möglichkeiten des Verständnisses einen Dienst zu erweisen. Ich erwies sie aber einen Bärendienst. Sobald ich von mir selbst erkenne, dass ich nicht alle Antworte habe, wie kann ich dann beurteilen, ob irgendetwas anderes «alle» Antworte hat? Ich erkannte, dass die Behauptung «die Bibel hat auf alles eine Antwort» entweder von (meiner) Ignoranz spricht, oder ich bin ein Hochstapler, der sich in Gottes Position versetzt.

Nur Gott steht über allem, soviel war klar. Wer jedoch meint, dass die Bibel die Antwort auf alle Fragen hat, überträgt Eigenschaften Gottes auf das Buch. Das ist problematisch. Man weist der Bibel die Göttlichkeit Gottes zu. Es ist eine extreme Projektion.

Solches passiert nicht nur unter Christen. Auch von Muslimen habe ich Sätze gelesen wie «Der Koran hat die Antwort auf alle Fragen». Es scheint also, dass es eher etwas mit einer bestimmten Betrachtung als mit der Realität zu tun hat. Deshalb die Frage: Wo liegen die Grenzen unserer Annahmen? Wo vertrauen wir dankbar die Aussagen der Bibel? Und: Die Bibel selbst sagt nirgendwo, die Antwort auf alle Fragen zu haben. Warum kommen einige Menschen dazu, absolute Aussagen auf ein Buch zu projizieren?

Das Ziel solcher Fragen ist bloss die Selbstreflexion. Diese ist wichtig, damit wir besser verstehen und uns nicht in eigenen Annahmen verirren.

Die Antwort ist 42

In dem Roman «The Hitchhikers Guide to the Galaxy», von Douglas Adams, wird die ultimative Antwort auf das Leben, das Universum und allen Dingen gefragt. Das ist keine Behauptung wie «die Bibel gibt auf alles eine Antwort», aber es ist eine philosophische Frage, die in die gleiche Richtung zielt. Erstaunlicherweise findet man solche Ideen auch in der Populärkultur.

Ein Computer benötigt im Film (des gleichnamigen Buches) zur Beantwortung der Frage 7,5 Millionen Jahren. Dann wird die Frage noch einmal gestellt und die Antwort folgt. Im folgenden Filmzitat geht es um die Antwort auf alle Dinge. Es scheint eine verführerische Frage zu sein und der Computer antwortet: Die Antwort wird euch nicht gefallen.

Zwischen persönlicher Erkenntnis und allgemeiner Gültigkeit

Eine persönliche Aussage soll entsprechend gewürdigt sein. Anders wird es jedoch, wenn jemand für die Bibel eine allgemeine Gültigkeit erklärt, als wäre die Bibel ein Gesetzesbuch für die gesamte Menschheit, ein Geschichtsbuch, gültig für die ganze Weltgeschichte oder eine wissenschaftliche Studie, dazu gemeint, alles Sichtbare und Unsichtbare zu erklären.

Zweifellos gibt es in der Bibel hervorragende Beobachtungen. Diese werden mit wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel übereinstimmen. Nicht jedoch begründen gute Beobachtungen, dass die Bibel «also» ein wissenschaftliches Werk ist. Das ist sie nämlich nicht. Die Aufgabe der Bibel ist es nicht, die Welt zu erklären, sondern ihr Thema ist es, Gott und Mensch in Beziehung zueinander zu sehen. Mehr zu diesem Thema im Beitrag «Ist die Bibel zuverlässig?».

Die Bibel ist ein Beziehungsbuch in einem geschichtlichen Kontext. Die Frage «Hat die Bibel auf alles eine Antwort?» muss deshalb im Rahmen der Aufgabe dieses Buches gesehen werden. Viele andere Themen bleiben damit leider unberührt. Eine solche Feststellung ist nicht «liberal» oder «gefährlich» – wie ich das manchmal höre –, sondern «nüchtern» und «nötig».

Die Bibel ist ein Beziehungsbuch in einem geschichtlichen Kontext.

Wer die Bibel in eine Ecke drängt, für die sie nie gegeben wurde, kann nur enttäuscht werden. Die Bibel spricht von der Schöpfung, kann man festhalten. Sie beweist diese Schöpfung jedoch nicht. Das ist ein Unterschied. Die Bibel gibt keine Antwort auf wissenschaftliche Fragen. Ihr Ziel war es nicht, etwa die Schöpfung zu erklären, sondern diese Welt, in der wir Leben in Bezug zu Dem zu setzen, aus Dem alles erschaffen wurde. Was das bedeutet, ist mit einer physikalischen Schöpfung nicht erklärt und vielleicht waren die physikalischen Vorgänge auch nie das Thema in 1. Mose. Damit verneine ich diese Vorgänge nicht, sondern ich anerkenne bloss, dass es hier nicht um eine wissenschaftliche Beschreibung geht. Viel bedeutungsvoller ist die Frage: Was will der Text vermitteln? Wer also auf wissenschaftliche Punkte versteift ist (etwa: Pro oder Kontra «Schöpfung»), verkennt die biblische Aussage, die auf Beziehung hin ausgelegt ist.

Vom Blickpunkt des Betrachters

Ein weiterer Punkt betrifft die biblischen Erzählungen selbst. Sie werden fast ohne Ausnahme von einer menschlichen Perspektive aus gemacht. Ein Mensch steht draussen vor seinem Zelt und schaut hinauf zum Sternenhimmel. Was von diesem Beobachtungspunkt stimmt, muss nicht unbedingt in der Realität stimmen. Es ist wahr als Beobachtung, steht jedoch nirgendwo mit der Wissenschaft in Konflikt. Es gibt also keinen Grund, einen Konflikt heraufzubeschwören.

In der Apostelgeschichte lesen wir über Schiffsreisende, die feststellten, «dass sich ihnen irgendein Land nähere» (Apg 27,27). Kam tatsächlich das Land näher? In der Realität wird wohl das Umgekehrte zugetroffen haben – das Schiff hat sich dem Land genähert. Von der Beobachtung der Seeleute aus, sah es jedoch gerade umgekehrt aus, als käme das Land zu ihnen.

Wahrheit erkennen

Im Bereich der persönlichen Erfahrung spielt sich vieles ab, was unser Leben bestimmt. Hier wird Wahrheit «erkannt» und diese Wahrheit macht «frei». Es ist das, was in einem lebendigen Glauben passiert. Sehe es als eine umwälzende Erfahrung, die im Glauben konkret werden kann. Es ist, als macht sich der Himmel auf und man erkennt, worum es im Innersten geht – dass man persönlich gemeint ist. Wahrer Glaube wächst aus solchen Erlebnissen.

Jemand schreibt:

Auf der Suche nach der Wahrheit, hat der Herr Jesus mich Stück für Stück die Wahrheit gelehrt und heute kann ich sagen, es stimmt „Die Wahrheit macht frei.“

Wer die Bibel als wahr erkennt, daraus ableitet, was guttut, was wert hat, was zuverlässig erscheint, der steht damit nicht allein. Wir teilen unser Vertrauen und unser Glauben mit anderen Vertrauenden und Glaubenden. Aber fragen wir uns hier: Hat die Bibel dadurch plötzlich auch die Antworte auf alle nicht persönlichen Fragen? Natürlich nicht. Das ist gar nicht möglich, weil es nie die Absicht der Bibel war «auf alle Fragen eine Antwort» zu bieten.

Paulus konnte schreiben «Bis jetzt erkenne ich nur aus Bruchteilen …» (1Kor 13,12). Diese Erkenntnis gehört zu einer gesunden Lebenseinstellung. Wir müssen die Bibel nicht verteidigen mit absoluten Ansprüchen, worüber sie selbst nichts schreibt.

Trotzdem ist es mehr als berechtigt, sich die errungene und erkannte Wahrheit als freimachend zu beschreiben. Erkennen wir nämlich, wie Gott in Christus wirkt, kann uns dies in die Freiheit hinausführen. Das ist nicht nur eine reale Erfahrung, sondern auch erklärtes Ziel unserer Berufung. So wie Paulus bezeugt:

«Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht. Stehet nun fest in ihr …»
Gal 5,1

Das ist auch das Ziel der Bibel: Menschen für die Begegnung mit Gott und nach Seiner Gnade freizusetzen. Es ist eine direkte Folge der Verkündigung. Das sind die Fragen, worauf die Bibel tatsächlich eine Antwort hat.

Kein Absolutheitsanspruch, aber ein Ziel vor Augen

Wenn jemand davon spricht, dass die Bibel die Antwort auf alle Fragen hat, sagt vor allem etwas über sich selbst aus.

Die Behauptung, die Bibel beschreibe alles im Universum und hat im Vergleich «die ultimative Antwort auf das Leben, das Universum und alle Dinge», der verkennt die Bedeutung der Schrift. Der Wert der Bibel liegt nicht in der Bibel selbst, es ist kein Orakel, keine umfassende Darstellung von irgendwelchen – gestehe, denn «allen» – Themen. Die Bibel aber hat ein Grund für ihre Existenz und vor allem ein Ziel. Die Bibel spricht von mehreren Zielen und «Zwischenzielen». Wir können über das Ziel Gottes nachdenken und das ist wichtig. Gibt es aber auch ein Ziel für uns? Lässt sich irgendwo ableiten, was die Bibel für uns bezwecken sollte?

Dieses Ziel beschreibt der Apostel Paulus zum Beispiel so:

«Alle Schrift ist gottgehaucht und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes zubereitet sei, ausgerüstet zu jedem guten Werk.»
2Tim 3,16-17

Der Gemeinde in Rom hat er geschrieben:

«Denn all das, was vorher geschrieben wurde, ist gerade uns zur Belehrung geschrieben worden, damit wir durch Ausharren und durch den Zuspruch der Schriften Zuversicht haben mögen.»
Röm 15,4

Das Ziel der Bibel ist es nicht, auf alles eine Antwort zu geben, jedoch kann die Schrift den Gläubigen befähigen, zurüsten für gute Werke und konkreten Zuspruch für das Leben vermitteln. Damit sind wir wieder zurück bei der Umfrage und den eingeschickten Zeugnissen Denn: Genau in diesem Sinne erhielt ich Rückmeldungen zu meiner Frage.